Schwierig sei die derzeitige Situation nicht nur, weil Arzneimittel fehlten, sondern auch, weil den Apotheken schnelle Lösungswege nach wie vor verbaut seien, wie Jörg Lehmann erklärte. Arzneimittel selbst herstellen, auf eine andere Darreichungsform ausweichen, also zum Beispiel Zäpfchen statt Saft abgeben, oder die Dosierung anpassen – all das sei den Apotheken trotzt ihrer pharmazeutischen Kompetenz nicht ohne weiteres möglich. Auch dürften sie keine Mittel aus dem Ausland bestellen – allenfalls eine einzelne Packung für einen Patienten, nachdem die Krankenkasse dies genehmigt habe.
Dennoch setzten die Apotheken alles daran, immer wieder Lösungen zu finden und ihre Patienten zu versorgen. Zumindest die Apotheken, die es noch gibt. „Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir keine flächendeckende Versorgung mehr“, warnte Lehmann die SPD-Politikerin vor weiteren Schließungen. Gerade auf dem Land, wo der Weg bis zum nächsten Kinderarzt weit sei, bräuchten Eltern jedoch in Wohnortnähe die Unterstützung der Apotheken.
Nachdem aber die Apothekenvergütung durch die Politik seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr angehoben worden sei, werde die wirtschaftliche Lage für viele Apotheken schwierig. Denn die Apotheken könnten explodierende Kosten aus gutem Grund nicht wie andere Branchen an die Kunden weitergeben. Obendrein kürze die Bundesregierung nun zum Februar die Apothekenvergütung sogar, um die Finanzierungslücke der gesetzlichen Krankenkassen zu decken, kritisiert Lehmann.
Er rechnete der Abgeordneten vor, wie viel Zeit es sein Team zum Beispiel gekostet habe, einen Patienten zu versorgen, der wenige Tage zuvor ein Rezept für ein Antibiotikum einlösen wollte. Das Mittel sei nicht lieferbar gewesen. Also rief die Apotheke in der Arztpraxis an, um eine Alternative abzustimmen, hing 15 Minuten in der Warteschleife, schickte dann einen Mitarbeiter in die Praxis, um ein neues Rezept abzuholen, orderte das Präparat beim Großhandel, informierte den Patienten über das Alternativpräparat und stellte es ihm per Boten zu.
57 Minuten habe die Apotheke für die Bearbeitung dieses Engpasses aufgewendet. Sie bekomme für diesen zusätzlichen Aufwand bislang keinen Cent von den Krankenkassen – über das reguläre Honorar hinaus, das sich in diesem Fall auf 7,03 Euro beläuft. Ab Februar seien es nur noch 6,80 Euro.
Vom Ertrag müsse Lehmann seine Mitarbeiter bezahlen und sämtliche Betriebskosten decken. 50 Cent will der Bundesgesundheitsminister den Apotheken künftig in solch einem Engpass-Fall zusätzlich bezahlen. „Auch das ist nicht ansatzweise kostendeckend“, kritisierte Lehmann.
Ein Beispiel, das Lugk mit nach Berlin nehmen wolle. Ebenso wolle sie dort das Problem der Arzneimittel-Importe ansprechen. Lugk, die die SPD im Auswärtigen und im Sportausschuss vertritt, gestand ein, selbst keine Expertin für Gesundheitspolitik zu sein. Sie wolle aber die Probleme in Berlin vermitteln und damit auch die Interessen ihres Wahlkreises in der NRW-Landesgruppe, der Fraktion und dem Parlament vertreten. „Jörg Lehmann und sein Team haben mit konkreten Beispielen die aktuellen Problemlagen der Sauerländer Apotheken verdeutlicht und damit sehr hilfreiche Unterlagen für die anstehenden Debatten und Gesetzesvorhaben geliefert“.