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Azubi-Mangel „ein Drama“: Bekannte Firma im MK geht neuen Weg

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Von: Peter von der Beck

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Daniel Wingen (r.), Geschäftsführer der Drahtwerke Elisental, und Realschulkonrektor Thomas Münch unterschreiben im Beisein von Prokurist Christof Bergmann und Ausbildungsleiter Torsten Langer den Kooperationsvertrag.
Daniel Wingen (r.), Geschäftsführer der Drahtwerke Elisental, und Realschulkonrektor Thomas Münch unterschreiben im Beisein von Prokurist Christof Bergmann und Ausbildungsleiter Torsten Langer den Kooperationsvertrag. © von der Beck, Peter

Bei den Drahtwerken Elisental erweitert man den Kontakt zu jungen Menschen und bezieht bei der Suche nach Nachwuchs für das Unternehmen nun auch Balve ein.

Neuenrade – Daniel Wingen, Geschäftsführer des Drahtherstellers, unterschrieb am Mittwoch einen Kooperationsvertrag mit der Realschule. Konrektor Thomas Münch zeichnete im Beisein von Ausbildungsleiter Torsten Langer und Christof Bergmann gegen. Dass es die Realschule neben anderen schulischen Kooperationspartner wurde, ist Bergmann zu verdanken, der einst diese Realschule besuchte und nun Prokurist bei Elisental ist. Er ist selbst ein Beispiel für eine Karriere nach einer Lehre. Doch es mangelt überall an Azubis – auch bei Elisental.

Dabei bemühen sich die Elisental-Verantwortlichen: Was die Anstrengungen dieses Unternehmens, junge Leute zu gewinnen, anbelangt, da kann man nicht meckern. Die Schwellen wurden generell heruntergesetzt. Zur Not ist nicht einmal eine formelle Bewerbung nötig und Interessenten können über ein Praktikum an die Lehrstelle kommen. Das Unternehmen hat die Plakette „ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“. Das Gütesiegel basiert auf den Ergebnissen einer anonymen Befragung aller Azubis, die im Unternehmen ausgebildet werden. Auch die Ausbildungskennzahlen fließen in diese Bewertung ein. Das Siegel steht für ein hohes Engagement des Betriebes für seine Schützlinge und für eine große Zufriedenheit der Azubis.

Die jungen Leute werden wertschätzend behandelt hört man. Man kümmert sich und falls es nicht so rund läuft, sind hilfreiche Mitarbeiter da. Es ist ein Geben und Nehmen . Wichtig dabei ist: „Die Einstellung muss stimmen.“ Das betont Geschäftsführer Wingen ausdrücklich. Dann kümmert sich das Unternehmen. Sogar ein elektrischer Smart stünde für die Fahrt in die Berufsschule bereit, wie Daniel Wingen betonte.

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Liste der offenen Stellen ist lang

Die Liste der offenen Stellen bei Elisental – Hersteller von Aluminiumdrähten im weitesten Sinne – ist lang und reicht vom Drahtzieher über Werkstoffprüfer hin zum Industriekaufmann. Klare Sache, dass auch duale Studiengänge möglich sind. Die Zahl der Bewerbungen indes ist bescheiden. Die Firma testet dabei durchaus seine jungen Bewerber. So muss ein angehender Industriekaufmann einen Test absolvieren, damit die Betreuer Anhaltspunkte haben, ob derjenige passen könnte. Dass jemand in der Probezeit gehen muss, ist eher selten.

Dass sich die Realschule Balve um ihre Schüler kümmert steht außer Frage, wenn man Konrektor Thomas Münch zuhört. Die Programme sind vielfältig, Berufsberater gibt es, Praktika der verschiedensten Arten in verschiedensten Bereichen werden angeboten. Sprich: Die jungen Leute haben umfassende Beratung und die Qual der Wahl. Zudem gibt es noch den Weg zur gymnasialen Oberstufe – im Schnitt etwa 50 Prozent jedes Abschlussjahrgangs der Balver Realschüler erreichen die Zugangsberechtigung. Das ist nach Meinung von Münch nicht immer glücklich: „Da haben welche den Vermerk und wollen das Abitur machen. Dann frage ich jedes Mal: ,Und was machst Du dann damit?’.“ Nicht in jedem Fall erhält er direkt eine Antwort.

