Dass es nicht nur ein Gesprächstermin, sondern ein Abschiedsbesuch von Hans-Josef Vogel war, wusste Bodo Reinke gar nicht. Denn: Der Arnsberger Regierungspräsident muss seinen Posten räumen. Nachfolger wird der Schwerter Heinrich Böckelühr. „Aber der Regierungspräsident ist ja kein Einzelkämpfer, kein Alleinherrscher über alles, und so gehe ich davon aus, dass die Arbeit so fortgesetzt wird“, ist der Walzwerke-Geschäftsführer zuversichtlich, dass auch Heinrich Böckelühr zum Beispiel den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert. Denn darum ging es in Nachrodt besonders.
Ums Weiterdenken dreht sich bei den Walzwerken alles. Die Idee ist, dass man komplett auf erneuerbare Energien setzt. Ein grünes Unternehmen? „Das sind wir ja schon dort, wo es möglich ist“, so Bodo Reinke. Dort soll aber nicht Schluss sein. Es geht im Moment nicht um konkrete Vorhaben, sondern eher um die Vision, so viel erneuerbare Energien heranzuschaffen, um die Versorgung der Walzwerke sicherzustellen. Photovoltaik und ein Wasserkraftwerk gibt es bereits. Doch zu viele Regularien erschwerten bis jetzt ein Weiterkommen.
„Wir reden über eine ganze Reihe erneuerbarer Energien“, so Bodo Reinke. Ein eigenes Windrad auf dem Gelände des Unternehmens sei aufgrund der Lage nicht möglich, „das müsste man woanders machen. Aber es kann natürlich sein, dass das in Zukunft leichter wird und mehr Flächen ausgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund bewegt sich etwas“, glaubt Dr. Bodo Reinke. Noch sind keine ausgewiesenen neuen Flächen vorhanden, „aber es gibt Richtungszeige, dass man den Rotmilan nicht mehr über alles stellen will“, sagt Bodo Reinke hoffnungsvoll. Es müsse einen Bewusstseinswandel geben, dass Windkraft nicht per se schlimm sei. Nur weil einige Leute etwas von der Verspargelung der Landschaft erzählt hätten, würden sich andere in Rage reden. „Wir müssen ehrlicher werden. Wenn wir Energie wollen und keine anderen Quellen haben, dann müssen wir was machen.“
Mit dieser Ansicht hat Bodo Reinke augenscheinlich den noch amtierenden Regierungspräsidenten auf seiner Seite, der in einem Interview mit „Solarserver“ appellierte, „dass kommunale Verantwortungsträger alle Ermessensspielräume nutzen sollten, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren“. Keine Genehmigungsbehörde dürfe die Hände in den Schoß legen, bis die bundespolitischen Gesetzesvorhaben über die Länder bis auf die kommunale Ebene heruntergebrochen seien. Viel zeitnaher droht der Gas-Stopp. Und da lässt sich die Bundesnetzagentur nach Ansicht von Bodo Reinke nicht in die Karten gucken. „Wenn für uns Gas abgestellt wird, ist es tatsächlich so, dass wir unsere Produktion stark einschränken müssen. Nicht alle Bereiche sind dann betroffen, aber die, die Erwärmungsöfen haben. Das ist natürlich das Warmwalzwerk. Wenn der Ofen eine Zeitlang nicht läuft, dann sind auch nachfolgende Abteilungen betroffen. Von daher machen wir uns natürlich Gedanken“, sagt Bodo Reinke, vermutet aber bei einer Mangelsituation, dass dann nicht die komplette Versorgung abgeschaltet wird. Notfallpläne werden im kleinen Kreis ausgearbeitet.
„Genauso haben wir Szenarien im Kopf, wie vor einem Jahr die Hochwasserkatastrophe, die die Bezirksregierung auch interessiert hat“, erzählt der Geschäftsführer. Damals wurde die Situation brenzlig für das Unternehmen. Die Walzwerke wollen nun mithilfe eines Notstromaggregats eine autonome Stromversorgung sichern, um die Pumpen betreiben zu können, falls die Keller wieder volllaufen sollten. Mit der ganzen Mannschaft hatte man bei der Flutkatastrophe versucht zu retten, was zu retten war. Die schlimmen Erfahrungen sollen sich nicht wiederholen. Der Austausch mit dem Regierungspräsidenten, den persönlichen Draht, findet Dr. Bodo Reinke gut. „Wir können ganz offen reden, auch wenn die Interessenslagen manchmal unterschiedlich sind.“ Dadurch, dass bis Ende 2024 bei Kostal die Standorte in Lüdenscheid, Halver und Meinerzhagen auslaufen sollen und 950 Mitarbeiter nach den Plänen ihre Jobs verlieren, „haben die Leute mal vor den Augen, dass Unternehmen hier nicht selbstverständlich sind, dass es sensible Wertschöpfungsketten gibt. Es könnte sein, dass so langsam die Erkenntnis durchdringt, dass man genauer hingucken muss, nicht nur Klima- und Artenschutz zu betreiben, sondern dass auch andere existenzielle Interessen berücksichtigt werden müssen.“