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Viele Probleme: Kommunalpolitiker blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft

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Von: Carla Witt

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Die Burgschule in Neuenrade. Die Kosten für die geplante Erweiterung haben sich in etwa verdoppelt. Momentan ist unklar, wie das Projekt finanziert werden kann.
Die Burgschule in Neuenrade. Die Kosten für die geplante Erweiterung haben sich in etwa verdoppelt. Momentan ist unklar, wie das Projekt finanziert werden kann. © von der Beck

Auf die Pandemie-Jahre folgt der Krieg in Europa und Kostenexplosionen: Wer momentan für die Zukunft planen soll, hat es nicht leicht. Das gilt auch für die politischen Entscheidungsträger auf lokaler Ebene. Die Vorsitzenden der im Neuenrader Rat vertretenen Fraktionen blicken mit gemischten Gefühlen auf das kommende Jahr.

Neuenrade – Dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mark Hantelmann fällt es schwer, konkrete Projekte für 2023 zu benennen. „Bisher weiß ich noch nicht, was ich in meine Haushaltsrede schreiben soll. Man muss sich wirklich fragen, ob man mit neuen Planungen in diesen Zeiten nicht nur Luftschlösser baut. Alles ist momentan wie ein Blick in die Glaskugel“, stellt er fest.

„Mir ist es wichtig, dass wir uns in der Politik um eine Vorbildfunktion bemühen, mit breitem Kreuz vorangehen und die Menschen zumindest mental unterstützen“, sagt Hantelmann. Das Wachstum der gesellschaftlichen Probleme sei besorgniserregend. „Das Ehrenamt bricht weg, viele Menschen konzentrieren sich auf ihre eigenen Probleme. Es wird immer schwieriger, das System am Laufen zu halten.“

Dazu komme die „schwierige Grundstimmung“: „Es wird auf den Staat eingedroschen. Der Umgang der Menschen untereinander hat sich verändert.“ Negative Umgangsformen, die in den sozialen Medien schon länger an der Tagesordnung seien, würden zunehmend ins reale Leben übertragen: „Das ist beängstigend“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit seien zunehmend in Gefahr. „Unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Wir müssen uns ganz dringend überlegen, wie wir die Menschen überhaupt noch erreichen können.“

Mit Blick auf die Finanzierung der Grundschulumgestaltung, deren Kosten durch die Preisexplosionen deutlich gestiegen sind, sieht Hantelmann momentan keine einfache Lösung für die Stadt: „Wir können eigentlich nur auf Fördermittel hoffen.“ Es könne nicht sein, dass die Stadt durch die Finanzierung des Anbaus in den Nothaushalt rutsche. „Andererseits ist es für mich eine Horrorvorstellung, dass wir Kinder irgendwann in Containern unterrichten müssen. Das geht auf keinen Fall.“ Deshalb müsse die Planung vorangetrieben werden, um möglichst viele Fördertöpfe anzapfen zu können.

„Kommunalpolitik ist nicht vergnügungssteuerpflichtig“, stellt der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Wette fest. Der Blick ins neue Jahr verheiße nicht viel Gutes. „Die Menschen leiden unter der wirtschaftlichen Entwicklung. Niemand weiß, wie es weitergeht. Auch die Sperrung der Autobahn und die damit verbundene Fahrerei macht Arbeitnehmern und Arbeitgebern schwer zu schaffen“, erklärt Wette. Der SPD-Politiker sieht auch die medizinische Versorgung der Menschen gefährdet. „Die Krankenhäuser haben Personalprobleme. Wir müssen aufpassen, dass dieses System nicht zusammenbricht.“

Nicht nur diese Probleme bereiten Wette Kopfzerbrechen: „Die Zusammenarbeit in den politischen Gremien in Neuenrade hakt komplett.“ Es gebe keine Strategie, kein Hand und Fuß mehr, beklagt Wette. „Und zwar ausgehend von der Verwaltungsspitze.“

Als Beispiel führt der SPD-Chef die Burgschulerweiterung an: „Erst war von einer OGS-Erweiterung die Rede, dann von einem Bauvorhaben mit einem Volumen von fünf Millionen Euro – jetzt sind es zehn.“ Wette kritisiert: „Weder sind unsere Ideen in das Projekt eingeflossen, noch durften wir uns einbringen.“ Aus seiner Sicht werde es nun Zeit für „Plan B“: „Wir sollten uns Gedanken um die Ausgangsfrage machen, und überlegen, wo die OGS sinnvoll untergebracht werden kann.“

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Hammer sieht die „Welt im Umbruch“: „Bisher dagewesene Realitäten und Prioritäten haben sich grundlegend verändert. Die Energiekosten gehen aufgrund des russischen Angriffskrieges und der mit der Brechstange durchgeführten Energiewende durch die Decke.“ Mit Blick auf die gestiegenen Kosten werde die FDP versuchen, mögliche Erhöhungen so moderat und vertretbar wie möglich zu gestalten.

