Am meisten ins Schwärmen kommt Jens Hilgert über die WM-Endrunde 2002 in Südkorea. Aber auch beim „Sommermärchen“ 2006 im eigenen Land, konnte er internationales Flair genießen. Es ist nicht nur das sportliche Interesse, das den Neuenrader zum WM-Groundhopper macht: Hilgert erzählt von Begegnungen mit Menschen, von alten Bekannten, die er bei Fußballspielen an den entlegensten Orten wieder trifft.
Jens Hilgert berichtet auch von Einblicken in die Lebenswelten anderer Länder, Menschen und Kulturen – und er lässt durchblicken, dass ihn persönlich diese Eindrücke erden. Auch seine Frau Pia ist seit der Fußballeuropameisterschaft 1996 in England mit dabei und teilt die Leidenschaft ihres Mannes. Klare Sache, dass er mit ihr jüngst auch zwei Wochen und zwei Tage beim in Deutschland höchst umstrittenen Turnier in Katar war.
Hilgert ist von dieser Weltmeisterschaft, den neuen Eindrücken und dem Flair dieser internationalen Sportbegegnung aber begeistert, auch wenn Deutschland erneut schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten musste. Sein eher trockener Kommentar: „Es spiegelt halt den Leistungsstand der deutschen Mannschaft wider.“ Dafür zeigt er sich sehr angetan von Katar: „Das war alles mega organisiert, alles funktionierte digital. Und es war unglaublich sicher für die Fans.“
Da sei es in Brasilien schon anders gewesen. Dort sei er im Hotel durchaus vor bestimmten Gegenden gewarnt worden, weil zuvor eine Fantruppe aus Holland überfallen und ausgeraubt worden war. Jetzt hätten sich die Hilgerts an tollen Fußballstadien erfreuen können, die auch allesamt gut erreichbar gewesen seien. Gut in Erinnerung geblieben ist ihm jenes Stadion, das aus ausrangierten Seecontainern gebaut wurde. Das sogenannte Stadion 974 – die Zahl steht symbolisch für die internationale Telefonvorwahl Katars –, in dem eben 974 Schiffscontainer verbaut wurden, wird nach der WM komplett wieder in seine Einzelteile zerlegt und soll in einem anderem Land wieder aufgebaut werden. Obwohl die Katarer sogar die kostenlose Verschiffung in Aussicht stellen, sollen die Interessenten nicht gerade Schlange stehen.
Doch zurück zu Jens Hilgert: Der hat bei der WM am persischen Golf sogar alte Bekannte wieder getroffen. „Man sieht sich eben immer wieder. Die Welt ist klein“, erzählt er. Als die Hilgerts per U-Bahn zum Stadion fuhren, sahen sie den „Adler-Mann“ aus Kolumbien. Der sei immer bei früheren Weltmeisterschaften dabei gewesen – und in der U-Bahn in Katar entdeckte Hilgert ihn nun als älteren Mann wieder. „Ich hab ihn auf Englisch angesprochen und er hat sich gefreut. Da geht einem dann das Herz auf. Und beim Spiel Deutschland gegen Costa Rica saß einer zufällig neben mir, den ich bei der WM in den USA 1994 kennengelernt hatte.“
Als alter Fußball-WM-Fahrensmann kann sich Jens Hilgert ein Urteil über Katar erlauben: Er sehe die Vergabe der WM an Katar kritisch, keine Frage, hat selbstverständlich die Berichterstattung verfolgt. Doch die massive Kritik hätte man besser bei der Vergabe anbringen sollen, findet er. Jens Hilgert berichtet von der Begegnung mit einem Taxifahrer. Der habe sich durchaus gefreut über das Interesse im Ausland an den Arbeitsbedingungen der Menschen in Katar, aber habe sich auch gewundert, weil er eben in Katar glücklich und zufrieden lebe, auch wenn er sechs Jahre nicht zuhause gewesen sei und seine Familie vermisste.
Hilgert glaubt, dass die Menschen außerhalb Europas „eine ganz andere Problemlage“ haben und die Sicht auf die Dinge eben hüben wie drüben eine ganz andere sei. In Katar habe er jedenfalls eines gelernt: „Es war nicht nur die WM der Katarer, sondern der arabischen Welt. Die haben das zelebriert.“ Beim Spiel Argentinien gegen Saudi-Arabien sei er dabei gewesen. „Da waren gefühlt 30 000 Argentinier und 30 000 Saudis im Stadion. Das war beeindruckend. Bei Marokko gegen Spanien im Achtelfinale gab es leidenschaftliche Anfeuerung von allen vier Tribünen aus. Das hat man als Fußballfan selbst im Alltag des Vereinsfußballs eher selten. Das war Fußball, und auch das war WM.“
Jens Hilgert freut sich jedenfalls schon auf die nächste WM, die 2026 in den USA, Mexiko und Kanada stattfinden und erstmals mit 48 und nicht mehr 32 Mannschaften ausgetragen wird. In Nordamerika soll dabei auch das Motorrad wieder zum Einsatz kommen. „Darüber in dreieinhalb Jahren gerne mehr“, sagt Hilgert.