Baumpflege: Kritik an Straßen.NRW

Beim Infoabend von Grünen und SPD gibt es Unmut und einige Besucher verlassen wütend den Saal.
Neuenrade – Am Ende des fast dreistündigen Dialogs waren sich nahezu alle Anwesenden einig: Dieser Abend war gut, um Wissen und Ansichten auszutauschen. Auch habe der Austausch ein gegenseitiges Verständnis bewirkt. Auf die Einladung der Bündnisgrünen sowie der Sozialdemokraten im Stadtrat kamen mehr als 40 Interessierte in den Kulturschuppen am Bahnhof, um zu diskutieren. Das Thema war überschrieben mit „Handhabung Bäume, Hecken, Grünflächen in und um Neuenrade“.
Bürger, Baumkontrolleure, Verwaltungsmitarbeiter
Gekommen waren Vertreter sämtlicher Ratsfraktionen, Bürgermeister Antonius Wiesemann (CDU), die Förster Frank Bossong (Neuenrade) und Richard Nikodem (Balve), Bauamtsleiter Marcus Henninger, Klimabeauftragter Simon Mai, Andrea Sprenger von der Unteren Naturschutzbehörde des Märkischen Kreises, Baumkontrolleur Michael Ortmann aus Attendorn, Vertreter der Gruppierung Baumfreunde sowie Bürger aus Neuenrade, Plettenberg und Balve. Moderiert wurde der Dialog von Grünen-Ratsherr Ralf Gäer.
Keine Teilnahme wegen Parteipolitik
Dieser erklärte zunächst, dass er den Pressesprecher von Straßen.NRW – Andreas Berg – ebenfalls eingeladen habe. Dieser habe seine Teilnahme allerdings abgesagt – zum einen, weil seine Kapazitäten aufgrund der bevorstehenden Sprengung der A45-Rahmedetalbrücke derzeit zu knapp seien, zum anderen, weil ihm als Behördenvertreter die Teilnahme an parteipolitischen Veranstaltungen untersagt sei. Allerdings habe Berg im Vorfeld Fragen beantwortet.
Verkehrssicherheit oberstes Kriterium
Demnach lasse sich der für den Straßenbau zuständige Landesbetrieb bei der Gehölzpflege auf seinen Grundstücken vor allem von der Verkehrssicherheit leiten. Bei der jüngsten Baumpflege-Aktion an der Verbindungsstraße zwischen Küntrop und Affeln seien zuletzt aber nicht nur kranke Bäume beschnitten worden, sondern auch gesunde Kirschbäume gefällt worden. Das sei ein Fehler gewesen, räumte Berg ein.
Auf Vorrat schneiden?
MK-Vertreterin Sprenger sagte: „Bei Straßen.NRW hat man oft das Gefühl, dass da auf Vorrat geschnitten wird. Es wäre gut, wenn manchmal ein Mittelweg gefunden würde.“ Auch Bürgermeister Wiesemann (CDU) wünschte sich „ein Gesetz, welches Ersatzpflanzungen vorschreibt“. Er selbst aber gab zu bedenken: „Wer aber tritt das los? Das kann sicher nur das Land oder der Bund.“
Keine Ersatzpflanzungen?
Ein Anwohner, der angab, genau an dieser Stelle zu wohnen, sagte: „Ich habe das Drama live mitbekommen und mit den Arbeitern vor Ort gesprochen.“ Die zuvor eingereichten Antworten des Straßen.NRW-Pressesprechers bestätigten seine Befürchtung: Der Landesbetrieb habe nicht vor, Ersatzpflanzungen für die gefällten Bäume vorzunehmen.
Geld sammeln und selbst anpflanzen
Moderator Gäer erklärte, dass die Landesbehörde dafür gesetzlich auch gar nicht zuständig sei. Der Vorschlag eines Bürgers, sich von Straßen.NRW die Genehmigung zu holen, um nach einer Geldsammlung selbst Neuanpflanzungen vorzunehmen, fand breite Zustimmung unter den Anwesenden. Einer gab lediglich zu bedenken, dass Hecken möglicherweise ökologisch gesehen wertvoller als Bäume sein könnten. Zudem führten diese bei einem Unfall zu weniger schlimmen Folgen für Verkehrsteilnehmer. Auch dieser Einwurf fand überwiegend Beifall.
