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Von wegen steigende Durchfall-Quoten: Auf dem Land sieht es besser aus 

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Von: Ina Hornemann

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Martin Fellmer (links) ist nicht nur Fahrlehrer und Besitzer einer Fahrschule mit Standorten unter anderem in Werdohl und Plettenberg – er ist auch Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen. Und in dieser Eigenschaft sehe er deutliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen des Tüv-Reports zur Durchfallquote von Fahrschülern und seinen Erfahrungen in der alltäglichen Arbeit. ARCHIVFoto
Martin Fellmer (links) ist nicht nur Fahrlehrer und Besitzer einer Fahrschule mit Standorten unter anderem in Werdohl und Plettenberg – er ist auch Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen. Und in dieser Eigenschaft sehe er deutliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen des Tüv-Reports zur Durchfallquote von Fahrschülern und seinen Erfahrungen in der alltäglichen Arbeit. ARCHIVFoto © Privat

3,6 Millionen praktische und theoretische Führerscheinprüfungen gelten als neuer Rekord, den der Tüv-Verband für 2022 ausgerufen hat. Gleichzeitig stieg auch die Durchfallquote enorm an. Fast 40 Prozent aller Aspiranten flogen in beiden Kategorien durch. „So ist das aber bei uns in der Region nicht!“, erklärt Fahrlehrer Martin Fellmer, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen, auf Nachfrage.

Lennetal – Im Gegenteil: Fellmer, der unter anderem in Plettenberg und Werdohl eine Fahrschule betreibt, berichtet von einer positiveren Entwicklung im Bereich des Fahrlehrerverbands Westfalen. „Es bestehen mehr Prüflinge die Theorie“, betont er.

Die vom Tüv-Verband genannten Zahlen bezögen sich auf einen sehr großzügigen Zeitraum: „Die bemängelten zehn Prozent Anstieg beziehen sich auf das Vergleichsjahr 2013. Erwähnt wird dabei aber nicht, dass im Jahr 2020 die Theorieprüfung grundlegend verändert worden ist“. Die Anwärter müssten da keine Bilder mehr korrekt auswerten, sondern ganze Videosequenzen. „Da ist viel mehr zu beachten, das war eine große Umstellung für Fahrschüler.“

Auf jene veränderte Prüfungssituation bereiten die Fahrschulen ihre Kunden natürlich vor. Auch die von 45 auf 55 Minuten erhöhte Zeit für die praktische Fahrprüfung wird in der Ausbildung einkalkuliert.

Deutlich weniger beeinflussbar seien die Prüfungsergebnisse von Fahrschulkunden, die ohne Ausbildungsauftrag auf Theorie und Praxis vorbereitet werden: „Das sind die sogenannten Umschreiber. Es sind Menschen, die einen Führerschein aus dem nichteuropäischen Ausland besitzen und in ein hier gültiges Dokument umwandeln wollen“, erklärt Martin Fellmer. Prüfungen scheiterten in diesen Fällen häufig an mangelnden Sprachkenntnissen.

„Die Theorieprüfung kann in zwölf zugelassenen Sprachen absolviert werden. Wenn man davon keine ausreichend beherrscht, sieht es schlecht aus“, so Fellmer.

In Pandemiezeiten hätten darüber hinaus viele Führerscheinaspiranten lediglich Zugriff auf reinen Online-Unterricht. „Der wird nicht in jedem Fall zielführend gewesen sein, wodurch sich die bundesweit höhere Durchfallquote vielleicht auch erklären lässt.“

Für Fellmer und seine Kollegen im Berufsstand sei der erfolgreiche Abschluss einer Fahrschullaufbahn natürlich immer erklärtes Ziel. Generell sei Durchfallen für ihn aber kein Weltuntergang: „Dadurch hat sich der ein oder andere schon auf den Hosenboden gesetzt und einen Motivationsschub erhalten, sodass es beim nächsten Mal klappt.“

An den bundesweit gültigen Vorgaben für die Prüfungen in Theorie und Praxis hat der Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes nichts auszusetzen: „Die Anforderungen sind in realistischen Zeiten zu schaffen. Da sehe ich keinen Verbesserungsbedarf.“

Fahrlehrer Martin Burghardt: „Fahrschüler auf dem Land haben doch deutlich mehr Ehrgeiz“

Der Werdohler Fahrlehrer Martin Burghardt kann Martin Fellmers Bewertung der Lage um weitere Aspekte ergänzen: „Die Zahlen vom Tüv stehen ja für eine bundesweite Entwicklung, die Großstädte mit großer öffentlicher Verkehrsinfrastruktur mit einbeziehen. Fahrschüler auf dem Land haben doch deutlich mehr Ehrgeiz“, berichtet Burghardt auf Anfrage. Nicht nur die persönliche Mobilität spiele eine Rolle bei der Motivation, sondern auch oft der Arbeitgeber: „Wie viele Handwerksbetriebe sind auf Azubis und Gesellen angewiesen, die ein Auto oder gar was Größeres fahren können? Da ist der Führerscheinerwerb schon ein Muss.“

Um die Durchfallquoute im eigenen Betrieb niedrig zu halten, setze Burghardt auf individuelle Ausbildung. „Ob jemand gut fahren lernt, hängt auch von Wertschätzung, Sensibilität und Verständnis ab. Fehlen solche Qualitäten in der Ausbildung, nützt auch der beste Theorie- und Praxisunterricht nichts. Es gibt kein Schema F, sondern nur verschiedene Lerntypen. Die muss ich in meinem Beruf erkennen und auf sie eingehen.“

Burghardt sei in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass sich deutlich weniger junge Menschen bei ihm anmelden, die aktive Beifahrer waren als Kind oder Teenager. „Im Zeitalter vor Handy und Smartphone wurde auf dem Rück- und Beifahrersitz deutlich weniger gedaddelt, wenn Mama oder Papa gefahren sind. Diese Generation brachte schon mehr Gespür und Aufmerksamkeit für Verkehrssituationen mit, wenn sie mit dem Führerschein anfing.“ Dieser Umstand sei aber auch kein Kriterium für erhöhte Durchfallquoten im Bundestrend.

Als Fahrlehrer könne er deutlich besser das praktische Abschneiden eines Führerscheinaspiranten beeinflussen, als das theoretische. „Da ist der Einfluss immer begrenzt. Ob jemand die Regeln paukt, ist seine Sache. Da kann ich nur Empfehlungen aussprechen“, erklärt Martin Burghardt schmunzelnd.

Seinen Beruf übt er schon 30 Jahre aus und nie hätten ihn Spaß und Motivation verlassen. Das habe übrigens schon für seinen Großvater und seinen Vater gegolten, denn Burghardt ist Fahrlehrer in dritter Generation.

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