Was ihr der anonyme Schreiber entfernen will, geht deutlich ans Eingemachte und unter die Gürtellinie. Wie die gesamte Post, augenscheinlich am PC getippt. Birgit Tupat hat Strafanzeige gestellt.
Und sie ist entsetzt. „Im ersten Moment musste ich wirklich schlucken. Das ist schon ein komisches Gefühl“, sagt die Bürgermeisterin. Sie hat sich zwar schon das eine oder andere Mal mit anonymem Unmut auseinandersetzen müssen, aber nicht mit Hass, Hetze und Bedrohungen. Die Strafanzeige ist gestellt. Die Polizei hat den Vorgang an den Staatsschutz weitergeleitet.
„Ich würde mich gern mal mit solchen Leuten persönlich unterhalten, die denken, dass das notwendig ist“, sagt Birgit Tupat. Doch sie glaubt auch: „Die wollen gar nicht diskutieren. Da fehlt der Mut. Die haben ihre Meinung und fertig.“
In harmloser, wenn auch beleidigender Form hat die Bürgermeisterin „auf sozialen Netzwerken“ bereits einiges erleben müssen. „Die Bürgermeisterin ist zu blöd, eine Brücke zu zeichnen, die dann genehmigt wird.“ Doch wegen Coronamaßnahmen oder ihren Einsatz für Flüchtlinge gab es im beschaulichen Nachrodt-Wiblingwerde bislang keine Angriffe.
Der Staatsschutz ermittelt, weil es eine politisch motivierte Straftat ist, lässt sich aber nicht in die Karten gucken, wie eine solche Ermittlung nun aussieht. Aber ungewöhnlich ist der Vorfall augenscheinlich nicht. Dass Bürgermeister und Kommunalpolitiker bedroht werden, „kommt immer mal wieder vor“, sagt Tino Schäfer, Leiter der Pressestelle der Polizei in Hagen. Er nennt allerdings weder Zahlen noch berichtet er davon, wie viele Betroffene Polizeischutz bekommen. In der Kriminalstatistik gibt es zudem keinen Unterpunkt „Aufklärungsquote bei Straftaten gegen Politiker und Bürgermeister.“ Die Polizei, so sagt Tino Schäfer, „steht mit den Betroffenen in Kontakt. Und jeder Fall muss individuell betrachtet werden.“ Der richtige Weg sei auf jeden Fall, die Polizei zu informieren und nicht, solch eine Post in den Papierkorb zu werfen,
Dass Birgit Tupat ihren Einsatz für die Flüchtlinge, die gerade aus der Ukraine in die Gemeinde kommen, aufgrund von Bedrohungen stoppen oder aussetzen würde, „ist natürlich Unsinn“, so die Bürgermeisterin.
Die Bedrohung von Kommunalpolitikern und Bürgermeister durch rechte und andere Extremisten wächst sich in Deutschland zu einem flächendeckenden Problem aus. Eine Umfrage für „Report München“, an der sich mehr als 1000 Bürgermeister beteiligten, ergab, dass mehr als 40 Prozent der kommunalen Verwaltungen Erfahrungen mit Hassmails, Einschüchterungsversuchen oder anderen Übergriffen gemacht haben. Bereits ab 2015 hatte es im Zuge der Aufnahme von Geflüchteten und kommunaler Anstrengungen zu ihrer Aufnahme und Integration eine Welle von Hassangriffen auf Kommunalpolitiker/innen gegeben: Einer der ersten bundesweit beachteten Fälle war der Rücktritt des Tröglitzer Bürgermeisters Markus Nierth 2015. Er trat nach Hass-Botschaften gegen seine Familie zurück.
Die Nachrodt-Wiblingwerder waren so hilfsbereit und großzügig, dass der Vorraum der Lennehalle aus allen Nähten Platz und erst einmal die Spenden für die Ukraine-Flüchtlinge auf die Wohnungen verteilt werden.