Ohle und das Restaurant Lotus – das gehört seit mittlerweile 27 Jahren zusammen: Damals war das Ehepaar Lee mit seinen Söhnen Herwin und Edwin – gerade zwei Jahre und wenige Wochen alt – aus Hongkong über Lünen nach Plettenberg gekommen. Die Neugierde auf Europa habe sie nach Deutschland geführt, erzählen die beiden. Per Zeitungsanzeige waren sie in den 90er- Jahren auf das ehemalige Haus Hasselbach aufmerksam geworden, das über viele Jahrzehnte hinweg zu den ersten Adressen Plettenbergs im Bereich Hotel und Gastronomie zählte.
Sie erwarben das Gebäude und eröffneten am 8. März 1996 ihr Restaurant. Schon früh habe die heute 57-Jährige den Traum gehabt, ein eigenes Lokal zu führen: „Ich habe darüber schon als kleines Kind mit meinen Vater gesprochen“, sagt die Gastronomin. Gemeinsam mit ihrem gleichaltrigen Mann erfüllte sie sich schließlich diesen Kindheitstraum im beschaulichen Ohle. Es war der Beginn einer fast 30-jährigen Geschichte. Aber ausgerechnet in jenem Jahr, in dem die Eröffnung des ersten China-Restaurants in Deutschland genau 100 Jahre zurückliegt, ist die Zukunft im Lotus ungewisser denn je.
Kim und Biu Lee schauen gerne zurück auf all die Jahre, es überkommt sie aber auch ein wenig Wehmut beim Blick zurück: Sie bedauern durchaus, nicht mehr Zeit nur für die Söhne, die heute in Berlin und Hamburg leben und arbeiten, gehabt zu haben. Ob sie im Rückblick alles noch einmal ganz genau so machen würden, daran zweifeln beide. Ihr Tagesablauf bestand über Jahre hinweg eigentlich nur aus Arbeit und Schlafen, so manches Mal habe Biu Lee im Kneipenbetrieb erst um drei Uhr in der Nacht Feierabend gehabt. „Doch morgens um 6 Uhr waren die ersten Frühstücksgäste wieder da“, erinnert er sich.
Nach und nach haben Lees das ehemalige Haus Hasselbach renoviert, haben viel Arbeit und viel Geld in die 900 Quadratmeter große Immobilie gesteckt. „Viele Freunde, Nachbarn und unser Architekt haben uns geholfen“, sind Kim und Biu Lee dankbar für all die Unterstützung, die sie in den vergangenen drei Jahrzehnten erhalten haben. Aus Fremden wurde Freunde, aus einmaligen Restaurant-Gästen wurden Stammgäste. Ob direkt aus Ohle oder auch aus den Nachbarstädten: Es gab immer gut zu tun. Gerade die Anfangsjahre seien ein sehr erfolgreiches Jahrzehnt gewesen.
Doch aktuell sei die Situation „schwierig“, ist es Kim und Biu Lee bislang nicht gelungen, Personal – wie zum Beispiel einen dringend benötigten Koch – zu finden. Biu Lee stand zuletzt immer alleine in der Küche, um die Gerichte für die Gäste vorzubereiten. Ihr Anker ist in dieser Zeit allerdings der Hotelbetrieb, der unvermindert weiterläuft. Das Ehepaar vermietet zehn Zimmer und zwei Appartements, die häufig von Monteuren genutzt werden.
Hier im Sauerland, da fühlt sich das Ehepaar dennoch wohl: „Hier ist es schön“, sagt Kim Lee an diesem Vormittag, an dem es auch in Plettenberg reichlich geschneit hat. „Ich habe heute Morgen erstmal ein Foto noch Hongkong geschickt“, schmunzelt sie. Biu Lees Familie lebt bis heute in Hongkong, er hat noch zwei Schwestern. „Meine Familie lebt in Deutschland“, erzählt Kim Lee – allerdings quer verteilt durch das ganze Land. Mal eben auf einen Kaffee treffen, ist da kaum möglich.
Am vergangenen Wochenende hätten sie normalerweise das chinesische Neujahrsfest mit den Gästen gefeiert – Jahr für Jahr gehörten diese Feiern zu den Höhepunkten im Jahr. Das stets gut gelaunte Ehepaar hofft sehr darauf, vielleicht in naher Zukunft auch Nachfolger für den Restaurant-Betrieb zu finden. Bis dahin richten sie gerne auch Familienfeiern aus. Und wer weiß: Vielleicht findet sich ja doch noch das benötigte Personal. Nicht nur die Ohler würde es freuen...