Die Walzwerke bezifferten die Schäden, auch durch den anschließenden Produktionsstillstand, auf 191 000 Euro und machten diese Summe gegenüber der Reinigungsfirma geltend. Diese habe trotz entsprechender Belehrung das alkalische Lösungsmittel eingesetzt und die Reaktion dadurch ausgelöst.
Frühere Zeugenvernehmungen im Landgericht, in denen es um die Absprachen vor der Reinigungsaktion ging, ergaben ein unübersichtliches Bild: Einerseits behauptete der Sicherheitsbeauftragte der Walzwerke, dass er auf die Gefahren der wartungsbedingt entleerten Tanks hingewiesen hatte, in denen sich noch Reste der hochreaktiven Flüssigkeiten befanden.
Andererseits räumte er ein, dass er gar nicht auf die Idee gekommen war, dass die beiden Reinigungskräfte an diesem problematischen Ort etwas Anderes einsetzen könnten als einen Hochdruckreiniger und Wasser.
„Ich bin davon ausgegangen, dass die Männer das mit Wasser machen und hielt es für überflüssig darauf hinzuweisen, dass nur mit Wasser gereinigt werden darf.“ Die Position der Walzwerke lautete: Ihre Mitarbeiter hätten ihre Aufklärungspflichten erfüllt. Außerdem habe die Reinigungsfirma ihre Arbeiten „so auszuführen, dass nichts beschädigt wird“. Die Anwälte der Reinigungsfirma betonen hingegen immer wieder, dass deren Mitarbeiter eben nicht ausdrücklich vor dem Einsatz alkalischer Lösungsmittel gewarnt worden seien.
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. Rainer Fülling aus Remscheid erläuterte nun sein schriftliches Gutachten. Eine besondere Rolle bei der Beurteilung des Falls spielt eine „Industrienorm für den Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme“ (DIN EN ISO 12944-4), auf die in der Ausschreibung für die Reinigungsarbeiten Bezug genommen wurde. Diese schließe den Einsatz alkalischer Lösungsmittel keineswegs aus – diese seien vielmehr „Standard“, erklärte der Gutachter.
Er machte deutlich, dass das auf den Trägern abgelagerte Material keinesfalls nur mit Wasser zu entfernen war. Eisensalze sowie fett- und ölartige Stoffe aus der Beschichtung der Träger hätten sich durch Eintrocknung zu „großen Aggregaten“ verbunden, die nur durch zusätzliche Lösungsmittel beseitigt werden konnten. Es sei „weltfremd“ anzunehmen, dass sich auf den Stahlträgern nur wasserlösliche Salze befunden hätten.
„Den Reiniger wegzulassen und nur Wasser und einen Dampfstrahler einzusetzen, wäre nicht fachgerecht gewesen.“ Der Gutachter betonte auch, dass die DIN-Norm für die Ausführung solcher Arbeiten keine Aussagen darüber mache, „wie gefährlich dieses Verfahren in einer bestimmten Umgebung (voller Gefahrstoffe) ist“.
Der Experte mit dem Etikett „Handelschemiker“ hatte auch eine dezidierte Meinung darüber, wer auf diese Risiken hätte achten müssen: Das sei „die Aufgabe einer Sicherheitsfachkraft“: „Da hätte jemand sagen müssen: So darf nicht gehandelt werden.“ Er fragte: „Hat es Hinweise gegeben, dass das gefährlich ist? Dann wäre die Reinigung hinfällig geworden.“
Die Frage, ob es entsprechende Hinweise gegeben hatte, wird immer mehr zur entscheidenden. Sollten die Mitarbeiter der Reinigungsfirma trotz nachdrücklich vorgetragener Warnhinweise das alkalische Lösungsmittel eingesetzt haben? Die Beklagten bestreiten eine nachdrückliche Aufklärung über die Gefahren. Die Vertreter der Walzwerke behaupten das Gegenteil.
Mal angenommen, es hätte keine nachdrückliche Belehrung gegeben: Hätten die Reinigungskräfte ihre Auftraggeber ihrerseits darüber informieren müssen, dass die alkalischen Lösungsmittel, die sie einsetzen müssen, um einen Reinigungserfolg zu erzielen, ein gewisses Risiko in einem Gefahrenbereich darstellen? Hätten sie ahnen müssen, dass ein solches Unglück drohte?
War das absehbar? Die Explosion scheint aus einer Gemengelage von Versäumnissen beider Parteien entstanden zu sein: „Der Eine hat es nicht angezeigt, und der Andere hat es nicht präventiv ausgeschlossen“, führte Handelsrichter Dr. Robert Hofmann in den Stand der Dinge ein.
Da es voraussichtlich keinen Vergleich zwischen den Prozessparteien geben wird, muss letztlich der Richter ein Urteil sprechen. Schon in seiner Begrüßung bei der jüngsten Sitzung sprach er von einem „spannenden Fall“. Nach dem mündlichen Gutachten stellte er fest, „dass ein Prozess immer lebendig ist“.