Warum für Eurofighter-Piloten Top-Gun-Manöver über dem Sauerland tabu sind
Am Freitag zuckten kurz vor der Mittagszeit viele Herscheider und einige Lüdenscheider zusammen, als zwei Kampfjets über das Sauerland donnerten.
Herscheid/Lüdenscheid - Gerade in einer Zeit, in der nur gut eine Jet-Flugstunde von der idyllischen Ebbegemeinde entfernt in Charkow und Mariupol Bomben auf Häuser und Schulen abgeworfen werden, ist die Bevölkerung sensibler geworden, was im Luftraum passiert.
Auf Nachfrage beim Luftfahrtbundesamt gab ein Sprecher folgende Auskunft: „Die Auswertung der Radardaten vom 6. Mai 2022 zeigt um 11.38 Uhr Ortszeit zwei Kampfflugzeuge der Bundeswehr vom Typ Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 31 ,Boelcke‘ in Nörvenich.“

Kampfjets waren unbewaffnet
Die beiden unbewaffneten und je elf Tonnen schweren Kampfjets, die knapp 2.500 km/h, also zweieinhalbfache Überschallgeschwindigkeit fliegen können, seien nach einer Übung im Weserraum auf dem Weg nach Nörvenich (bei Düren) mit einer Entfernung von 0,4 Nautischen Meilen (Anm. d. Redaktion etwa 750 Meter) nordwestlich an Herscheid vorbeigeflogen. „Nach den uns vorliegenden Daten fanden die Flüge regelkonform und unter Beachtung der geltenden flugbetrieblichen Bestimmungen statt“, betonte der Sprecher abschließend.
Flugstunde kostet 70 000 Euro
Dabei flogen die Kampfjets mit einer Geschwindigkeit von knapp 700 km/h, also sozusagen im kerosinsparenden Schongang, über Herscheid und Teile des Lüdenscheider Stadtgebietes. Wie ein Sprecher der Luftwaffe auf Anfrage unserer Zeitung betonte, kostet eine Flugstunde Eurofighter im Schnitt 70.000 Euro bei einem Verbrauch von rund 4800 Kilogramm Kerosin pro Stunde (80 kg pro Minute) bei maximalem Schub. Mit zugeschaltetem Nachbrenner wird der Verbrauch auf rund 250 kg pro Minute erhöht.

Rückflug vom reservierten Luftraum an der Weser
Im Einsatz waren die Kampfjets aus Nörvenich zuvor bei einer Übung in der TRA-Weser. TRA steht für Temporary Reserved Airspace – also ein reservierter Luftraum. Wie der Sprecher des Luftfahrtbundesamtes betonte, buchen sich die taktischen Luftwaffengeschwader für eine festgelegte Zeit in dem Luftraum ein und können dort in vorgegebenen Höhen Flugmanöver absolvieren, die über Lüdenscheid oder Herscheid undenkbar seien.

Insgesamt vier solcher TRA-Zonen gibt es im Bundesgebiet, was für die Anwohner dort zum Teil mit erheblichen Lärmbelästigungen verbunden ist.
Beim Rückflug zur Basis haben die Piloten vorgegebene Flughöhen und auch die Geschwindigkeit ist reglementiert. „Ein Überschallflug muss angemeldet werden“, betonte der Sprecher des Luftfahrtbundesamtes. Falls die beiden Kampfjets also in sehr geringer Höhe und mit Überschallgeschwindigkeit und dem damit verbundenen Knall über das Sauerland gedonnert wären, hätte jeder erschrockene Herscheider oder Lüdenscheider unter der kostenfreien Rufnummer 0800 8620730 eine Meldung beim Luftfahrtamt der Bundeswehr abgeben können.

Flüge werden ausgewertet
Bei einer konkreten Beschwerde werte das Luftfahrtbundesamt dann die Flüge aus. „Wir sehen die Flugspur und können anhand der Radardaten in Echtzeit die genaue Flugbewegung nachvollziehen“, sagte der Sprecher der in Köln-Wahn sitzenden Behörde, die damit Möchtegern-Mavericks das Leben schwer macht. Nur zum Spaß wird also kein deutscher Bundeswehrpilot versuchen, Szenen aus Top-Gun nachzufliegen, wenn ihm sein mühsam erworbener Pilotenschein wichtig ist.
Mit anderen Kampfpiloten messen können sich die Bundeswehrpiloten aber dennoch bei Luftraumübungen mit den Namen Red Flag, Green Flag, Frisian Flag oder Red-Flag. Bei diesen zum Teil internationalen Großübungen werden offensive und defensive Lufteinsätze trainiert - beispielsweise über der Wüste Negev in Israel. Und dabei kommen gerne auch russische Kampfflugzeuge wie die MiG 29 zum Einsatz. Dieser russische Kampfjet wurde 1990 von der aufgelösten DDR übernommen, wodurch einige Maschinen beim damaligen Jagdgeschwader 73 in Rostock/Laage landeten und danach stark gefragt waren, um bei Übungen die Rolle des Aggressors zu übernehmen. Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat die Luftraumüberwachung nun eine noch größere Rolle eingenommen.

US-Kernwaffen befanden sich in Nörvenich
Der Fliegerhorst Nörvenich, auf dem 34 Eurofighter stationiert sind, besaß zeitweilig einen inneren Sperrbereich, der nur von US-Soldaten betreten werden durfte. Dort wurden US-Kernwaffen und die dazugehörigen Trägersysteme (u.a. Pershing-Raketen) gelagert. Laut Wikipedia wurden 20 Kernwaffen 1995 auf die Ramstein Air Base verlagert. Der innere Sperrbereich mit hohen Wachtürmen ist noch heute von außerhalb zu sehen.
Laut Bundeswehr ist das Taktische Luftwaffengeschwader 31 „Boelcke“ eins von vier Eurofighter-Geschwadern. Das Geschwader ist in der Lage, temporär die Luftraumüberwachung zu übernehmen, falls dies nicht an den Standorten Wittmund oder Neuburg möglich ist, um den deutschen Luftraum zu sichern. Diese Bereitschaft dient sowohl als Beitrag zur integrierten NATO-Luftverteidigung, als auch zur Sicherheit des deutschen Luftraums als Dauereinsatzaufgabe der Luftwaffe im Frieden.
Erst vor wenigen Wochen waren Kampfjets im MK gesichtet worden. Damals überquerten die Eurofighter die Region an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.