Verdacht auf Wolfsriss: Berater entnimmt DNA-Proben an totem Damwild
Hat ein Wolf in Herscheid ein Stück Damwild gerissen? Das Tier hatte Bissspuren links und rechts der Kehle. Ein DNA-Test soll den mutmaßlichen Wolfsriss bestätigen.
Herscheid - Zwei tote Wildtiere riefen am Sonntag (16. April) Mitglieder des Herscheider Hegerings und einen ehrenamtlichen Wolfsberater auf den Plan. Während bei einem Tier der Fundort – unweit der Gemeinschaftshalle – und die Art der Verletzungen Fragen aufwirft, lassen die Bissspuren bei dem im Wald bei Hohl entdeckten Stück Damwild Rückschlüsse auf einen Wolfsriss zu. Eine offizielle Bestätigung gibt es allerdings noch nicht; die Auswertung der entnommenen Proben dürfte Wochen dauern.
Verdacht auf Wolfsriss in Hescheid: Berater entnimmt DNA-Proben an totem Damwild
Die erste Entdeckung machten Passanten am Sonntagvormittag im Bereich Hohl. Sie informierten direkt Jäger Eberhard Kaufmann, der nur wenige 100 Meter entfernt wohnt. Er fand im Bereich des ehemaligen und inzwischen stillgelegten Skiliftes das offensichtlich getötete Stück Damwild. Unter anderem die Kampfspuren und Bissspuren links und rechts der Kehle des Tieres seien Anzeichen dafür, dass ein Wolf der Verursacher gewesen sein könnte. Deswegen schaltete Kaufmann das beim Landesamt für Natur- Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) eingerichtete Wolfsmanagement ein.
Aus Nachrodt fuhr ein ehrenamtlicher Wolfsberater nach Herscheid. Dieser entnahm vor Ort mehrere DNA-Proben und untersuchte den Fundort. Noch während dieser Arbeiten erhielt Eberhard Kaufmann einen Anruf, dass ein zweites totes Stück Damwild in Herscheid entdeckt wurde.
Weiterer Fund: Totes Tier gibt Rätsel auf
Gemeldet worden war dieses von Herbert Hüttebräucker. Der Herscheider wohnt nur wenige Meter von der Gemeinschaftshalle entfernt, an der Räriner Straße. Aufgrund der Nähe zu Wald und Wiesen kann er von dort aus regelmäßig Wildtiere beobachten. Doch der Fund in seinem Garten, in der Nähe zum Nachbargrundstück, war außergewöhnlich.
„Ich wusste zunächst gar nicht, wie ich mich richtig verhalten sollte – wann findet man schon ein totes Stück Damwild im eigenen Garten“, berichtet der Herscheider. Seine Entscheidung, die Polizei anzurufen, erwies sich als richtig. Denn diese leitete die weiteren Schritte ein und benachrichtigte umgehend den heimischen Hegering.
Einmal vor Ort, zeigte Eberhard Kaufmann dem Wolfsberater auch das Tier an der Räriner Straße. Dieses wies deutliche Unterschiede zu dem vom Hohl auf: Zwar war es auch verletzt, insbesondere im Bereich des Hinterteils. Jedoch konnten vor Ort nicht eindeutig Bissspuren identifiziert werden.
Das Tier sei noch nicht ganz ausgekühlt gewesen. Ein Wolfsangriff sei im Bereich des Möglichen. Genau so gut könne es sein, dass das Tier in Panik vor dem Raubtier geflohen sei und sich dabei verletzt haben könnte. Denkbar sei aber auch eine andere Ursache – beispielsweise der Mensch. Die nahegelgene Landstraße 561 sei ein Schwerpunkt für Wildunfälle im Gemeindegebiet, gibt Eberhard Kaufmann zu bedenken: „Das kommt nicht selten vor.“ Eine Prognose will er deshalb weder für das verendete Tier von der Räriner Straße, noch vom einstigen Skilift Hohl abgeben.
Wolfsriss auch in Plettenberg? Untersuchungsergebnisse stehen aus
Stattdessen verweist er auf die entnommenen DNA-Proben, die in einem Fachlabor ausgewertet werden sollen. Erfahrungsgemäß werde es allerdings einige Wochen dauern, bis die Ergebnisse vorliegen und das Lanuv diese veröffentlicht. So wartet Kaufmann noch auf Ergebnisse eines möglichen Wolfsrisses, der Anfang Februar im Bereich Schönebecke gemeldet worden war. Im benachbarten Plettenberg wurde zuletzt Anfang April ein Wolfsriss gemeldet; auch dafür stehen die Untersuchungsergebnisse noch aus.
Ungeachtet dieser Vorfälle steht für Eberhard Kaufmann außer Frage, dass der Wolf bereits seit längerer Zeit großen Einfluss auf das Wild in den heimischen Wäldern hat. Beispielhaft erzählt er von einem großen Rudel Damwild, das nahezu täglich im Bereich Hohl zu sehen ist. Am Donnerstag habe ihm eine befreundete Jägerin mitgeteilt, mehr als 100 dieser Tiere nahe Marlin entdeckt zu haben. Ob diese in der Gruppe vor einem Wolf geflüchtet waren?
Bei aller Emotion, die die Präsenz des Raubtieres in den heimischen Wäldern auslöst, raten die Jäger zu einer sachlichen Diskussion. Die Ansiedlung des Wolfes sei politischer Wille gewesen, nun müsse man die weiteren Entwicklungen genau verfolgen. Genau deshalb will Eberhard Kaufmann erst auf die Ergebnisse der Proben von Sonntag warten, ehe er daraus Schlüsse zieht.
Geschulte und erfahrene Personen: So erfolgt die Verfolgung von Wolfshinweisen in Nordrhein-Westfalen
Das Land NRW verfügt über ein gut ausgebautes Netz regionaler Wolfsberater. Mittlerweile stehen mehr als 70 Ansprechpersonen dafür zur Verfügung. Wolfsberater arbeiten ehrenamtlich; sie sind erster Ansprechpartner für die Dokumentation von Wolfssichtungen und werden zu Rate gezogen, wenn Nutztiere verletzt oder gerissen wurden und der Verursacher festgestellt werden muss. Im Rahmen des Wolfsmonitorings nehmen sie die Funktion der „geschulten Personen“ wahr. Diese werden ausgebildet, um einheitliche Dokumentationen der Wolfshinweise zu erstellen, die von „erfahrenen Personen“ im Landesumweltamt bewertet werden können. Ein Wolfsberater wird vor Ort nicht sagen können, ob es sich bei dem Hinweis um einen Wolfsnachweis handelt: Er sichert sämtliche relevante Spuren, die den Experten im Landesumweltamt beziehungsweise im Senckenberg Forschungsinstitut Gelnhausen eine abschließende Bewertung ermöglichen. Bei Nutztierschäden ist es wichtig, innerhalb von 24 Stunden eine Probenahme für die genetische Auswertung zu sichern. Betroffenen Tierhaltern wird daher empfohlen, sich unmittelbar nach dem Auffinden offenbar gerissener oder durch einen Beutegreifer verletzter Tiere an das Landesumweltamt zu wenden. Quelle: www.wolf.nrw.de
Gleich zwei Rotwild-Kadaver wurden im November 2022 an der Fürwiggetalsperre in Meinerzhagen von Spaziergängern entdeckt. Monate später war das Ergebnis da: Die Tiere wurden von einem Wolf gerissen.