Baumhaseln „kaputt geschnitten“: Experte kritisiert radikales Vorgehen in Affeln

Der radikale Rückschnitt zahlreicher Bäume in Affeln wird nicht nur von den Neuenrader Baumfreunden und den heimischen Grünen heftig kritisiert. Jetzt meldet sich ein zweiter Experte zu Wort.
Affeln – Nachdem die Neuenrader Baumfreundin Janine Lohmann, die das Vorgehen als „Baumschändung“ kritisiert, berichtet hatte, dass ein Baumpfleger sie auf die „verstümmelten Bäume“ aufmerksam gemacht habe, meldet sich nun ein zweiter Fachmann zu Wort, der die „kaputt geschnittenen Baumhaseln“ zufällig entdeckt und die Stadt Neuenrade um Stellungnahme gebeten hat.
Michael Ortmann, Inhaber des Unternehmens Sauerland Baumpflege in Attendorn, ist zertifizierter Baumkletterer, Baumpfleger und Baumkontrolleur. Der Attendorner ist berechtigt, nach der FLL-Baumkontrollrichtlinie Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen durchzuführen und entsprechende Kataster anzulegen.
Experte: „Ich habe meinen Augen nicht getraut“
„Mir sind die Bäume aufgefallen, als ich durch Affeln gefahren bin – und ich habe meinen Augen zuerst nicht getraut“, sagt Ortmann. „Ich bin nicht der Typ, der die Arbeitsweise anderer in Frage stellt und habe deshalb erst überlegt, ob ich nachhaken soll.“ Doch letztlich gehe es um städtische Bäume, die durch den falschen Schnitt zukünftig höhere Kosten verursachen würden – und somit gehe es auch um Steuergelder. Der Experte unterstreicht: „Ich habe mit den Neuenrader Baumfreunden nichts zu tun.“ Auch wirtschaftliche Interessen verfolge er nicht. „Affeln gehört nicht zu meinem Einzugsgebiet. Ich bin im Raum Olpe tätig.“
Nachdem Michael Ortmann die gestutzten Bäume entdeckt hatte, meldete er sich zunächst telefonisch bei der Stadt Neuenrade, dann verfasste er eine E-Mail mit Fotos, die er selbst in Affeln aufgenommen hat. Dazu schreibt er: „Im Anhang an diese Mail finden Sie elf traurige Impressionen der kaputt geschnittenen Baumhaseln (Corulus Colurna).“ Alle Bäume die in Affeln im Bereich der Stummelstraße und der Hauptstraße gestutzt wurden, seien nicht fachgerecht beschnitten worden. „Kappungen sind grundsätzlich fachlich falsch; zudem wurde nicht auf Zugast geschnitten, sondern die Schnitte wurden wahllos gesetzt.“
Maßnahme „unnötig, deplatziert und fachlich falsch“
Der zertifizierte Baumkontrolleur kann diese „Pflegemaßnahmen“ nicht nachvollziehen: „Da es sich um Bäume in ihrer Entwicklungsphase/Reifephase handelt und sie augenscheinlich keine verkehrssicherheitstechnische Gefahr/Relevanz in ihrem Dasein vorweisen, empfinde ich diese Maßnahmen als unnötig, deplatziert und im Grundsatz fachlich falsch.“
Betriebe, die so agieren würden, „ruinieren nicht nur die Bäume, die für viel Geld der Steuerzahler in den vergangenen Jahren gepflanzt und gepflegt wurden, sondern schädigen mit ihrer Preispolitik ganze Berufszweige“, unterstreicht Ortmann. Er stellt fest: „Diesen Bäumen wurde nicht nur ihr natürlicher Habitus, sondern dem Dorf Affeln wurde zudem das gewünschte Straßenbild genommen.“ Der Experte ist überzeugt: „Die Bäume, die langfristig das Straßenbild prägen sollten, werden zukünftig viel mehr Kosten produzieren, um sie verkehrssicher zu erhalten.“ Die Kosten für weitere Maßnahmen – eventuell für Fällungen und Neuanpflanzungen – müsse dann erneut der Steuerzahler tragen.
Fehlt die professionelle Sicht?
Um seine Kritik zu untermauern, weist Ortmann die Verwaltung in seiner E-Mail auf einen Vorfall in Erfurt hin. Dort berichtet die Thüringer Allgemeine über den „unsachgemäßen Baumschnitt“ auf den Parkplätzen vor Möbelhäusern und Discountern. Im Artikel vom 10. März dieses Jahres heißt es: „Einige dieser Bäume wurden so stark verstümmelt, dass sie als zerstört gelten müssen und Neupflanzungen notwendig werden. Die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde sind über solchen Baumfrevel regelrecht erschüttert.....“ Die Fotos der Bäume in Erfurt gleichen denen, die die Baumhaseln an den Affelner Straßen nach dem Beschnitt zeigen.
Michael Ortmann hofft, dass solche „Pflegemaßnahmen“ zukünftig nicht mehr durchgeführt werden: „Meiner Meinung nach fehlt an dieser Stelle völlig die professionelle Sicht auf eine nachhaltige Baumpflege. In der heutigen Zeit, die schwer durch das stetig wachsende Baumsterben, zum Beispiel die Borkenkäfer in den Fichten oder die Buchenkomplexkrankheit, geprägt ist, sollten wir um jeden gesunden Baum kämpfen und endlich beginnen umzudenken.“