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Unternehmer aus dem MK: „Vier Tage-Woche durchaus interessant“

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Von: Susanne Fischer-Bolz

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Der neue KJU-Vorstand mit dem Vorsitzenden Maximilian Hell (6.v.l.), Chef des Nachrodter Unternehmens praedata.
Der neue KJU-Vorstand mit dem Vorsitzenden Maximilian Hell (6.v.l.), Chef des Nachrodter Unternehmens praedata. © Privat

Fachkräftemangel, Azubis nicht in Sicht: Muss der Unternehmer von heute eine Vier-Tage-Woche bieten, damit jemand kommt? „Ja und nein“, sagt Maximilian Hell, Geschäftsführer des Nachrodter Unternehmens praedata. Er hat gerade den Vorsitz des KJU, Kreis der jungen Unternehmer Iserlohn, übernommen.

Nachrodt-Wiblingwerde – Im Interview erzählt Maximilian Hell über den Verein, über die erste Kinderbetreuungseinrichtung, die von der mittelständischen Wirtschaft getragen wird, und nimmt Stellung zu der Frage, ob es früher menschlicher zuging in Unternehmen.

Sie haben in diesem Jahr den Vorsitz des KJU Iserlohn übernommen. Für diejenigen, die den Verein nicht kennen: Was macht er, wer ist dort engagiert, und warum?

Der Kreis Junger Unternehmer Iserlohn ist ein Zusammenschluss junger Unternehmer und Führungs-(nachwuchs-)kräfte aus dem nördlichen Märkischen Kreis. Unter dem Dachverband der Wirtschaftsjunioren Deutschland sind wir das größte Netzwerk junger Wirtschaft in Deutschland und gehören mittlerweile mit etwa 200 Mitgliedern (aufgeteilt in Aktive und Fördermitglieder) auch zu einem der größten Kreise in Deutschland. Unsere Mitglieder befinden sich in aktiven Führungsrollen in ihrem Job und wollen sich über den Beruf hinaus vernetzen und engagieren. Als Kreis engagieren wir uns in der Region rund um soziale Projekte und Bildungsprojekte, bilden Arbeitskreise für verschiedene Projekte, bieten interessante Vorträge und Weiterbildungen, erhalten spannende Einblicke in verschiedene Unternehmen bei Betriebsbesichtigungen oder veranstalten auch regelmäßig Spaß-Events wie beispielsweise Lasertag, im Sommer einen Ausflug zum Wasserski-Park in Hamm und sogar einen Zumbakurs. Hinzu kommen die überregionalen Events der Wirtschaftsjunioren, wie die Landeskonferenz im Mai in Dortmund oder die Bundeskonferenz im September in Heilbronn. Das ist es auch, was unsere Mitglieder bewegt, bei uns mitzumachen. Wir haben mittlerweile fast jede Woche eine Veranstaltung in den verschiedenen Kategorien, in denen man sich selbst einbringen und engagieren kann. Bei uns kann übrigens jeder Mitglied werden, der eine verantwortungsvolle Führungsposition hat oder hatte. Anfänglich als Gastmitglied, danach als ordentliches Mitglied (Alter jünger als 40) oder als Fördermitglied.

Gleichfalls gab es die „Junioren Mitte-Lenne“, die sich aber aufgelöst haben und nun bei Ihnen mitmachen, nicht wahr?

Ja, leider hat sich der Kreis aufgrund mangelnder Nachfolge auflösen müssen. Wir haben uns daher frühzeitig schon im letzten Jahr mit Fabian Schmidt (ehemaliger Vorsitzender des Kreises) zusammengesetzt, um deren interessierten Mitgliedern gemeinsam mit den Wirtschaftsjunioren Lüdenscheid weiterhin eine Plattform zur Mitarbeit anzubieten und somit weiterhin das Angebot der Wirtschaftsjunioren auch in der ehemaligen Region des Kreises Mitte-Lenne sicherzustellen. Nicht zuletzt habe ich als gebürtiger Altenaer auch ein persönliches Interesse, dass die Wirtschaftsjunioren auch weiterhin in Altena präsent sind.

Der Kreis Junger Unternehmer Iserlohn will junge Unternehmer fit für die Zukunft machen. Aber was bedeutet das konkret?

