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„Wer den Feind hört…“: Volksempfänger im Spieker zu sehen

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Von: Nina Scholle

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Der Volksempfänger (2. von rechts) war eines der erfolgreichsten Propaganda-Mittel der Nationsozialisten. „Feindsender“ damit zu hören, war unter strengsten Strafen verboten.
Der Volksempfänger (2. von rechts) war eines der erfolgreichsten Propaganda-Mittel der Nationsozialisten. „Feindsender“ damit zu hören, war unter strengsten Strafen verboten. © Privat

Radio- und Musik-Geschichte hautnah – vor allem das konnten die Besucher des Spiekers am Sonntag erleben. Obwohl das Herscheider Heimathaus mit zwei Stunden am Sonntagmittag nur relativ kurz geöffnet war, zog es doch einige Besucher ins Herscheider Herzstück. Es sei „erstaunlich, wie viele Leute gekommen sind“, sagte Winfried Junker vom Geschichts- und Heimatverein. Besonders wegen des herrlichen Frühlingswetters habe man im Vorfeld befürchtet, dass die Besucher fernbleiben würden – doch das Gegenteil war der Fall.

Herscheid - Neben den ständigen Exponaten gab es im obersten Stockwerk eine Sonderausstellung. Präsentiert wurden alte Radios, Plattenspieler, Tonträger und Grammophone. Aus Zeitmangel habe man die Geräte vor dem Aufbau leider nicht auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen können, erklärte Junker. Doch zumindest auf dem Parlophon, eines der ersten Grammophone um 1910, drehte sich eine Schallplatte: Fantasie aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Eduard Mörike.

Die meisten der ausgestellten Radios stammten aus den 50-er und 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „Das kennt man noch, als man Kind war“, sagte eine Besucherin; wie beispielsweise das „Grundig Musikgerät 2320“ von 1962-1964 oder die „Graetz Sinfonia 522“ von 1957-1959. Unbekannter waren hingegen die Vorkriegsmodelle. Der „Imperial W48“ der Strassfurter Licht- und Kraftwerke AG von 1937/1938 sei damals in der Anschaffung „richtig teuer“ gewesen erzählte Rolf Weth.

Das „Owin Radio Type E133“ war eines der kleinsten, allerdings das wertvollste Exponat der Spieker-Ausstellung.
Das „Owin Radio Type E133“ war eines der kleinsten, allerdings das wertvollste Exponat der Spieker-Ausstellung. © Privat

Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker hatte nur durch Zufall von der Sonderausstellung im Spieker erfahren und es sich nicht nehmen lassen, vorbeizuschauen. „Ich hab es ja nicht weit, da guckt man natürlich“, so Weth. Als Sammler alter Radios konnte er den Besuchern dies und das über die Exponate erzählen und zeigte Interessierten zudem Fotos seiner eigenen Kostbarkeiten.

Verglichen mit dem Imperial war der „Volksempfänger“, ein relativ unscheinbares Gerät mit schwarzem Bakelit-Gehäuse, ein wahres Schnäppchen – und das nicht ohne Grund. Alle sollten Radio hören können, berichtete Weth. Damit war es eines der wichtigsten Instrumente der NS-Propaganda. „Die Modellnummer VE301 steht für den 30. Januar, den Tag der ;Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten“, stand auf einem Informationsblatt, das vor dem Gerät lag. Weiter hieß es dort: „Jedes Gerät hatte bei Neukauf am Drehknopf ein Hinweisschild: ‚Wer den Feind hört, wird mit Zuchthaft bestraft, wer abgehörte Nachrichten weiterverbreitet, wird hingerichtet!’“

Obwohl verhältnismäßig unauffällig, war das „Owin Radio Type E133“ das wertvollste Exponat der Ausstellung. „Das ist schon was wert“, wusste Fachmann Weth zu berichten und war der Ansicht: „Das müsste man normalerweise wegschließen“. Bei dem kleinen Gerät handelte es sich um eines der ältesten Radios, von Ende der 1920er Jahre. Allerdings wies Weth auf die Unvollständigkeit hin: So fehlte zum Beispiel der Heizakku. Beeindruckt waren die Besucher des Spiekers dennoch: „Das sind ja richtig schöne Geräte hier“, schwärmte ein Herr.

Neben den technischen Geräten wurde im Spieker auch Handarbeit präsentiert. Obwohl Anne Walter und Katharina Vollmerhaus schon oft ihr Können im Spieker vorgeführt hatten, war es auch an diesem Sonntag für viele eine Freude, ihnen zuzuschauen und mehr über das Handwerk zu erfahren. Walter spann nicht nur Wolle zu Garn, sondern berichtete auch über die verschiedenen Möglichkeiten des Einfärbens der Wolle mittels natürlicher Farbstoffe.

Anne Walter und Katharina Vollmerhaus zeigten unter anderem, wie man tundelt.
Anne Walter und Katharina Vollmerhaus zeigten unter anderem, wie man tundelt. © SCHOLLE

Wenn Katharina Vollmerhaus nicht gerade am Webstuhl saß, tundelte sie mit interessierten Besuchern. Beim „tundeln“ handelt es sich um eine historische Flechttechnik, mit der Schnüre, Bänder und Kordeln hergestellt wurden. Obwohl es simpel scheint, mussten sich die Tundel-Novizen doch sehr konzentrieren, um nicht aus dem Rhythmus zu geraten. Doch Vollmerhaus beruhigte: „Wenn man mal falsch wirft, würde das auch nur einen Knick im Muster geben.“ Unter Umständen sei eine verkehrte Abfolge sogar gewünscht, wenn beispielsweise ein Knopfloch entstehen soll.

„Früher“, so erzählte Vollmerhaus weiter, „haben die Kinder dabei gesungen. Alle zwei- und viertaktigen Lieder gehen“. Am Ende konnten sich die Besucher über ein selbstgetundeltes Armband freuen.

Nächste Öffnung: Die nächste Spieker-Öffnung ist für den 27. Mai in der Zeit von 15 bis 17 Uhr geplant.

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