Die Infrastruktur und die Daseinsvorsorge für die Neuenrader Bürger müssten in allen Fällen gewährleistet sein, fordert Hammer: „Wir werden uns zum Beispiel weiterhin für den Erhalt unseres Neuenrader Freibades einsetzen. Auch die Erweiterung des Radwegenetzes ist dringend erforderlich.“

In der Nachbarstadt Balve entsteht zwischen Mellen und der Sorpe entlang der Kreisstraße 34 ein Fahrradweg. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung liegt die Radwegeplanung in Neuenrade bisher brach. Das wollen FDP und Grüne ändern.
In der Nachbarstadt Balve entsteht zwischen Mellen und der Sorpe entlang der Kreisstraße 34 ein Fahrradweg. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung liegt die Radwegeplanung in Neuenrade bisher brach. Das wollen FDP und Grüne ändern. © Kolossa

Aufgrund des Rechtsanspruchs ab 2026 auf einen Betreuungsplatz in der offenen Ganztagsschule stelle sich nicht die Frage, ob die Erweiterung durchgeführt werden solle, sondern wie. „Da stehen wir auf dem Standpunkt, den Neuenrader Kindern eine gute Betreuung und Versorgung zu gewährleisten. Das ist unser Anspruch, von dem wir als FDP nicht abweichen werden. Wir hoffen auf eine Unterstützung durch Fördergelder, welche bei derartigen Projekten nicht unüblich ist.“

Auch für die FWG steht fest: Ohne Fördermittel ist die OGS-Erweiterung nicht zu stemmen. Fraktionsvorsitzender Bernhard Peters schlägt vor: „Zusätzlich ist es möglich, Bausteine für die Schule zu verkaufen. Diese könnte man sich als Sponsor selbst kaufen oder auch verschenken. Der Spender, beziehungseise Käufer oder der Beschenkte wird an einer Tafel in der Schule gewürdigt. Ähnlich wurde auch die Erweiterung des Kaisergartens seinerzeit gesponsert.“

Ein besonders wichtiges Anliegen aus FWG-Sicht: „Die Neuenrader benötigen mehr Ärzte. Die Versorgung wird zunehmend schlechter. Eine Werbeoffensive und sehr gute Angebote für Ärzte von der Stadt könnten helfen“, unterstreicht Peters. Der Fraktionsvorsitzende denkt beispielsweise daran, Medizinern die Wohnungssuche abzunehmen, aber auch an Kultur-Abonnements oder Mitgliedschaften in Sportvereinen und ähnliches. „Die bisherigen Anstrengungen reichen offensichtlich nicht aus, obwohl das MVZ inzwischen attraktive Bedingungen in guter Lage bietet.“

Die Leerstände an der Ersten Straße „stören noch immer massiv das Stadtbild“, kritisiert Bernhard Peters: „Leere Schaufenster, teilweise nicht einmal geputzt, beschädigen das Image der Stadt nachhaltig. Hier erwarten wir vom Quartiersmanagement, dass sie auf die Eigentümer der Gebäude verstärkt zugehen. Es gibt viele Möglichkeiten diese Schaufenster während des Leerstandes zu dekorieren.“ Der FWG-Chef wünscht sich zudem eine bessere Erreichbarkeit des Quartiermanagements; so warte die FWG schon seit Monaten auf einen Gesprächstermin.

Für die Grünen ist es wichtig, die Neuenrader künftig mehr in politische Entscheidungen einzubeziehen. „Hier müssen Formen gefunden werden, wie zum Beispiel die rege Beteiligung bei der Begehung des evangelischen Friedhofs gezeigt hat“, erkklärt Fraktionschef Marian Müller. Es sei für die Beteiligten frustrierend, wenn bei scheinbar technisch korrekter Bürgerbeteiligung, wie beim Brunnenplatz und dessen Neugestaltung, eine große Unzufriedenheit entstehe. „Da sind dringend neue Ansätze erforderlich“, so Müller.

Für die Burgschule haben die Grünen keine Finanzierungsidee, „es sei denn, die Stadt wagt sich endlich selbst an die Windstromerzeugung, was aber langfristig betrachtet werden müsse“. Teuer werde an der Burgschule die Erdwärme und effektive Raumheizungen beim Neubau. „Darauf zu verzichten würde aber später nur teurer“, so Müller. Finanziell ungünstig seien aber auch Fällungen und Ersatzpflanzungen. Dass die Finanzierung gelingt, steht für den Grünen-Fraktionsvorsitzende aber außer Frage: „Übrigens werden die Landeszuschüsse die meisten Kosten abdecken – auch wenn es bisher keine Zusage gibt.“ Das pädagogische Konzept werde sich mit Blick auf mögliche Zuschüsse positiv auswirken.

Wichtig seien im kommenden Jahr auch diese Themen: „Keine Landschaftsvernichtung durch B 229n und auch keine Mittelfreigabe für diesen Straßenneubau, der Ausbau weiterer Radwege, Landschaftsschutz, der Erhalt des Altbaumbestands und der Erhalt des Freibads.“

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