Aus Sicht von Corinna Flüs habe der Fachkräftemangel auch mit der Pandemie zu tun. „Es liegen harte Jahre hinter uns“, sagt sie. Deswegen würden sich einige Fachkräfte umorientieren. Wegen der hohen Arbeitsbelastung, gerade in der Corona-Zeit, wechseln sie dann zu Personaldienstleistern. „Gerade die Jüngeren, die noch ungebunden sind, wechseln, weil sie dort teilweise mehr verdienen“, erklärt Flüs. „Und sie können da ihre Wunschschichten einteilen und so arbeiten, wie sie möchten.“ Das sei in einer Pflegeeinrichtung wie dem Altenzentrum – mit festen Schichten und Wochenenddiensten – so nicht möglich. „Es ist eine schwierige Situation, da können wir nicht mithalten.“
Dass die Corona-Zeit den Beschäftigen in der Pflege viel abverlangt hat, sagt auch Melanie Aderhold. „Wir waren alle entnervt und genervt von immer neuen Allgemeinverfügungen und Maßnahmen, aber deswegen hat hier keiner die Branche gewechselt“, sagt die Einrichtungsleitung des Matthias-Claudius-Hauses.
Wo Kräfte fehlen, muss Ersatz her. Auch das Altenzentrum St. Josef habe – auch schon in Corona-Zeiten – Versorgungslücken ausgleichen müssen, weil eigene Fachkräfte fehlten. „Wir haben Personal bei externen Anbietern geleast – das machen alle“, so Flüs. Doch das komme bei Bewohnern nicht allzu gut an. „Die Bewohner möchten das Stammpersonal, das sie kennen und gern haben, denn sie sind sehr verbunden mit den Leuten, die sie jeden Tag pflegen“, weist sie auf die Problematik hin.
Das Personal-Leasing, über das Kräfte mit allen Qualifikationen gefunden werden könnten, ist auch im Matthias-Claudius-Haus ein Thema, berichtet Aderhold: „Personal-Leasing ist eine gute Alternative, um eine Lücke kurzfristig zu schließen, aber es ist sicher keine Dauerlösung.“ Die Einrichtung sei verpflichtet, die Versorgung der Bewohner mit dem entsprechenden Fachpersonal sicherzustellen, und müsse deswegen auch auf geleaste Pflegekräfte zurückgreifen, wenn anders kein Ersatz für ausscheidendes Personal zu bekommen ist. „Wir versuchen aber, so gut es geht, darauf zu verzichten und stattdessen Stammpersonal einzusetzen“, sagt Aderhold. Die Neubesetzung der drei Stellen ab dem Sommer sind da ein wichtiger Schritt.
Die Fachkräfte-Situation bleibt für die Einrichtungen ein schwieriges Thema. Es lässt sich auch nicht dadurch beheben, dass die als veraltet geltende Fachkraftquote ab Juli mit dem neuen Personalbemessungsgesetz verschwindet, wie Corinna Flüs erklärt. Anhand wird dann anhand der Pflegegrade der Bewohner umgerechnet, wie viele und welche Fachkräfte – mit unterschiedlichen Qualifikationen – die Einrichtungen vorhalten müssen. „Das ist ein recht komplexes Thema, mit dem wir uns noch beschäftigen müssen“, so Flüs.
Unterschiedlich wird die Situation im Bereich Ausbildung bewertet. „Die Zahl der Auszubildenden ist stark zurückgegangen“, stellt Aderhold auch hier einen großen Mangel fest. „Da entwickelt sich schon eine ganz ernst zu nehmende Situation.“ Aus Sicht von Corinna Flüs stellt sich die Situation im Ausbildungsbereich positiver dar. Es gebe durchaus Anfragen, sodass man in diesem Bereich ganz gut aufgestellt sei. „Wir haben aktuell zwei Mitarbeiterinnen, die vorher als ungelernte Pflegehelferinnen gearbeitet haben und jetzt ihre Ausbildung machen. Sie wollen nach dem Examen auch hierbleiben“, so Flüs. „Das ist sehr erfreulich für uns.“ Auch in diesem Jahr möchte das Altenzentrum wieder zwei Ausbildungsplätze anbieten.