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„Müssen deutlich mehr tun“: Kritik an Klimapolitik der Ampel

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Von: Nina Scholle

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Das Heizungsgesetz erhitzt die Gemüter - auch beim Gesprächsabend der CDU in Schürmanns Landgasthaus.
Das Heizungsgesetz erhitzt die Gemüter - auch beim Gesprächsabend der CDU in Schürmanns Landgasthaus. © Hauke-Christian Dittrich / DPA

Es ist ein Thema, das die Gemüter derzeit immens bewegt und entsprechend hitzig diskutiert wird: das mögliche Verbot für den Einbau von Öl- und Gasheizungen ab 2024. Laut Gesetzentwurf sei dies ein „zentraler Schritt“ damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, wozu es sich gesetzlich verpflichtet hat. Doch bei den Bürgern wirft dieses mögliche Verbot viele Fragen auf: Was, wenn meine bestehende Ölheizung kaputtgeht? Welcher Heizungstyp kommt bei einer Erneuerung für mich überhaupt infrage? Wie steht es um den Netzausbau, wenn der Strombedarf plötzlich steigt?

Herscheid - Die CDU Herscheid wollte etwas Licht ins Dunkel bringen und hatte dazu am Freitagabend zu einer Diskussionsrunde in das Landgasthaus Schürmann eingeladen. Als Gesprächspartner stand Volker Neumann, Vorstandsmitglied der Südwestfalen Energie- und Wasser AG (Enervie) und der Mark-E-Aktiengesellschaft sowie Geschäftsführer der Stadtwerke Lüdenscheid GmbH und der Bäderbetriebe Lüdenscheid GmbH, den Bürgern Rede und Antwort. Der Gesetzentwurf werfe viele Fragen auf, so Thomas Hartung, Vorsitzender der CDU Herscheid. „Alle werden wir heute sicher nicht beantworten können“, eben weil es sich bisher nur um einen Gesetzesentwurf handle und noch nichts fix sei. Doch die große Zahl der erschienenen Bürger „zeigt, dass es Redebedarf gibt“, so Hartung.

„Das Thema bewegt uns alle“, eröffnete Volker Neumann die Diskussionsrunde und stellte gleich zu Beginn klar, nicht der Sprecher von Robert Habeck zu sein. Denn letztendlich ergehe es den Energiedienstleistern nicht anders als den Bürgern: Ihnen wird ein Gesetz beziehungsweise dessen Entwurf, präsentiert und sie müssten sehen, wie sie damit umgehen. Damit war auch gleich die Schwachstelle des Diskussionsabends ausgemacht: Eine wirkliche Diskussion kam nicht zustande, vielmehr herrschte die einhellige Meinung, dass zwischen der von der Bundesregierung erdachten Theorie und der Praxis Differenzen bestünden, für die es bisher noch keine Lösungen gebe. „Es wird nicht bis zum Ende gedacht“, sagte beispielsweise ein anwesender Bürger.

Die Diskussionsrunde war am Freitag gut besucht. Diskutiert wurde indes weniger: Es herrschte Einigkeit, dass bei den Heizungsplänen Theorie und Praxis auseinanderklaffen.
Die Diskussionsrunde war am Freitag gut besucht. Diskutiert wurde indes weniger: Es herrschte Einigkeit, dass bei den Heizungsplänen Theorie und Praxis auseinanderklaffen. © Agentur

Volker Neumann versuchte sich derweil als Vermittler, indem er aufzeigte, wie der „Status quo“ sei und welche Herausforderungen es bezüglich der „Mammutaufgabe Energiewende“ zu meistern gelte.

„Uns geht es darum, dass wir eine Versorgungssicherheit herstellen“, sagte Neumann. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine habe sich die Situation verschärft; im vergangenen Winter habe man Glück gehabt, dass dieser verhältnismäßig warm gewesen sei. „Das hat uns echt den Arsch gerettet“. Doch Neumann mahnte: Man sei noch nicht über dem Berg. „Der nächste Winter wird der schwierigere Winter. Wir müssen uns jetzt rüsten“. Bedeutet: Die Gasspeicher müssen über den Sommer gefüllt werden.