Münch jedenfalls ist des Lobes voll für den dualen Ausbildungsweg. Er betont: „Wenn einem das nicht reicht, kann man immer noch weiter machen und etwas anderes lernen oder sich weiterqualifizieren. Das ist ja nicht das Ende der Karriere.“ Klar ist: Wer jung ist, eine Ausbildung anstrebt, hat durchaus die Qual der Wahl, wenn es um jene Berufsbilder geht, die in die Region passen. Und dabei sind eben Praktika wichtig, die zumindest schon einmal hilfreich bei der Berufsfeldfindung sein können. Hier macht die Balver Realschule viel: Wirbt speziell bei Mädchen für Metallberufe und hat schon die eine oder andere junge Frau dafür begeistert. Wichtig ist so ein Praktikum auch, um die Atmosphäre in einem Unternehmen zu spüren. Man kann erfahren, ob man dorthin passt. Auch der Azubitalk sei in diesem Zusammenhang wichtig: Schüler können auf Augenhöhe mit den Azubis über die Ausbildung sprechen.

Kontinuierliche Praktika – hier bei Kohlhage – gehören zu den erfolgreichsten Modellen, um junge Leute bei der Berufswahl zu unterstützen und für Betriebe, Auszubildende zu finden. Archi
Kontinuierliche Praktika – hier bei Kohlhage – gehören zu den erfolgreichsten Modellen, um junge Leute bei der Berufswahl zu unterstützen und für Betriebe, Auszubildende zu finden. Archi © von der Beck

Elisental-Geschäftsführer Daniel Wingen greift eine Praktikumsvariante auf: an mehreren Tagen, mehrere Berufsfelder in einer Firma kennenlernen. Das will der Geschäftsführer auch in seinem Unternehmen realisiert sehen. Denn die Nachwuchssorgen sind dramatisch.

Das kann Thomas Haensel nur bestätigen. Er ist Leiter des Geschäftsbereichs „Menschen bilden“ bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), Mitglied der Geschäftsführung und in vielen Gremien rund um die Ausbildung vertreten. Er hat eine Zahl parat, welche die Dimension verdeutlichen. So habe man in Hagen Schulabgänger befragt. „Nur 27 Prozent können sich eine duale Berufsausbildung vorstellen.“ Das sei eine Katastrophe: „Ohne Wertschöpfung kann eine Gesellschaft nicht leben,“ sagt Haensel. „Es ist ein Drama“.

Orientierungshilfe: Tec-Days vom 27. Februar bis 3. März

Seitens der SIHK tue man viel, um die jungen Menschen für duale Ausbildungen zu begeistern. Und auch er kennt das Menü an Orientierungshilfen und trommelt für die Tec-Days, die von 27. Februar bis zum 3. März in Hohenlimburg stattfinden.

Dass sich die jungen Menschen nicht trauten, früh die Berufsausbildung mit alle ihren Möglichkeiten anzugehen, hat für ihn dabei schon eine gesellschaftlich-philosophische Dimension. „Die Generationen Y und Z – Kinder der Anfänge der Digitalisierung und Nachfolgegeneration – sind kaum mit früheren Generationen vergleichbar.“ Es gelte sich darauf einzustellen. Für Haensel fehlt es den jungen Leuten auch durch die sozialen Medien oft an Selbstbewusstsein. Und die Jugendlichen hielten sich eben an das, was sie kennen würden: „Schule, Schule, Schule.“ Seine Botschaft an die jungen Menschen ist aber: „Ihr seid toll. Seid mutig, geht nach vorne, probiert es aus. Und wenn es nichts wird, dann eben Mund abwischen und weiter.“ Gerade die duale Ausbildung sei nie eine Sackgasse. Man könne sich immer weiter qualifizieren.

Dass man die Rahmenbedingungen immer verbessern kann, ist für Haensel kein Geheimnis. Mängel sieht er bei der Ausstattung der beruflichen Schulen. „Die benötigen unbedingt Infrastruktur der Fachrichtung IT-Systemtechnik. Das heißt ITler.“ Und um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, da hat Haensel einen dreifachen Rat: „Ausbilden, ausbilden, ausbilden“. Kritik an einer kaum zu überblickenden Menge an Ausbildungsmöglichkeiten weist er zurück. „Die Welt ist komplizierter geworden. Wir haben doch nur 340 Berufe.“ Da werde es an den Unis weitaus unübersichtlicher. „Dort haben wir 18 000 Studiengänge.“

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