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Der Boom der Waldorfschule in Neuenrade

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Die Waldorfschule am Remmelshagen besuchen aktuell 276 Kinder und Jugendliche. Zum nächsten Schuljahr gibt es alleine mehr als 60 Anmeldungen für die eine Eingangsklasse. © von der Beck

Neuenrade - Es sind fantastische Zahlen, die Klaus Giljohann, kaufmännischer Leiter der Waldorfschule, da präsentieren kann: 61 Anmeldungen bei den Erstklässlern und schon jetzt Wartelisten für die Folgejahre.

Hinzu kommen all die Quereinsteiger, welche nach der fünften Klasse zur Waldorfschule wechseln wollen. „Insgesamt geht es da um ein Volumen von 100 Schülern“, sagt Giljohann. 

Das ist ungewöhnlich: Anmeldungen für die Erstklässler bewegten sich in der Vergangenheit eher im Rahmen von 15 bis 20 Schülern. Nun sind offenbar andere Zeiten angebrochen und an der Waldorfschule muss ausgewählt werden, denn maximal 25 Kinder nimmt die Schule für das erste Schuljahr derzeit an, denn die Schule wird einzügig geführt. 

Fast das Vierfache der üblichen Anmeldezahlen plus Quereinsteiger – Giljohann erklärt diesen Boom auch mit einem bundesweiten Trend des verstärkten Zulaufs an Privatschulen. Und zumindest für die Waldorfschulen könne er das sagen. Giljohann macht ein ganzes Bündel von Ursachen aus: Es gehe dabei auch um alternative Konzepte. Klassengrößen, Integration oder Förderung der Kinder spielten eine Rolle. 

Marketing durch den Förderverein 

Im speziellen Fall der Neuenrader Waldorfschule komme noch ein besonders gutes Marketing von Claudia Malcus (Förderverein) hinzu. Die Schule habe sich sehr gut etabliert, sei schön gelegen und das schulische Leben der Kinder behütet. Zudem komme die Waldorfschule langsam aus der verstaubten Öko-Ecke heraus. Technisch habe man aufgerüstet und die typischen Sonderfächer wie Theater, Werken oder Eurhythmie würden eben zunehmend auch Wertschätzung bei jenen finden, die sich in ganz besonderem Maße um den Werdegang ihrer Kinder kümmern. Zudem könne an der Waldorfschule Abitur gemacht werden. 

Was die gesellschaftliche Zusammensetzung der Eltern- und Schülerschaft anbelangt, so sieht Giljohann „eine breite Mischung“. Unterrepräsentiert seien Schüler mit Migrationshintergrund – aber das ändere sich. Dass zum Klientel der Waldorfschule nur begüterte Eltern und Schüler gehören, das will der kaufmännische Geschäftsführer der Schule so nicht stehen lassen. Sein Bild: „Wir haben da den Vater, der mit dem Porsche vorgefahren kommt, genauso wie jemanden, der gar kein Auto hat. „Der Großteil kommt aber aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Giljohann. Der eine zahle den Höchstsatz, der andere fast nichts. Das Einzugsgebiet der Schule ist groß und reicht mittlerweile über den Märkischen Kreis hinaus. 

Aktuell 276 Schüler

 Die Waldorfschule kann zudem gute Rahmenbedingungen präsentieren: Das Kollegium ist voll besetzt, obwohl andere Schulen schon unter Lehrermangel leiden und einen Ganztagsbetrieb könne man sowieso anbieten. Giljohann verweist zudem auf besonders engagierte Lehrer. Insgesamt wächst die Schule wie gesagt, aktuell gibt es 276 Schüler am Remmelshagen. Damit ist die Waldorfschule in einer beneidenswerten Situation und die Schulleitung muss auf das Wachstum reagieren. Die Aula kann von Schülern und Lehrern im Bedarfsfall nur in Schichten genutzt werden, weil sie die Zahl der Schüler und Lehrer nicht fasst. Derzeit können sich nur 120 Personen dort aufhalten. 

Nicht von ungefähr planen die Verantwortlichen der Schule daher eine neue Aula, welche 350 Personen fassen soll und natürlich die Möglichkeit für Theateraufführungen hat. Auch Verpflegung ist Thema an der Waldorfschule Neuenrade. Der Wunsch sei dabei, Bio-Standards einzuhalten, sagt Giljohann. Daher überlege die Führungsmannschaft der Schule – weil es das so nicht im Umkreis gebe – selber für Biokost zu sorgen. Es gibt da offensichtlich schon greifbare Überlegungen. Möglicherweise könne man die Küche integrativ betreiben, lässt Giljohann anklingen. Vielleicht gebe es ja auch jemanden, der an dem Projekt partizipieren könne und ebenfalls Spaß an Biokost habe. 

Technisch soll aufgerüstet werden

Auch technisch soll die Waldorfschule aufgerüstet werden. Die Internetzugänge sollen verbessert werden. So soll die Schule an das Glasfasernetz angekoppelt und die Beleuchtung auf LED umgestellt werden. 

Zum Thema Privatschulen gibt es recht aktuelle Studien. Eine davon hat die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt. Und die konstatiert: „Unbestritten ist, dass Privatschulen an Bedeutung gewonnen und ihr Wachstumspotenzial möglicherweise noch nicht ausgeschöpft haben.“ In Deutschland würden sie dennoch zur Ausnahme gehören. Schon in den Niederlanden sei das anders. Dort würden 70 Prozent der Schüler Privatschulen besuchen. 

Studie der Ebert-Stiftung 

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung offenbart auch, dass sich die Zusammensetzung der Schülerschaft in Privatschulen von der in öffentlichen Schulen unterscheidet: „In den Schulen in privater Trägerschaft ist der Anteil der Schüler mit einem Migrationshintergrund geringer und der soziale Status der Kinder und Jugendlichen höher.“ 

Übrigens trifft die Stiftung auch Aussagen zu den Kompetenzen, welche die Schüler erwerben. Dabei schneiden Schüler, welche die staatlichen Schulen besuchen, im Prinzip gar nicht schlechter ab als die Absolventen privater Schulen. Waldorfschulen wurden beim Bereich Kompetenzerwerb in der Studie aus statistischen Gründen aber herausgenommen. Was die hiesige Waldorfschule anbelangt, so machen hier auch Schüler das Abitur, die Quote derjenigen, die das Abitur nicht bestehen ist bislang gering.

Von Peter von der Beck

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