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Ukrainerinnen: „Wir alle wollen nach Hause gehen“

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Von: Susanne Fischer-Bolz

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Olga links, Valja oben, in der Mitte Vlada. Sie haben in Sonja Hammerschmidt (rechts) eine Freundin gefunden.
Olga links, Valja oben, in der Mitte Vlada. Sie haben in Sonja Hammerschmidt (rechts) eine Freundin gefunden. © Privat

„Vor einem Jahr gab es Gerüchte, aber wir haben ihnen nicht geglaubt. Vorhersagen, Warnung. Wir haben es nicht geglaubt. Doch die Invasion begann, und dauert jetzt ein ganzes Jahr. Und wir können es immer noch nicht glauben.“ Anna Mukomela ist Ukrainerin. Für sie, ihre Freunde und all ihre Landsleute wird das Datum „24. Februar“ für immer ein furchtbares bleiben.

Nachrodt-Wiblingwerde – Mit ihren Freunden, die nach Nachrodt geflüchtet sind, erzählt sie über ihre Gefühle, Gedanken und Hoffnungen. Ein Jahr Krieg in der Ukraine. Und es scheint keine Lösung in Sicht. Kein Frieden. Der russische Angriffskrieg hat das Leben aller Ukrainer verändert. „Es war ein sehr schwieriges und tragisches Jahr für uns alle“, sagt Vlada Shylko, die mit ihren beiden Kindern Tymur (6) und Darina (2) an der Eichendorffstraße eine Zuflucht gefunden hat. Die Entscheidung, zu flüchten, fiel sehr spontan. „Es gab Panik, Angst und Unsicherheit, was morgen passieren würde. Es ging darum, das Leben der Kinder zu retten, sie zu schützen“, erzählt die junge Frau, die sechs Tage unterwegs war. „Alle versuchten massenhaft, das Land zu verlassen. Wir schliefen mit den Kindern, wo immer wir konnten, in Schulen, in Kindergärten.“

„Wir sind eine starke Nation“

In ihrem Bekanntenkreis gibt es viele Männer, „die jetzt an der Front stehen und unser Land verteidigen. Aber es gibt auch die, die vermisst werden. Auch, wenn wir hier in Sicherheit sind, haben wir ständig Angst um die Menschen, die in der Ukraine geblieben sind“, sagt Vlada. Sie hatte gehofft, ganz bald in die Heimat zurückkehren zu können. Stattdessen telefoniert sie täglich mit ihrem Mann, „die Kinder spielen mit ihm am Telefon, erzählen von ihrem Leben und fragen immer wieder: Papa, wann kommst du?“. Vlada Shylko fühlt sich müde, sagt: „Wir alle wollen nach Hause gehen.“ Aber dann blitzt ein Leuchten in ihren Augen und sie sagt kämpferisch: „Die Ukraine wird diesen Krieg definitiv gewinnen. Wir sind eine starke Nation, mutig, wir kämpfen für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder.“

Anna, Valja, ihr Vater und die vier Kinder.
Anna, Valja, ihr Vater und die vier Kinder. © Privat

„Echte Helden“

Während des Krieges hat jede Familie jemanden verloren, den sie kannte, „und das sind echte Helden“, findet Olga Kosturina, die mit ihren Kindern an der Bachstraße ein zweites Zuhause gefunden hat. Für sie sind die letzten Monate so, „als würde man die Zeit anhalten und sich ständig in einem Zustand des Wartens und großen Stresses befinden.“ Die Flucht erlebt sie in Gedanken immer wieder: „ein dunkler Bahnhof ohne Licht, ein überfüllter Zug und ich halte die Kinder an der Hand.“ Ihr Großvater starb und Olga konnte nicht zu seiner Beerdigung. Als sie das erste Mal in Nachrodt ihre Wohnung betrat, konnte sie nur weinen. „Es wird so viel für uns getan. Nachrodt ist ein erstaunlicher Ort mit sehr aufrichtigen Menschen. Der Dank für die Hilfe wird immer in unserem Herzen sein.“

Der Preis für den Sieg

Dass es seltsam und schwierig war, Hilfe anzunehmen, erzählt auch Anna Mukomela. „Aber das Wichtigste, was wir bekommen haben, ist das Verständnis. Die Menschen hier akzeptieren uns und unseren Schmerz. Wir sind alle sehr dankbar. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte. Und jede Geschichte tut weh. Jeden Tag sterben unschuldige Menschen. Wir erinnern uns an den Preis, der jeden Tag für unseren Sieg bezahlt wird. Und heute ehren wir diejenigen, die es nicht geschafft haben, diesen Krieg zu überleben.“ Anna Mukomela wird beim Friedensgebet sprechen, das am Freitag, 24. Februar, um 17 Uhr in St. Matthäus beginnt. Dort wird auch Bürgermeisterin Birgit Tupat eine Fürbitte lesen.

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