Wallbox und Wärmepumpe: Lokale Stromnetze unter Druck

Wärmepumpe, Wallbox und der steigender Verbrauch können Probleme bei der Netzstabilität bereiten.
Neuenrade – Wärmepumpen und vor allem Wallboxen für Elektroautos plus der alltägliche Stromverbrauch, stark steigender Strombedarf bei gleichzeitiger Umstellung auf stromorientierten Produktionsprozessen in der Industrie – all das stellt die Stromnetzbetreiber vor neue Herausforderungen. Schon jetzt allerdings reicht die Netzkapazität wohl nicht überall aus. Was in einer Straße passiert, wo abends 30 Luftwärmepumpen rören, 60 E-Autos an der Strippe hängen und 30 Waschmaschinen nebst Fernseher und Internet laufen und im Kleinbetrieb nebenan die zweite Schicht beginnt, setzt das Stromnetz sicher ganz anderen Belastungen aus.
Immer mehr Wallboxen
Gut zu tun hat jedenfalls Klaus Filter, Inhaber der Elektro Filter GmbH & Co. KG, mit der Installation von Wallboxen: „Das Geschäftsfeld wächst.“ Gut 50 Stück habe er schon montiert, immer wieder würden welche hinzu kommen. In der Regel seien das 11-Kilowatt-Wallboxen, über deren Installation er die Netzbetreiber informieren müsse. Meist sei das bei Privatwohnungen der Fall. Die leistungsfähigeren 22-Kilowatt-Boxen würden eher im gewerblichen Bereich installiert. Die seien aber auch genehmigungspflichtig durch den Netzbetreiber. Dass es da stromtechnisch knapp werden kann, bestätigt Klaus Filter. „Wir hatten durchaus Fälle, da wurde es kriminell.“
Bei Mehrfamilienhäusern wird es eng
Filter berichtet von einem Mehrfamilienhaus, wo alle Parteien je eine Wallbox haben sollten. Da gelte es, entweder den Hausanschluss zu verstärken oder eine separate Trafostation zu errichten. Das müsse der Netzbetreiber berechnen. Was dieses Thema anbelangt, so geben sich die Betreiber in der Regel eher schmallippig: Generell gelte, dass die Netzanschlusskapazität – sowohl in Altena und Neuenrade, aber auch insgesamt im Versorgungsgebiet der Enervie Vernetzt – „ohne weiteren Ausbau begrenzt“ sei. Andreas Köster, Sprecher des lokalen Stromversorgers, sagte weiter: „Je nach angefragter Kapazität muss daher der Netzanschluss und gegebenenfalls auch das vorgelagerte Netz erweitert werden. In den meisten Fällen kann aber Enervie Vernetzt der angefragten Leistungserhöhung zustimmen. Ansonsten erstellen wir ein Angebot zu einer entsprechenden Erweiterung.“
Lob der Luftwärmepumpe
Dass das Ganze auch in Versorgungsgebieten anderer Netzbetreiber nicht so einfach ist, berichtete Bauunternehmer Dietmar Brinkmann. Der wollte bei seinem Mehrfamilienhaus für jede Wohnung eine eigene Wärmepumpe einbauen. „So viele Strippen liegen da gar nicht...“, sagte er. Brinkmann lobte das Prinzip der Wärmepumpen. Bei seinen gut gedämmten Bungalows habe er damit die meisten guten Erfahrungen. Die Kunden seien damit sehr zufrieden (Einsatz bei Fußbodenheizung), berichteten von überschaubaren monatlichen Heizkosten (inklusive Warmwasser) von rund 80 Euro bei 100 Quadratmetern. „Die Dinger kann ich nur empfehlen, die haben sich unwahrscheinlich entwickelt in den letzten Jahren. Inzwischen kannst du auch Altbauten dranhängen.“
Verantwortung für Stabilität wohl bei Übertragungsnetzbetreibern
Auch angesichts der politischen Rahmenbedingungen dürfte dieser Heizungstechnik zukünftig eine noch größere Bedeutung zukommen. Eine Sprecherin von Westnetz, Verteilnetzbetreiber für Strom und Gas, erklärte auf Nachfrage, dass zunächst einmal die Verantwortung für die Stromstabilität im Gesamtsystem bei den Übertragungsnetzbetreibern liege. Westnetz verweist auf das von dem Grünen Robert Habeck geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, welches „die Versorgungssicherheit im Stromsystem als hoch“ bezeichne. Zudem lägen aktuell keine Beeinträchtigungen des Stromsystems vor.
Digitale Ortsnetzstationen
„Wir bei Westnetz arbeiten als Verteilnetzbetreiber schon heute daran, die Versorgungssicherheit auch unter einer höheren Belastung des Netzes weiter sicherzustellen, zum Beispiel mithilfe von digitalen Ortsnetzstationen.“ Ortsnetzstationen wandeln Mittelspannung in haushaltsübliche Niederspannung um. Digitale Ortsnetzstationen hätten die gleiche Funktion, übertrügen aber zusätzlich Livedaten über Mobilfunk oder Glasfaser. „So kann Westnetz das Stromnetz in Echtzeit analysieren und regeln.“ Diese Daten würden dem Unternehmen dabei helfen, das Netz bedarfsgerecht auszubauen. „Darüber hinaus erkennt das smarte System unerwünschte Vorkommnisse wie Stromausfälle besonders schnell: Die Technik unterstützt bei der Eingrenzung von Fehlern im Netz und verkürzt durch die Möglichkeit der Fernsteuerung die Ausfallzeiten.“ Somit wappnet sich Westnetz wohl für das, was da kommen mag.
„Wallbox-Anträge individuell betrachten“
Auch die Zahl der Wahlboxanträge steige. „Durch die Verbreitung der E-Autos steigt auch flächendeckend die Anzahl der eingereichten Wallbox-Anträge. Grundsätzlich werden keine Anträge pauschal abgelehnt, sondern immer individuell betrachtet“, sagte Enervie-Sprecher Köster.
Drosselungen drohen
Grundsätzlich haben die Netzbetreiber demnächst offenbar ein größeres Instrumentarium in der Hand. Wenn ein Engpass droht, sollen nach dem Konzept der Bundesnetzagentur zum Beispiel Wallboxen auf eine Leistung von 3,7 Kilowatt heruntergedrosselt werden können, um eine Überlastung zu verhindern, heißt es beim Münchener Merkur. Und der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet dabei mit einer Verdreifachung der Ladezeit für E-Autos und warnt vor „erheblichen Komforteinbußen“ bis hin zu Nutzungseinschränkungen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft verweist darauf, dass die geplante Regelung nur für Haushalte gelte, die etwa eine Wallbox oder eine Wärmepumpe installiert hätten. Der Haushalt selbst bleibe von einer möglichen kurzzeitigen Dimmung unberührt. Kühlschrank, Waschmaschine und Internet könnten weiter laufen. Wärmepumpen könnten aber stundenweise abgeschaltet werden.
Infrastrukturbeirat
Auch die Verwaltung und Kommunalpolitiker der Stadt Neuenrade werden sich mit derartigen Fragestellungen befassen und informieren lassen müssen. Nicht von ungefähr wurde ja vor einiger Zeit extra der „Infrastrukturbeirat“ gegründet, in dem auch die Netzbetreiber sitzen.