Neuanpflanzungen im Sauerland: 100 000 neue Bäume stehen bis zum Osterfest

Die stillen Fichtenwälder sind verschwunden, doch auf den tristen Kahlflächen wird es nach und nach wieder grün: Möglichst bis Ostern sollen die ersten Aufforstungsarbeiten des Jahres beendet sein. „Dann sind in diesem Frühjahr im Bereich Neuenrade 100 000 junge Bäume auf etwa 25 Hektar gepflanzt worden“, blickt Neuenrades Revierförster Frank Bossong zuversichtlich nach vorne.
Neuenrade – Vor einigen Jahren habe man die erste Pflanzsaison im Jahr länger ausdehnen können. „Aber auch hier merken wir den Klimawandel“, sagt Bossong. Denn lange Trockenperioden und Hitze im Frühling könnten ganz besonders in Neuanpflanzungen für große Ausfälle sorgen. Das gelte es natürlich zu verhindern, unterstreicht der Förster, der sich ganz besonders auch über das Engagement der Privatwaldbesitzer freut: Viele hätten sich – auch mit Hilfe von Fördergeldern – zur Wiederaufforstung entschieden. In der Regel entstehe dann Mischwald.
So ist es auch auf der Fläche an der Grenze zwischen Neuenrade und Affeln, die sich im Besitz der Evangelischen Kirche befindet. Neben der heimischen Baumart Buche wachsen dort jetzt Roteichen und Wildkirschen. Und auch Nadelbäume: Küstentannen und Europäische Lärchen. Einige junge Fichten haben sich inzwischen von selbst angesiedelt. „Diese Naturverjüngung berücksichtigen wir natürlich bei der Bepflanzung“, unterstreicht Bossong, dass zusätzliche Vielfalt auch aus Kostengründen durchaus willkommen ist.

Und auch mit Blick auf die Pflanzenbeschaffung ist Naturverjüngung durchaus erwünscht. „Man muss etwa ein Jahr vorher mit den Baumschulen alles klar machen, um überhaupt eine Chance auf Pflanzgut zu haben“, erklärt der Förster. Ganz besonders schwierig sei es mit der Eiche. „In den vergangenen Jahren gab es keine richtige Mast, auch nicht in den Beständen, die der Saatgutgewinnung dienen“, sagt Bossong. In einem Mastjahr haben Waldbäume ganz besonders viele Blüten – und produzieren folglich auch viele Samen.
Doch selbst, wenn die jungen Bäume erhältlich sind: „Auch Pflanzkräfte sind immer schwerer zu bekommen.“ Denn diese Knochenarbeit mitunter bei Regen, Schnee oder Hagelschauern zu erledigen, das ist nicht jedermanns Sache. Zudem ist Fachwissen erforderlich. „Die Bäume müssen natürlich vernünftig gesetzt werden. Und der jeweilige Pflanzplan, den ich für jede Fläche erstelle, muss ordentlich umgesetzt werden können.“