Kein Baumschnitt nach Gutdünken
Der Bündnisgrüne Moderator Gäer schilderte, dass außerhalb der Stadtgrenzen Straßen.NRW und innerorts die Stadt Neuenrade nicht einfach nach Gutdünken Baumbeschnitte und -fällungen vornehmen ließen. Vielmehr werde vor jeder Maßnahme ein Baumkontrolleur beauftragt, die Notwendigkeit eines Eingriffs zu beurkunden.
Pappeln an der Roten Mütze
Im zweiten Teil des Abends wurden Baumbeschnitte innerhalb Neuenrades thematisiert und dabei zunächst Pappel-Fällungen an der Straße Rote Mütze. Dabei stellte sich alsbald heraus, dass diese Bäume in Privatbesitz gewesen seien. Weder die Stadt noch Straßen.NRW hätten dort also die Entscheidung getroffen.
Statements der Förster
Förster Frank Bossong erläuterte in diesem Zusammenhang: „Zwei Drittel der Waldflächen in Nordrhein-Westfalen befinden sich in Privatbesitz. Und denen können wir nicht vorschreiben, welche Bäume sie schlagen, beziehungsweise wie sie wieder aufforsten.“ Das gebe das Gesetz nicht her. Bossongs Kollege Richard Nikodem ergänzte: „Der typische Waldbesitzer in Neuenrade steht doch bei Klinke an der Maschine. Wenn der, jetzt, wo nun aufgrund des Borkenkäfers 30 Jahre lang Einnahmen aus dem Wald ausfallen, wieder aufforsten soll, müsste der sein Häuschen verkaufen. Das funktioniert aber doch nicht.“
Man wünscht sich sachkundige Bürger in den Verwaltungen
Weiter wünschte sich Nikodem sachkundige Mitarbeiter in den Verwaltungen, gegebenenfalls in einer noch zu installierenden überörtlichen Instanz. „Ich arbeite nun seit zehn Jahren in Balve und habe dort schon den fünften Ansprechpartner, der von der Materie keine Ahnung hat.“ Nicht in Privat-, sondern in städtischem Besitz befänden sich allerdings die rund 40 Bäume, die vor Kurzem in Affeln radikal beschnitten worden seien. Moderator Gäer glaubte zu wissen: „Die Baumpflege in Affeln war in dieser Form notwendig und konnte gar nicht anders erfolgen.“ Der Ratsherr begründete: „In der Jungbaumpflege sind vor Jahren schon gravierende Fehler gemacht worden und nun war ein sogenannter Verjüngungsschnitt vonnöten – sprich: Es mussten Totholz und verfaulte Stellen entfernt werden.“
„Dann macht die Bäume doch gleich ganz weg“
Altenaffelns Ortsvorsteher Frank Voß (CDU) gab zu bedenken: „Zu einer Verkehrssicherungspflicht gehört doch auch, dafür zu sorgen, dass auf Laub, welches zu Boden fällt, niemand ausrutscht.“ Dieser Einwurf zog Proteste nach sich. Einige Besucher der Veranstaltung verließen wütend den Kulturschuppen. Dabei riefen sie noch: „Dann macht die Bäume doch gleich ganz weg. Dann liegt da auch kein Laub mehr.“ Bürgermeister Wiesemann versuchte, die Wogen zu glätten und sagte: „An der Zweiten Straße in der Altstadt steht seit 130 oder mehr Jahren eine Linde. Die ist immer wieder so beschnitten worden wie jetzt die Bäume in Affeln. Und sie steht heute immer noch gesund da.“
Bäume werden wieder ausschlagen
Dem pflichtete Baumkontrolleur Ortmann bei: „Auch die Bäume in Affeln werden wieder ausschlagen und für ein schönes, grünes Stadtbild sorgen“, versicherte er. Weiterhin lobte er die Veranstaltung: „Ein großes Lob an alle Beteiligten, dass Sie hier den Dialog aufgenommen haben – ganz anders als in vielen anderen Städten drumherum.“