Die Energiepreise bleiben Thema neben dem anderen großen begrenzenden Faktor: Das ist der Fachkräftemangel. Damit haben nicht nur Verwaltungen zu kämpfen, sondern die gesamte heimische Industrie. Das weiß Schniewindt nicht nur aus ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit, es werde ihr von den Mitgliedsfirmen auch aus Neuenrade gespiegelt. Der Fachkräftemangel ziehe sich vom fehlenden Azubi bis hin zum dringend benötigten IT-Techniker. „Wenn sie da einen IT-ler benötigen, dann müssen sie schon ein Jahr Suche rechnen.“ Auch mit den Auszubildenden wird es schwierig. So seien viele Stellen für das kommende Ausbildungsjahr unbesetzt. „Bekam man früher reichlich Bewerbungen, so sind es jetzt viel, viel weniger. „Da spielt natürlich der demografische Wandel eine Rolle.“ Und sie befürchtet, dass da „eine große erste Welle“ auf die Wirtschaft zurolle, von deren Ausmaß sich viele noch keine Vorstellungen machen würden. Die geburtenstarken Jahrgänge gingen demnächst in Rente und es könne wegen der Demografie kaum jemand nachfolgen.
Ein Rezept, um die Lücken zu füllen hat Schniewindt nicht: Die fehlenden Fachkräfte müssten durch „die vorhandenen Mitarbeiter kompensiert“ werden. „Und es ist eigentlich jetzt schon so“, sagt Schniewindt. Um die Dimensionen zu verdeutlichen, verweist sie auf ein größeres Unternehmen in der Region, das mehre hundert Mitarbeiter entlassen habe. „Die wurden vom Markt direkt wieder absorbiert,“ sagt sie. Eine weitere Folge sei der Rückgriff der Unternehmen auf Dienstleister: Könne man keine Mitarbeiter rekrutieren, so müsse man eben auf externe Dienstleister zurückgreifen.
Dr. Schniewindt sieht in dem Fachkräftemangel auf jeden Fall einen konjunkturbegrenzenden Faktor. Wenn man seine Kunden nicht bedienen könne, so verliere man sie eben an die Konkurrenz im Ausland. Und da habe zum Beispiel Osteuropa mit seinem Potenzial durchaus Wettbewerbsvorteile. Da gehe es dann auch um geringere Entlohnung und höhere Arbeitszeiten, um die man konkurrieren müsse.
Gleichwohl habe aber die Deutsche Industrie und auch gerade hier in Südwestfalen „einen Wettbewerbsvorteil“: „Das ist die Qualität. Da haben wir alle die Nase vorn, auch was die Innovation angeht.“ Erst jüngst habe sie dazu ein interessantes Kundengespräch geführt, aus dem sie gerne zitiert: „Wenn ein Projektmanager entscheiden könnte, wählt er immer die deutschen Produkte, weil da alles funktioniert und die Produkte lange halten.“ Einkäufer hingegen würden vordergründig auf das Geld – sprich das momentan günstigere Angebot – schauen. Sarah Schniewindt hält das natürlich nicht für die richtige Entscheidung. Sie betont: Im internationalen Wettbewerb seien die deutschen Produkte zwar häufig teurer – aber hätten die höhere Qualität.
Grundsätzlich bleibe der Fachkräftemangel eine Gefahr. Das Instrumentarium der Firmen sei hier allerdings begrenzt. die Unternehmen müssten auf „intensive Eigenausbildung“ setzen. Und es sei auch klar, dass der Mangel an heimischen Arbeitskräften durch möglichst qualifizierte Zuwanderung ausgeglichen werden müsse. Es gelte aber auch unbedingt, jegliche Zuwanderer richtig und viel schneller zu qualifizieren. Die Sprache spiele da eine wichtige Rolle, damit die Menschen schneller den Zugang zum Arbeitsmarkt finden könnten. Unternehmer würden hier anregen, das Deutschlernen parallel zur Ausbildung an den Fachschulen zu bewerkstelligen. Generell müsse in Deutschland vieles flexibler und unbürokratischer gestaltet werden.
Vom Grundsatz her optimistisch, scheint Unternehmerin Dr. Schniewindt von den Krisen der jüngsten Vergangenheit wie Corona und Russland-Ukraine-Krieg vorsichtiger zu sein angesichts der politischen Unsicherheiten. „Man weiß nie, was noch passiert.“