„Spannenderweise hatte mein Hausarzt mehr Angst als ich“, sagt die Rennerderin. Und das war eigentlich auch kein Wunder: Denn Heidrun Mesenhöller war im Januar 2020 am Herzen operiert worden. Sie ist mit einem Herzklappenfehler zur Welt gekommen und musste 1972 das erste Mal operiert werden. Da war sie sechs Jahre alt. „Da wurde das Loch im Herzen geflickt.“ Zu ihrem Leben gehörte immer dazu, dass sie nicht so ausdauernd war wie andere, dass ihr öfter die Puste wegging. „Meinem Herzen geht es super, da ist alles prima.“ Doch die Vermutung ist, dass nach der zweiten Herz-OP das Immunsystem noch nicht so gut funktionierte, und Corona bei Heidrun Mesenhöller leichtes Spiel hatte. Ringsherum hatten alle Lieben viel Sorgen um die 56-Jährige. Nur sie selbst nicht. „Als ich wieder gesund war, bin ich wieder arbeiten gegangen.“ Lunge und Herz: alles top. Und dann begann das Trauerspiel.
Februar 2021: Heidrun Mesenhöller bekam plötzlich seltsame Symptome. Und genau diese hefteten sich an ihr Leben. Bis heute. „Die Füße kribbeln, als würde man auf heißem Pflaster laufen, und ich weiß nicht warum. Die Knie tun weh, obwohl ich gar nichts gemacht habe. Mir wird vor Schmerzen schlecht und ich bin völlig energielos“, erzählt Heidrun Mesenhöller. Schlimm auch: Sie kann sich nicht mehr konzentrieren. „Wenn mir der Chef etwas sagt und ich es nicht sofort mitschreibe, ist es weg.“
Was bleibt, ist die Traurigkeit, dass nichts mehr funktioniert, die Unzufriedenheit, dass die Symptome nicht weggehen: „Ich sehe gesund aus, aber dann sitze ich hier und kann nichts mehr“, beschreibt Heidrun Mesenhöller ihre Situation. „Mit Depressionen habe ich schon zu tun gehabt, weil es einfach so fürchterlich ist. Meine über 80-jährige Mutter macht für mich die Wäsche, kocht das Mittagessen. Da denkt man doch als die Jüngere, dass da was nicht stimmt.“
Im Mai diesen Jahres war sie zur Reha am Möhnesee – aufgrund der Covid-Langzeitfolgen und ihrer kardiologischen Lebensgeschichte. „Vom Herzen war alles in der Reha super, aber für Long-Covid gab es nichts. Da doktert man nur am Symptom. „Der Blutdruck ist gut, der Puls ist normal. Man sieht mir nichts an. Als ich gesagt habe: Ich habe heute so einen schlechten Tag, ich kann nichts. Da hat ein Therapeut mir geantwortet: ,Überdenken Sie ihre Aussagen.’“ Es ist so schwer zu erklären für Heidrun Mesenhöller, dass sie gesund aussieht, aber überhaupt nicht gesund ist. „Meine Familie sieht es mir an, wenn ich einen schlechten Tag habe. Alle anderen nicht.“ Drei Wochen Reha für die Katz. Gleichbleibende Probleme. Aber alle Untersuchungsergebnisse sind unauffällig.
Oftmals muss sie sich alle paar Schritte hinsetzen. „Manchmal traue ich mich gar nicht, loszugehen.“ Es gibt viele gute Ratschläge von Außenstehenden: Trink doch mehr Wasser. Versuche es doch mal mit Bewegung. „Würde ich gerne machen, aber wenn es doch nicht geht!“ Schlimm für Heidrun Mesenhöller ist besonders, dass der Moment, in dem es ihr wieder richtig schlecht geht, nicht abzusehen ist. „Als würde jemand einen Stecker ziehen. Dann bin ich nur noch damit beschäftigt, zu existieren“, versucht die junge Frau zu erklären, was kaum zu erklären ist. Leute, die sie besser kennen, wissen: „Wenn ich weniger rede, geht es mir schlecht.“
Vor drei Wochen erwischte Heidrun Mesenhöller zum zweiten Mal eine Covid-Infektion. „Ich habe keine Ahnung, wo ich mir das eingefangen habe.“ Und wieder ging das Spiel von vorne, dieses Mal nicht so heftig. „Da hatte ich richtig schlimme Halsschmerzen. Sie ist froh, dass sie geimpft ist, glaubt sicher, dass sonst noch alles schlimmer gekommen wäre.
Vor und nach der Reha hat Heidrun Mesenhöller versucht, wieder arbeiten zu gehen. Und auch jetzt will sie es wieder wagen. „Aber es ist einfach so, dass ich manchmal nicht viel schaffe. Mein Chef ist insgesamt sehr geduldig, aber natürlich ist das auch für ihn schwierig“, weiß Heidrun Mesenhöller, dass es auf Dauer nicht so weitergehen kann. „Was hat er von einer Mitarbeiterin, die manchmal nur anwesend ist? Es ist so frustrierend. Man fühlt sich so unzulänglich“, sagt die Rennerderin. Sie wartet darauf, dass alles „irgendwann weg ist.“ Die Hoffnung ist etwas, was sie momentan über Wasser hält. Eine Berufsunfähigkeit oder eine Schwerbehinderung folgt? „Bitte nicht. Manchmal werden die Abstände, wo ich etwas schaffe, auch mehr“, will sie nicht aufgeben, an ein gutes Ende zu glauben.