Ich nehme meinen Start mal als Beispiel. Ich habe den Kreis relativ schnell als „Kreis der Gleichgesinnten“ beschrieben. Wir sind alle in einer beruflichen Verantwortung und haben somit auch vergleichbare Herausforderungen, die man dann gut mit Gleichgesinnten reflektieren kann und auch mal andere Sichtweisen und Handlungsweisen besprechen kann. Ebenso gibt es unterschiedliche Formate, in denen man auch für seine persönliche Weiterentwicklung einiges lernen kann. Ich habe ebenso immer wieder verschiedene Gespräche mit anderen Mitgliedern, wo wir uns auch mal privat über Themen austauschen und man sich die Meinung der anderen Person zu einer Idee abholt. Insofern lernen wir viel voneinander und unterstützen uns gegenseitig.

Fachkräftemangel, Azubis nicht in Sicht: Muss der Unternehmer von heute eine Vier-Tage-Woche bieten, damit jemand kommt?

Ja und nein. Wenn es dazu führt, dass man so interessanter für potenzielle Azubis und Bewerber wird, kann das durchaus ein Mittel sein. Dem gegenüber stehen aber auch Branchen, in denen es einfach aufgrund der Tätigkeit nicht möglich ist, eine Vier-Tage-Woche umzusetzen. Ebenso stellt sich die Frage der Umsetzung. Werden die fünf Tage auf vier Tage verteilt? Ist es eine generelle Reduzierung der Stunden? Für unsere Azubis haben wir als Unternehmen auch die Verantwortung, unseren Lehrauftrag vernünftig umzusetzen. Können wir das überhaupt in der dann noch vorhandenen Zeit? Unsere Azubis sind beispielsweise auch noch eineinhalb Tage pro Woche in der Berufsschule, da wird die Zeit der Tätigkeit im Unternehmen schon sehr knapp. Für Fachkräfte selbst sehe ich das Thema aber durchaus als interessant an. Es lässt sich aber leider nicht pauschalisieren und hängt von der Branche, dem Unternehmen, der Altersstruktur und vielen weiteren Faktoren ab. Möglich ist es natürlich, aber am Ende darf die Produktivität der Unternehmung nicht darunter leiden und es muss – was leider in der heutigen Zeit oft vergessen wird – möglichst fair für alle Seiten sein.

Der KJU Iserlohn hat schon mehrmals das Wirtschaftsplanspiel „Beachmanager“ veranstaltet, bei dem Gymnasiasten in die Rolle eines Geschäftsführers schlüpfen. Mit solchen Veranstaltungen ist ihre Hoffnung, dass...

…wir junge Menschen schon in der Schule für das Thema Wirtschaft sensibilisieren und ihnen einen Einblick in die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens geben. Dies sieht der Lehrplan leider nicht vor. So können die Schüler verschiedene Tätigkeitsbereiche eines Unternehmens kennenlernen und frühzeitig potenzielle Berufswünsche betrachten oder überhaupt erst erkennen. Oftmals kriegen wir von den Schülern die Frage gestellt: Was macht man überhaupt in den jeweiligen Positionen? Wie sieht die Tätigkeit in der Buchhaltung aus? Was macht der Geschäftsführer in einem Unternehmen? Durch das Planspiel wollen wir diese Fragen beantworten und den Schülern eine Perspektive aufzeigen.

In den 90er-Jahren gründete der Kreis Junger Unternehmer Iserlohn den Kindergarten „Regenbogen“ als erste Kinderbetreuungseinrichtung, die von der mittelständischen Wirtschaft getragen wurde. Vor 30 Jahren innovativ. Und immer noch ein brandwichtiges Thema, oder?

Heute wie vor 30 Jahren ein wichtiges und immer noch viel zu vernachlässigtes Thema. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss weiterhin gefördert werden. Gleichzeitig müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Bedürfnisse der Arbeitnehmer, als auch Arbeitgeber zu berücksichtigen. Dazu zählen entsprechende Betreuungsangebote, aber auch die notwendige Flexibilität in alle Richtungen – sei es durch verlängerte Betreuungszeiten bis 19 Uhr oder sogar eine Betreuungsmöglichkeit am Samstag. Das würde übrigens auch in dem schon vorher angesprochenen Thema des Fachkräftemangels helfen, da viele Eltern gerne mehr oder überhaupt wieder arbeiten möchten, aktuell aber keine Möglichkeit für die entsprechende Betreuung der Kinder haben.

