Das Thema Eigenschutz spielt bei den Impfungen der Kinder nur teilweise eine Rolle. Für Kinder, die selbst chronisch krank sind oder enge Kontaktpersonen von chronisch Kranken sind, empfehle die Stiko nach wie vor zwei Impfungen sowie eine Auffrischungsimpfung, erläutert Achenbach: „Alle anderen sollen – im Moment – nur einmal geimpft werden.“
Dass Impf-Empfehlungen zunächst für die am stärksten gefährdeten Gruppen – chronisch Kranke und ältere Menschen – ausgesprochen würden und erst jetzt auch für gesunde Kinder zwischen fünf und elf, sei nachvollziehbar.
Zu lange habe sich die Stiko mit der Empfehlung für diese Gruppe nicht Zeit gelassen, findet Achenbach. „Die Stiko hat den staatlichen Auftrag, aufgrund von Fakten zu entscheiden, und nicht ins Blaue hinein.“ Genau das habe sie getan, indem sie Studien und Daten abgewartet und geprüft habe, um dann eine fundierte Entscheidung zu treffen. „Einem Außenstehenden kommt das in einer Pandemie langsam vor, aber ich bin eigentlich nicht der Meinung, dass es viel früher hätte sein sollen.“
Für die Empfehlung nur einer Impfdosis gebe es – neben dem Basisschutz aus der Kombination von überstandner Infektion und einer Impfung – einige Gründe. Dies seien die Lehren aus dem vergangenen Winter. „Im Dezember kam die Kinderimpfung in die Praxen, die Personen, die zu diesem Zeitpunkt eine Impfung haben wollten, hatten es unheimlich eilig“, erinnert sich Achenbach. Das heißt die zweite Impfdosis sollte so früh wie möglich, also drei Wochen nach der ersten verabreicht werden. Zwei Wochen später galt dann der volle Impfschutz. Dieses Zeitfenster von fünf Wochen saß allen im Nacken. Dadurch sei ein unwahrscheinlicher Zeitdruck im Spiel gewesen, zum Teil auch durch die Politik mit angeheizt.
Die Empfehlung der Stiko nun einmal zu impfen, nehme laut Achenbach den Zeitdruck raus für den Fall, dass im Herbst doch noch empfohlen wird, dass Kinder eine zweite Dosis erhalten sollen.
Für Achenbach spricht noch etwas dagegen, bei der Impfung zu hetzen und eher dafür sich Zeit zu lassen – nämlich die Erkenntnisse über Herzmuskelreizung. Diese traten bei einigen jungen Männern nach der Impfung als Nebenwirkung auf. Nach Auswertung der Daten wisse man, dass diese Nebenwirkung bei Kindern unter 12 Jahren keine Rolle spiele, so Achenbach.
Doch die Daten zeigten, dass diese Nebenwirkung vor allem nach der zweiten Impfung auftrat, wenn diese in geringem Abstand zur ersten erfolgte. Achenbach kann sich vorstellen, dass das Risiko der Herzmuskelreizung bei geringen Impfabständen für die Stiko ein weiterer Grund war, jetzt erst einmal eine Impfung zu empfehlen. Aber er sieht noch einen weiteren Grund.
„Ich vermute, dass das auch strategisch gedacht ist“, sagt Achenbach. Denn im Herbst könnte ein auf neuere Corona-Varianten angepasster Wirkstoff auf dem Markt sein, der dann für eine Zweitimpfung der Kinder verwendet werden könne. „Noch verwenden wir die vom Ursprungstyp abgeleiteten Impfstoffe, die Omikron-Wirkstoffe befinden sich noch in der klinischen Erprobung.“ Bis zum Herbst seien sie aber voraussichtlich zugelassen. „Den vorhandenen Basisschutz muss man dann nur noch modulieren und nicht komplett einen neuen Schutz aufbauen.“ Wenn nötig könnte man im Herbst schnell eine relevante Menge der Bevölkerung mit dem angepassten Vakzin impfen.
Auch Kleinkinder könnten bald schon geimpft werden. „Der Wirkstoff für Unter- Fünfjährige wird schon produziert und ist kurz vor der Zulassung. Der Wirkstoffgehalt ist dabei noch einmal reduziert“, so Achenbach. Statt 30 Mikrogramm bei Erwachsenen und zehn im für Kinder zugelassenen Impfstoff soll der für Kleinkinder drei Mikrogramm enthalten. Wenn er einmal zugelassen ist, soll dieser auch dreimal verimpft werden und auch bei dieser deutlich geringeren Wirkstoffmenge einen guten Impfschutz bieten.