Dennoch kam die Frage auf, was bei einer Gasmangellage passiere. „In dem Moment, wo wir kein Gas mehr haben, haben wir auch keinen Strom mehr“, so ein Bürger, weil dann alle ihre im Baumarkt gekauften Heizlüfter anschließen würden. Neumann appellierte derweil an die Vernunft, die Temperaturen herunterzufahren und „mit Obacht in den nächsten Winter“ zu gehen. Er zumindest sei diesbezüglich „sehr, sehr zuversichtlich“.

Auf die Frage nach Erdgasvorkommen in Deutschland ordnete Neumann ein: „Da ist was, aber das rettet uns nicht“. Tatsächlich kommen nur rund vier Prozent des genutzten Erdgas aus Deutschland.

Neumann berichtete, die Zahl der Nachfragen bezüglich Photovoltaik-Anlagen sei sprunghaft angestiegen. Doch er machte deutlich, dass Sonnenenergie – ebenso wie Windenergie – nicht grundlastfähig sei; im Gegensatz zu beispielsweise Kohleenergie. Es werde „Dunkelflautetage“ geben, gegen die man sich wappnen müsse. Kritisch wurde in diesem Zusammenhang auch der jüngst vollzogene deutsche Atomenergieausstieg betrachtet: „Wir sind so bigott und kaufen dann den französischen Atomstrom“, sagte ein Diskussionsteilnehmer. „Wir sind raus und die Franzosen sind drin“.

Die CDU Herscheid hatte in Schürmanns Landgasthaus eingeladen, um über den Gesetzentwurf zum Verbot von Öl- und Gasheizungen zu sprechen.
Die CDU Herscheid hatte in Schürmanns Landgasthaus eingeladen, um über den Gesetzentwurf zum Verbot von Öl- und Gasheizungen zu sprechen. © SCHOLLE

Es wird prognostiziert, dass sich bis 2030 der Strombedarf in Deutschland verdoppeln wird. Klar sei deshalb: „Wir brauchen diese Stromautobahn“, so Neumann. „Auch Verteilernetze müssen ausgebaut werden“. Von 14 000 Kilometern neuer Leitungen seien bisher nur 2500 Kilometer umgesetzt. Neumann sieht die Politik in der Pflicht, Anreize zu schaffen, um in den Netzausbau zu investieren.

Ein wichtiges Thema war auch der grüne Wasserstoff. Laut Neumann handele es sich dabei um eine perspektivische Lösung, deren Entwicklung aber noch Zeit brauche. „Es wird nicht schneller gehen. Wir können das nicht übers Knie brechen. Da brauchen wir Zeit“. 2035 nannte Neumann als realistisches Ziel, um die Gasinfrastruktur dann weiter nutzen zu können. Technisch sei das eine Herausforderung, aber logistisch machbar, sagte Neumann. „Die Wärmewende ist nur mit Wasserstoff realisierbar.“

Als beste Heizoption wird zurzeit die Wärmepumpe überall angepriesen – entsprechend wurde auch sie am Freitag thematisiert. Dabei wurde schnell klar: Der unumstrittene Heilsbringer sei sie nicht. Bei einem Neubau sei die Wärmepumpe die richtige Antwort, sagte Neumann; anders sehe das beispielsweise bei einem Sechsfamilienhaus oder Altbau aus. Die Meinungen von Fachwelt und Politik liegen hierbei weit auseinander, waren sich Neumann und anwesende Handwerker einig. „Politik wird nur noch ideologisch gemacht, nicht mehr sachorientiert“, behauptete ein Bürger in diesem Zusammenhang. „Die absolut billigste Heizmethode ist im Moment Öl“, sagte ein weiterer Bürger. Allein die Anschaffungskosten einer Wärmepumpe seien extrem hoch. Eine Renaissance der Nachtspeicherheizung erwartet Neumann im Übrigen nicht. „Wir müssen uns auf den Weg machen und regenerativer werden“, sagte Neumann. „Wir müssen da deutlich, deutlich mehr tun“ und auch die Politik müsse „einen Zahn zulegen“. „Eins ist sicher“, schloss Neumann: „Wir müssen was tun, um die Energiewende voranzubringen. Hände in den Schoß legen, bringt da an dieser Stelle nichts.“

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