Ratsfraktionen: Lobhudelei und massive Kritik an Bund und Land

Nicht viel „Fleisch am Knochen“ könnte man angesichts der Haushaltsreden zur Verabschiedung des Zahlenwerks der Gemeinde formulieren, die im Rat von CDU, UWG, SPD und dem fraktionslosen Ratsherrn Aykut Aggül gehalten wurden.
Nachrodt-Wiblingwerde – Man bedankte sich vielmehr in den höchsten Tönen: „Auch im Hinblick auf wichtige Projekte und Beschlüsse in Ausschüssen und im Rat haben die Akteure, unabhängig von Partei oder Fraktion gemeinsam sowie ohne die Berücksichtigung eigener Präferenzen an einem Strang gezogen und somit den Fokus auf das Wohl unserer Gemeinde gelegt“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens-Philipp Olschewski, der zudem die ehrenamtlich engagierten Menschen als Stütze der Gemeinschaft in den Fokus rückte und auch über den Tellerrand schaute: „Der Ukraine-Krieg hat zudem noch einmal umso mehr ins Bewusstsein gerückt, dass Demokratie, Sicherheit und Freiheit wertvolle Güter sind, die verteidigt und bewacht werden müssen. So gilt: Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die unsere Freiheit hierzulande sowie weltweit verteidigen, gilt dabei höchste Anerkennung und ein herzlicher Dank.“

Ähnliches hörten die Ratsmitglieder in der „Schönen Aussicht“ auch vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Gerd Schröder, der zum Beispiel direkt Kämmerin Gabriele Balzukat ansprach: „Bei Betrachtung der Eckdaten dieses Haushalts wird deutlich, mit welcher Akribie Sie bei dessen Aufstellung vorgegangen sind.“ Auch Gerd Schröder sprach von einem enormen bürgerlichen Engagement. „Das gilt für die zahlreichen Vereine, Verbände, aber auch in nachbarschaftlichen Hilfen, sowie der gemeindlichen Feuerwehr. Wir werden nicht müde zu betonen, dass diese Hilfen unerlässlich sind und durch diese engagierten Menschen das Leben in unserer Gemeinde erst lebenswert wird.“
Das Miteinander hat eine neue Qualität
Übrigens: So viel Dank für die Arbeit der Verwaltung gab es in früheren Jahren nicht. Das Miteinander hat offenbar eine ganz andere Qualität bekommen, die auch Dirk Grote, stellvertretender Fraktionssprecher der UWG, in Vertretung der erkrankten Petra Triches verkündete: „Wir möchten uns ganz besonders für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Verwaltung mit den Fraktionen bedanken. Auch hier ist die Verwaltung jederzeit bereit, bei Fragen Auskunft zu geben und zu helfen.“ Das habe viele ausgiebige Beratungen in den einzelnen Ausschüssen überflüssig gemacht. Tatsächlich gab es so gut wie keine öffentlichen Beratungen, was für die Fraktionen sicher eine Arbeitserleichterung bedeutete, für die Bürger allerdings nach „stillem Kämmerlein“ anmutet. Auf Lobhudelei verzichtet Aykut Aggül, der allerdings auch den vielen Ehrenamtlichen dankte. Der fraktionslose Ratsherr Matthias Lohmann verzichtete zwar auf eine ausführliche Rede, meinte dann aber doch: „Wir haben noch nie über einen Haushalt mit so wenig Streit und Auseinandersetzungen beraten.“ Das sei der Kämmerei und auch der Tatsache zu verdanken, „dass wir uns mittlerweile sehr gut kennen.“
Interessante Aspekte
Beim genauen Hinhören hatte die Verabschiedung des Haushalts einige sehr interessante Aspekte. Alle Beteiligten kritisieren Land und Bund massiv. Gerd Schröder spricht von restriktiver und bürokratischer Praxis. „Die kleinliche Bewilligung von Investitionszuwendungen insbesondere des Landes muss ein Ende nehmen. Sehr deutlich wird diese Praxis am Beispiel der zugesagten finanziellen Zuwendung zur Beseitigung der Flutschäden vom Juli 2021, die bis heute nicht erfolgt ist.“ Dies bemängeln auch Jens-Philipp Olschewski („bürokratische Hürden und die Notwendigkeit der Vorleistung durch die Gemeinde“), Dirk Grote („Leider lassen uns die Bundes- und die Landesregierung im Stich. Viele Aufgaben werden auf die Kommunen übertragen und die müssen sehen, wie sie alles finanziert bekommen“) und Aykut Aggül („Die Hauptlast der Krise tragen wir vor Ort“).
Gesetzliche Krücken
Die Tatsache, dass der Haushalt als ausgeglichen gilt und von allen Ratsmitgliedern abgesegnet wurde, hat mit gesetzlichen „Krücken“ zu tun. „Die infolge der Pandemie entstandenen Kosten und die kriegsbedingten Kostensteigerungen werden über Jahrzehnte abgeschrieben. Diese Vorgehensweise verschleiert sicherlich die tatsächliche bilanzielle Situation“, so Gerd Schröder. Darauf ging auch Aykut Aggül ein: „Echte Hilfe für uns vor Ort kann nicht nur so aussehen, dass man im Rahmen eines Tricks die Schäden aus dem Haushalt isolieren kann, damit die Bilanz der Kommunen noch so gerade eben haushaltsrechtlich gedeckt ist.“ Dirk Grote stellte die Frage in den Raum: „Wie sollen wir 2026 mit den Kosten umgehen? Sollen wir die Summe auf 50 Jahre abschreiben und damit unsere Kinder und Enkelkinder belasten oder 2026 in den sauren Apfel beißen und mit dem gesamten Betrag den Haushalt belasten?“
Verkehrslage
Und sonst? Die CDU ging auf die enormen Belastungen aufgrund der Verkehrslage ein („wir können selbst nicht entscheidend eingreifen, da die Entscheidungen auf anderen Ebenen getroffen werden müssen“) und erwartet, dass der Fokus auf die Infrastruktur der Gemeinde gesetzt wird. Aykut Aggül mahnte den Klimaschutz an: „Bis heute habe ich keine einzige Vorlage zu Verbesserung des Klimaschutzes in Nachrodt-Wiblingwerde gelesen oder mitbekommen, dass etwas umgesetzt worden ist.“ Auf die Lennehalle blickt die UWG: „Es ist verständlich, dass die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde nicht nachvollziehen können, woher auf einmal Schäden dieser Art kommen und warum dafür keiner zur Rechenschaft gezogen wird. Wir sollten dranbleiben und das herauszufinden.“