Kurz nach der Ankunft der ersten Flüchtlinge in Deutschland hatte Giljohann einen Aufruf in der Elternschaft gestartet, um auch in Neuenrade und Umgebung Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. „50 Betten waren uns gemeldet worden. Inzwischen sind 36 davon belegt“, berichtet er. Frauen und Kinder sind bei den Eltern der Waldorfschüler untergekommen.
Drei der geflüchteten Kinder und Jugendlichen besuchen bereits seit einiger Zeit den regulären Unterricht in der Waldorfschule. „Ein Mädchen geht in die dritte Klasse, zwei Jungen werden in der zwölften Klasse unterrichtet“, sagt Klaus Giljohann. Beide könnten sich schon gut verständigen. Die Kosten für die Mittagessen und eventuelle Klassenfahrten stemme die Schulgemeinschaft.
Niemand wisse, wie lange die Geflüchteten bleiben. „Alle möchten unbedingt wieder nach Hause, am liebsten schon Morgen. Doch selbst wenn der Krieg beendet wird, ist fraglich, wann sie zurückkehren können. Viele Häuser und große Teile der Infrastruktur sind zerstört“, unterstreicht der Geschäftsführer der Waldorfschule.
Deshalb sei es wichtig, dass sich die Geflüchteten verständigen könnten, um ihren Alltag in Deutschland meistern zu können. Ein Deutschkursus, den Waldorf-Pädagogin Nicole Möhling leitet, soll Abhilfe schaffen. Am Mittwoch lernte Möhling ihre 16 Schülerinnen und Schüler kennen. Ursprünglich war geplant, dass zwei Mitarbeiterinnen der Ganztagsbetreuung die kleineren Kinder in einem Nebenraum beschäftigen. Doch es habe sich anders ergeben – und Nicole Möhling ist darüber hocherfreut: „Die Betreuerinnen sind eine tolle Unterstützung. Durch ihre Anwesenheit entsteht ein lebendiger Austausch, eine ideale Lernsituation.“
Im Mittelpunkt des Kurses steht die Mündlichkeit. Nicole Möhling, die auf dem Remmelshagen Deutsch und Spanisch unterrichtet, möchte ihren Schülern in etwa sechs Wochen mit Hilfe der Methode „Liechtensteiner Languages (Liela)“ ein „Deutschpaket schnüren“. Momentan sind drei Übungseinheiten wöchentlich vorgesehen, nach den Osterferien soll sich das aber ändern: „Ich möchte die Menschen drei Stunden täglich in Sprache baden lassen“, unterstreicht die Pädagogin.
Klaus Giljohann ist froh, dass die Hilfsbereitschaft der Elternschaft und des gesamten Kollegiums so groß ist. Dennoch könne nicht alles ehrenamtlich geleistet werden. „Wir gehen mit den Kosten für den Deutschkurs in Vorleistung“, berichtet er.
Der Geschäftsführer der Waldorfschule ist vom ehrenamtlichen Engagement vieler Menschen in Deutschland hellauf begeistert. Doch gerade in dieser Situation werde immer deutlicher, „wie weit sich die staatlichen Institutionen von den Menschen entfernt haben“. So kann Giljohann nicht verstehen, warum es so lange dauert, bis geflüchtete Kinder eine Schule besuchen können. „Auch für die Kindergartenkinder muss dringend eine Lösung gefunden werden. Je früher sie wieder eine feste Struktur haben, desto besser ist es für die Seele.“
„Bund, Länder und Kommen sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Jeder sieht nur seine Seite“, kritisiert Giljohann. Das ärgere viele der ehrenamtlichen Helfer. „Und es ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ohnehin schon politikverdrossen sind. Das macht mir große Sorgen.“