Das Thema Organspende ist mehr als wichtig. Es geht Ihnen darum, möglichst viele Menschen (und Wirtschaftsjunioren) zu erreichen und dafür zu sensibilisieren. Aber wie passt dieses Thema in den Aufgabenbereich des Kreises junger Unternehmer?

Durch einen tragischen Zufall eines KJU-Mitglieds. Unser Mitglied René ist im Jahr 2019 selbst in die Situation gekommen, eine Organspende zu benötigen. Es wurde leider deutlich, dass das Thema noch viel zu wenig verbreitet ist und man dort einfach mehr machen kann. Somit haben sich René Elsässer und Kathrin Troche dem Thema angenommen und unterstützen nunmehr seit vielen Jahren bei der Verbreitung des unheimlich wichtigen Themas über unseren Kreis hinaus. Ihr Appell: Trefft eine Entscheidung, egal welche. Eines ist absolut klar: Organspende kann Leben retten. Die persönliche Geschichte von René, aber auch viele weitere Informationen lassen sich übrigens auf der offiziellen Website der WJ-Organspende (www.wj-organspende.de) nachlesen.

Die Großveranstaltung „Tag der kleinen Forscher“ im Sauerlandpark in Hemer findet seit 2011 alle zwei Jahre statt und zählt als Leuchtturmprojekt des KJU. Die regionale Netzwerkstelle „Haus der kleinen Forscher“ wird ab diesem Jahr vom KJU Iserlohn koordiniert – was bedeutet das?

Seit November 2009 nahm der Kreis Junger Unternehmer Iserlohn – zeitweise gemeinsam mit der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) – die Arbeit als lokaler Netzwerkpartner auf und engagiert sich seither in Deutschlands größter Fortbildungsinitiative für Kita, Hort und Grundschule. Ab diesem Jahr 2023 haben wir uns dazu entschlossen, die Organisation für unser Kreisgebiet wieder komplett zu übernehmen und das Projekt zur Stärkung der frühkindlichen MINT-Bildung durch unsere Ressourcen ehrenamtlich zu unterstützen und voranzutreiben. Durch das Projekt wurden bislang rund 15 000 Jungen und Mädchen spielerisch an die Bereiche Naturwissenschaft, Mathematik, Informatik und Technik herangeführt. Dieses wichtige Bildungsangebot wollen wir für unsere Region nachhaltig sicherstellen. Inwieweit es auch wieder eine Großveranstaltung geben wird, müssen wir sehen.

Ich lese bei Ihnen: „Unser System der sozialen Marktwirtschaft basiert auf unternehmerischer Freiheit. Diese Freiheit ist gebunden an das Risiko, das wir als Unternehmer tragen und verbunden mit einer Verantwortung für die Gesellschaft.“ Für Arbeitnehmer verbreitet sich dagegen oft das Gefühl, dass es früher menschlicher zuging in Unternehmen, dass Zeitverträge heute normal sind, dass weniger verdient wird, dass die Mehrbelastung extrem ist. Ist dies alles aus der Luft gegriffen?

Schwierige Frage, die viel auf subjektiven Erfahrungen basiert. Daher würde eine komplett umfängliche Beantwortung definitiv den Rahmen sprengen, da es mehrere Sichtweisen gibt. Sicherlich hat sich aber die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren, besonders durch Covid, deutlich verändert. Sowohl die Geschwindigkeit, als auch die Komplexität bedingt durch neue Lösungen und Ansätze, führen zu einem Veränderungsprozess. Das bedeutet natürlich auch eine Veränderung von jedem Einzelnen, was gleichzeitig auch für Unternehmen eine extreme Herausforderung ist. Wir müssen alle unsere Komfortzone verlassen, um den Weg der Veränderung mitzugehen. Dass das nicht immer einfach ist und auch mal zu Reibungen führt, will ich gar nicht verleugnen. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass das viele neue Chancen bietet, und empfinde die Entwicklung der vergangenen Jahre daher eher als positiv, gerade für Arbeitnehmer. Am Ende leiden wir aber alle unter den Rahmenbedingungen (Brücke, Inflation, Kriegsfolgen, Energiepreise etc.) und sollten uns die Menschlichkeit als Unternehmen im Mittelstand bewahren, denn das ist die Basis für eine erfolgreiche Zukunft, trotz der Rahmenbedingungen.

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