Im Grenzbereich zwischen Neuenrade und Affeln ist der Litauer Tomas Vilkas mit drei seiner Mitarbeiter im Einsatz. Ein großer Teil der Fichtenüberreste ist hier vorab gemulcht worden, damit der Pflanztrupp nicht ständig über Äste klettern muss. Das Quartett setzt pro Tag etwa 2500 Bäume in die Erde. Vilkas pflanzt seit etwa 25 Jahren im Sauerland, doch einfacher werde die Organisation der Arbeitseinsätze nicht, erzählt er: „Auch in Litauen wird es immer schwerer, Arbeiter für die Aufforstung anzuwerben. So etwas will auch bei uns niemand mehr machen.“
Revierförster Frank Bossong freut sich über jeden aufgeforsteten Baum. Doch bis aus den Jungpflanzen ansehnliche Bäume geworden sind, vergeht noch viel Zeit – und die Waldbesitzer müssen eine Menge Geld investieren. In den kommenden fünf Jahren müsse die Begleitvegetation – vor allem Brombeeren, Himbeeren und Farn – regelmäßig weggeschnitten werden. „Sonst fehlt das Licht zum Wachsen.“ Doch selbst, wenn die Pflegemaßnahmen regelmäßig durchgeführt werden und es keine langen Trockenperioden geben sollte – längst nicht alle Jungbäume kommen durch: Vierbeinige Feinschmecker freuen sich über den mit jungen Trieben reich gedeckten Tisch. „Das Wild ist ein wirklich großes Problem. Die Unterstützung durch die Jäger ist eine der Säulen der Aufforstung“, unterstreicht Bossong. Die jungen Lärchen werden mit einem Triebschutz aus Kunststoff ausgestattet, auf anderen Aufforstungsflächen kommen an den Laubbäumen so genannte Vergrämungsmittel zum Einsatz, kleine Bereiche werden eingegattert.
Auf ein solches Beispiel kann Bossong nahe Schwarzes Kreuz verweisen. Auf der Fläche, die etwa einen halben Hektar umfasst, wachsen vor allem Buchen, Eichen, Esskastanie und Wildkirsche – sie sind beim Rehwild heiß begehrt. „Ein solches Hordengatter ist sehr teuer, die Elemente können aber abgebaut und weiter genutzt werden, wenn sie hier nicht mehr gebraucht ist“, erläutert der Revierförster. Vom Eingattern großer Flächen rät er dagegen ab: „Das Gatter wird zu instabil. Das Wild würde zu leicht einen Weg hineinfinden. Und dann fühlen sich die Rehe wie im Schlaraffenland und es ist sehr schwer, sie wieder auszusperren.“

Dass diese Fläche schon aufgeforstet ist, sieht man allerdings erst auf den zweiten Blick, denn die Fichtenreste sind hier vor der Bepflanzung nicht weggeräumt worden. Unerwünschte Begleitvegetation sollte es hier deutlich schwerer haben, doch auch für die Pflanzkräfte war die Arbeit mühselig.
Ein drittes Pflanzmodell ist am Kohlberg zu sehen, direkt unterhalb der Windräder. Dort war ein Bagger auf den Rückespuren der Freiflächen unterwegs und hat Holzreste und Äste mit einem Rechen auf die Gassen gezogen. „Sonst wäre das Aufforsten hier viel zu schwer geworden, zumal schon Brombeeren und Himbeeren wucherten und teilweise freigeschnitten werden mussten.“

Zu welchem Modell und zu welchen Baumarten der Revierförster bei der Wiederbewaldung rät, ist von vielen Faktoren abhängig. „Keine Fläche ist wie die andere. Jeder Bereich, in dem aufgeforstet werden soll, muss genau in Augenschein genommen werden“, sagt Bossong. Nicht nur der Standort, auch die Wasserverfügbarkeit, die Lichtverhältnisse und die Nährstoffe im Boden müssen berücksichtigt werden: „Es gibt 72 Waldentwicklungstypen, die nach jetzigem Kenntnisstand für die nächsten Jahrzehnte geeignet scheinen. Aber niemand kann in die Zukunft sehen.

Borkenkäfer zerstört 200 Hektar
Im Märkischen Kreis gibt es insgesamt etwa 50 000 Hektar Wald, berichtet Revierförster Frank Bossong. Davon seien etwa 16 500 Hektar Borkenkäfer-Kalamitätsfläche. „Das können wir gar nicht alles aktiv aufforsten“, unterstreicht Bossong. Man sei auf Naturverjüngung angewiesen – und somit gibt es im Wald an einigen Stellen auch ein Wiedersehen mit der Fichte. In Neuenrade konnte der Borkenkäfer schlicht nicht so große Schäden anrichten, wie in der Nachbarschaft: „Kyrill hatte hier schon sehr viel zerstört.“ Dem Borkenkäfer seien noch etwa 200 Hektar Fichtenwald zum Opfer gefallen.