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Kinderarzt Achenbach zu Cannabis-Legalisierung: „Richtige Richtung, aber…“ 

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Von: Johannes Opfermann

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Die Pläne zur teilweisen Legalisierung des Cannabiskonsums sind aus Sicht des Plettenberger Kinder- und Jugendarztes in Hinblick auf den Jugendschutz noch zu vage.
Die Pläne zur teilweisen Legalisierung des Cannabiskonsums sind aus Sicht des Plettenberger Kinder- und Jugendarztes in Hinblick auf den Jugendschutz noch zu vage. © dpa

Die Pläne der Bundesregierung, den Konsum von Cannabis teilweise freizugeben, stoßen auf Kritik. Wie viele Berufskollegen sieht auch der Plettenberger Kinder- und Jugendarzt Michael Achenbach bei der Teillegalisierung noch offene Fragen beim Thema Jugendschutz. Er kann dem Vorhaben aber auch positive Aspekte abgewinnen.

Plettenberg – Inzwischen sähen die Kinder- und Jugendmediziner das Thema deutlich entspannter als noch vor der Veröffentlichung der Pläne zur Teillegalisierung des Cannabiskonsums, erklärt er. „Im Vorfeld war noch in keinster Weise festgelegt, wie der Kinder- und Jugendschutz aussehen soll“, so Achenbach. Inzwischen seien in den Plänen schon Verbesserungen erkennbar gegenüber dem, was zunächst kommuniziert wurde. „Ich würde es verhalten positiv bewerten, auch wenn es noch sehr vage ist. Ich sehe den Jugendschutz in dem Vorhaben jetzt etwas genauer, man muss es aber noch näher fokussieren.“

In vielen Punkten zu wenig konkret

Er nennt als Beispiel, dass der Besitz von drei weiblichen blühenden Cannabis-Pflanzen erlaubt sein soll, solange diese vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt sind. Im Außenbereich dürfte man die Pflanzen nicht anbauen, müsste dies also in der Wohnung tun. Wie man sie dort vor den eigenen Kindern und Jugendlichen schützt und vor allem auch wie dies kontrolliert werden solle, das werde noch nicht konkret beantwortet, sagt der Kinder- und Jugendmediziner: „Mir ist das noch zu vage.“

„Was ich gut finde ist, dass die Abgabe in Geschäften nicht flächendeckend erfolgen soll, sondern in Modellregionen, und dabei auch wissenschaftlich begleitet wird“, sagt Achenbach. „Wenn wir Cannabis in den freien Handel abgeben, müssen wir genau schauen, wie wir das jugendschutzkonform gestalten.“

Positiv stellt er heraus, dass es sowohl für Abgabestellen als auch für den Cannabiskonsum Mindestabstände zu Schulen und Kitas geben soll. „Es muss aber konkreter gesagt werden, wie das ausgestaltet werden soll.“

Aus Achenbachs Sicht wäre eine begleitende Forschung notwendig, wie sich die Teillegalisierung des Cannabiskonsums auf das Konsumverhalten in der Risikogruppe Kinder und Jugendliche auswirkt, ob der Konsum zunimmt.

Achenbach verweist auf die Problematik des Cannabiskonsums bei Heranwachsenden: „Bei Gehirnen, deren Reifeprozess noch nicht abgeschlossen ist, kann der Cannabiskonsum in seltenen Fällen zu Schädigungen führen, die unumkehrbar sind. Ein Beispiel dafür ist die Cannabis-induzierte Psychose. Jugendliche haben dafür ein erheblich höheres Risiko, vor allem bei niedrigem Einstiegsalter.“

Jugendschutz nicht zu lässig angehen

Ab einem bestimmten Reifegrad des Gehirns ist das Risiko für diese Schädigungen stark reduziert, was der entscheidende Unterschied zwischen Jugendlichen und Erwachsenen beim Thema Cannabiskonsum sei. Aus diesem Grund kommt der richtigen Ausgestaltung des Kinder- und Jugendschutzes so eine große Bedeutung zu.

„Wenn wir das Thema Jugendschutz zu lässig, zu easy angehen und dann Jugendlichen haben, die lebenslange Schäden durch den Konsum davontragen, dann haben wir diese Schäden wissentlich zugelassen“, sagt Achenbach.

Deswegen gehört für ihn auch eine aktive Aufklärungsarbeit vor allem in den Schulen dazu, um die Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren. Doch dabei geht es auch um das Wie. „Die Aufklärung über Drogen war früher noch sehr moralingesäuert“, erinnert sich Achenbach. „Wir brauchen hier aber nicht den erhobenen Zeigefinger, denn Verbote steigern manchmal erst den Reiz. Wir müssen vielmehr sachlich die Zusammenhänge erklären, worauf zu achten ist, welche Gefahren es gibt. Es geht um Wissensvermittlung.“

Dass die vorgestellten Pläne vorsehen, dass Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, an Interventionsprogrammen teilnehmen sollen, findet Achenbach einerseits gut, doch auch in diesem Punkt fehlen ihm konkrete Vorgaben zu diesen Programmen. Deswegen wäre auch hier eine wissenschaftliche Begleitung durch die Bereiche Pädagogik, Psychologie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig, um zu sehen, welche Art von Programmen überhaupt sinnvoll und wirksam seien. „Wirkungslose Programme sind eine Strafe und keine Hilfe“, so Achenbach.

Legalisierung mit klaren Vorgaben und Regeln

Auch in Deutschland käme man aber nicht um eine Legalisierung des Cannabiskonsums herum, auch wenn man sich im Vergleich andere Länder anschaue, findet der Kinder- und Jugendmediziner. „Wir kriminalisieren hier Menschen aufgrund der Tatsache, dass sie Drogen zu sich nehmen, die im Vergleich zu anderen legalen Drogen harmloser sind“, gibt Achenbach zu bedenken. Während Alkohol am Steuer weitaus weniger streng geahndet wurde und wird, gebe es beim Cannabis das andere Extrem.

Da keine Grenzwerte festgelegt seien, ab wann jemand nach Cannabiskonsum nicht mehr verkehrstüchtig ist, werde schon bei allerkleinsten Mengen eine Verkehrsuntauglichkeit angenommen. Die wissenschaftlichen Daten würden dies allerdings nicht belegen, so Achenbach.

Es werde mit zweierlei Maß gemessen, auch zwischen Cannabispatienten, die Cannabis ärztlich verordnet bekommen und trotzdem ein Fahrzeug führen dürfen, und anderen Cannabiskonsumenten, die es nicht dürfen. „Das muss man sicherlich auch auf den Prüfstand stellen“, findet Achenbach.

Insgesamt sieht er die Pläne zu einer teilweisen Legalisierung – auch wenn sie zum Teil noch wenig konkret sind – als Fortschritt. „Die Legalisierung mit klaren Vorgaben und Regeln ist ein Schritt in die richtige Richtung, man darf darüber den Jugendschutz aber nicht vernachlässigen, denn der Konsum kann nachteilige Wirkung haben, wenn der Reifeprozess des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist“, betont er nochmals.

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