Kein Notruf wegen Funkloch möglich: Verbesserungen nicht in Sicht

Im Raum Selscheid und vor allem auf dem Weg dorthin gibt es ein größeres Funkloch. Genau deshalb konnte eine 24-jährige Autofahrerin nach ihrem Horrorunfall nicht direkt Hilfe rufen. Ein neuer Funkmast soll die Situation verbessern.
Plettenberg/Werdohl – „Eine Stadt oder Gemeinde ohne Mobilfunkanbindung hat keine Zukunftschancen.“ Das sagte Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, mit Blick auf die weißen Flecken im Mobilfunknetz.
Einen solchen weißen Fleck auf der Karte gibt es im Raum Selscheid und vor allem auf dem Weg dorthin.
Und genau deshalb erlebte die 24-jährige Fahrerin eines Kleinwagens in der Nacht zum 6. Mai einen Horrorunfall, den sie so schnell nicht vergessen dürfte. Zunächst geriet die ortsfremde Iserlohnerin in Dunkelheit in der scharfen Jeutmecke-Kurve auf der K8 zwischen Plettenberg und Werdohl auf den unbefestigten Seitenstreifen, der sich direkt neben einer Brücke und einem tiefen Bachbett befindet. Der VW-Kleinwagen rammte ein Verkehrsschild, geriet ins Schleudern, rutsche den Steilhang hinab und kam entgegengesetzt zur ursprünglichen Fahrtrichtung im Bachbett eingekeilt zwischen den Bäumen zum Stehen.
Doch die albtraumhafte Odyssee hatte noch kein Ende, denn zunächst einmal versuchte sich die schwer verletzte Frau aus dem havarierten Kleinwagen zu befreien. Danach musste sie den glitschigen Uferbereich erklimmen, um dann am Straßenrand angekommen festzustellen, dass dort kein Mobilfunkempfang möglich ist. Und ohne den geht kein Notruf raus.

Iserlohnerin schleppt sich bergabwärts
Um den Notruf absetzen zu können, schleppte sich die schwer verletzte Iserlohnerin nun straßenabwärts in Richtung Ohle und Wohnsiedlung Burg, wo sich das Handy dann irgendwann wieder in das Netz einwählte und die junge Frau über die Kreisleitstelle Hilfe alarmieren konnte. Hätte sie die Straße in Richtung Selscheid verfolgt, hätte sie noch viel weiter laufen müssen, um einen Notruf abzusetzen.
Auch eine Woche nach dem Unfall befand sich die junge Frau noch in stationärer Behandlung im Krankenhaus.
Dass es in einem hoch technisierten Land immer noch zu solchen Vorfällen kommen kann, sorgt bei vielen Bürgern für Kopfschütteln. Dabei ist das Funkloch an der K8 durchaus bekannt, wie auch Maik Exner von der Telekom auf Anfrage bestätigte. „Hierzu gab es bereits Gespräche zwischen dem Mobilfunkkoordinator des Kreises und unserem Haus. Nach unserem aktuellen Kenntnisstand ist zwischenzeitlich ein neuer Mobilfunkstandort in Selscheid geplant. Diesen Standort wird die Telekom mit nutzen, um die Netzverfügbarkeit in dem Gebiet zu erhöhen, wohlwissend, dass die Topografie mit den engen Tälern und Schleifen eine mobilfunktechnische physikalische Herausforderung bleiben kann“, so Exner, der abschließend betonte, dass Notrufe wie 110 und 112 netzübergreifen funktionieren. Wer also mit seinem O2-Vertrag im Funkloch steht, wo es aber D1-Empfang gibt, kann darüber den Notruf erreichen. Im beschriebenen Fall gibt es aber keinerlei Netzabdeckung.
Und daran wird sich womöglich auch nichts ändern, teilte Mobilfunkkoordinator Matthias Pohl mit, konnte aber dennoch Hoffnung verbreiten.
Netzabdeckung der Jeutmecke-Kurve offen
„Im Bereich Selscheid soll nach unseren Informationen ein neuer Mast erbaut werden. Dieser wird aber vermutlich nicht die Jeutmecke-Kurve versorgen können“, sagte Pohl und zeigte auf, dass er dieses Funkloch sehr wohl auf dem Schirm hat.
„Über den Bereich der Jeutmecke-Kurve haben wir seit Anfang unserer Tätigkeit kontinuierlich mit den Mobilfunknetzbetreibern gesprochen und sogar infrage kommende Grundstücke angeboten. Der Bereich gehört nicht zu bestehenden Versorgungsauflagen und wurde auch eigenwirtschaftlich bislang nicht komplett von den Mobilfunknetzbetreibern erschlossen.“
Im Lennetal sowie in Plettenberg und Herscheid würden ungeachtet dessen zahlreiche Optimierungsarbeiten, Netzerweiterungen, Kapazitätserweiterungen und Neubauten der Mobilfunknetzbetreiber stattfinden, um den Empfang zu verbessern, 4G und 5G zur Verfügung zu stellen sowie weiße und graue Flecken zu versorgen. Zuletzt wurde beispielsweise der Bereich Plettenberg-Sonneborn mit LTE und 5G versorgt.
Gebiete mit schlechtem Mobilfunkempfang können entweder bei dem entsprechenden Mobilfunknetzanbieter gemeldet werden oder anonym via FunklochApp (Android/iOS) bei der Bundesnetzagentur. Mit der Nutzung der APP können Bürgerinnen und Bürger am Verbesserungsprozess teilhaben.

„Im Märkischen Kreis liegt die 4G-Verfügbarkeit derzeit bei rund 96,6 Prozent, bei 5G sind es rund 79,3 Prozent. Obwohl in den vergangenen zwei Jahren deutliche Fortschritte bei der Netzabdeckung und beim Schließen von Funklöchern erzielt wurden, bleibt die flächendeckende Versorgung eine Herausforderung für die Mobilfunknetzbetreiber. Vor allem enge Täler und die schwierige Topografie in Teilen des Kreisgebietes machen den Netzausbau anspruchsvoll“, sagt der Mobilfunkkoordinator des Märkischen Kreises, Matthias Pohl.
Dass in Selscheid Planungen für einen rund 40 Meter hohen Mobilfunkmasten laufen, bestätigte auch Susanne Stein, Pressereferentin bei der MIG Mobilinfrastrukturgesellschaft, eine an das Bundesverkehrsministerium angedockte Behörde, die bei der Umsetzung der Mobilfunkförderung des Bundes, die Beteiligten zusammenbringt. So habe man in Selscheid vielversprechende Gespräche über ein passendes Grundstück geführt, das südlich oberhalb des Dorfes liege.
„Wir helfen dabei, bestehende Funklöcher zu beseitigen, um allen Bürgern, Gemeinden und Unternehmen den Anschluss an das Entwicklungspotenzial und die Zukunftschancen der Digitalisierung zu ermöglichen“, sagte Stein.
Bau der Türme wird ausgeschrieben
Die Aktivitäten der Behörde laufen in Abstimmung mit dem Mobilfunkkoordinator vor Ort von der ersten Planung bis zur abschließenden Erfolgskontrolle. Wenn dem Bau nichts mehr im Weg steht, wird der Standort unter den sogenannten TowerCompanys ausgeschrieben, die den Mast dann bauen und anschließend mehreren Netzanbietern gegen Entgelt zur Verfügung stellen.
In Selscheid rechnet Stein „bei einem optimalen“ Verlauf mit einer Inbetriebnahme des geplanten Mobilfunkmastens bis Ende 2024.