Das ist ein Strafmaß, das bei Routineabfragen im Führungszeugnis auftaucht. Deshalb ging die zuvor unbescholtene Mutter, die mit ihrer Familie damals noch in Neuenrade gelebt hatte, in Berufung gegen das Urteil. Im Landgericht wiederholte sie ihr Geständnis. „Sie schämt sich unendlich für diesen Vorfall“, erklärte Verteidiger Marco di Venanzio im Namen seiner Mandantin und bemühte sich zu erklären, warum bei ihr am 1. September 2019 bei einem „einmaligen Vorfall“ die mütterlichen Sicherungen durchbrannten: Der Elfjährige sei extrem schwierig gewesen, ständig habe es neue Hiobsbotschaften aus der Schule gegeben. Vor dem Zwischenfall habe er „tagelang nur Theater gemacht“. Am Ende habe die Mutter die Fassung verloren und ihrem Sohn „zwei Mal mit dem weichen Ende des Gürtels auf den Po gehauen“.
Der Anwalt bemühte sich im Einklang mit seiner Mandantin mit großem Nachdruck darum, deutlich zu machen, dass das auch aus ihrer Sicht ein inakzeptables Verhalten war. „Sie weiß, dass das keine angemessene Erziehungsmaßnahme darstellt.“ Die beiden Schläge vor zweieinhalb Jahren hätten den „familiären Frieden nicht nachhaltig gestört“, versicherte der Verteidiger.
In den zweieinhalb Jahren seit dem Vorfall war viel passiert: Ein Schutzkonzept, in das die Klassenlehrerin, die Schulsozialarbeiterin und das Jugendamt einbezogen waren, hatte sich um eine Beruhigung der häuslichen und schulischen Situation bemüht. Inzwischen sahen die Beteiligten trotz der pädagogisch weiterhin schwierigen Situation keinen weiteren Handlungsbedarf. Es war auch deshalb nicht abwegig für die Angeklagte und ihren Anwalt, eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße anzustreben. Die Vorsitzende Richterin Claudia Oedinghofen war anderer Auffassung: „Wir tun uns mit einer Einstellung des Verfahrens ein bisschen schwer.“ Alle Prozessbeteiligten waren sich jedoch letztlich einig, dass eine Einstufung dieser Tat als „minderschwerer Fall“ angemessen sei. Dadurch lag die Mindeststrafe nicht mehr bei sechs Monaten.
Und so hob die Berufungskammer die vom Amtsgericht verhängte Bewährungsstrafe von sechs Monaten auf und verurteilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 1350 Euro.
Dass eine Tat, die sich in der Regel jenseits der Öffentlichkeit abspielt, überhaupt die Gerichte beschäftigte, lag am Einsatz eines aufmerksamen Nachbarn in Neuenrade: Er hatte die beiden Schläge auf den Hintern des Kindes gefilmt. Die Beteiligten konnten sich das Ganze vor der Gerichtsentscheidung deshalb ansehen.