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Tiere leiden unter Abholzung: Verkümmerte Gehörne zeugen vom Wandel im Wald

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Von: Stefanie Vieregge

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Das Geweih eines Hirsches, der sich mit einem Gatterband selbst stranguliert hat: Auch solche Bilder seien laut Heinz-Eugen Müller mittlerweile nicht mehr selten.
Das Geweih eines Hirsches, der sich mit einem Gatterband selbst stranguliert hat: Auch solche Bilder seien laut Heinz-Eugen Müller mittlerweile nicht mehr selten. © Privat

„Zwischen den Stühlen“ fühlen sich die Mitglieder des Hegering Herscheid angesichts der aktuellen und bald kommenden Situation in den Wäldern. Borkenkäfer, Kahlschlag, Wiederbewaldung sowie die sprichwörtliche Verschiebung von zeitlichen und räumlichen Grenzen – die Themen waren vielfältig bei der Jahreshauptversammlung am Freitagabend in Schürmanns Landgasthaus. Und obwohl in fröhlicher Stimmung, begleitete Schwermut die einzelnen Diskurse.

Herscheid - Markus Gumpricht stellte in seiner Eigenschaft als Forstbeamter die kommende Aufgabe der Wiederbewaldung vor: „Der Borkenkäfer war für die Waldbesitzer eine Katastrophe, und auch das Wild und die Jäger mussten sich erst daran gewöhnen“, erklärte Gumpricht. 650 Hektar Wald sollen demnach in Herscheid in den nächsten fünf Jahren mit möglichen Gehölzen wie Douglasie, Kiefer, Lärche oder auch Zeder sowie Redwood aufgeforstet werden. Zum Vergleich: 140 000 Hektar sind es in ganz NRW.

Aufgrund dieser enormen Flächen bestehe natürlich eine extrem hohe Nachfrage und demzufolge bereits zu Beginn ein Mangel an Pflanzen sowie auch an qualifizierten Arbeitskräften, um die Jungbäume in die Erde zu bringen. Mit der Anpflanzung entstünden höhere Kosten für benötigte Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Einzäunung der Jungpflanzen) gegen sogenannte Verbiss- und Fegeschäden, vor allem verursacht durch das Rehwild als Knospenfresser. „Ganz verhindern wird man den Verbiss aber nicht können“, erklärte Gumpricht weiter. Und so müsse schadenmindernd eingegriffen werden. Der Hegering rief daher seine Mitglieder auf, vermehrt Rehwild zu erlegen.

In diesem Zusammenhang gebe es viele mit den Waldbesitzern zu besprechende Punkte, beispielsweise die ab 2024 neu zu schließenden Pachtverträge oder eine eventuelle Wildschadenpauschale, erklärten Hegeringleiter Dr. Mathias Dunkel und Markus Gumpricht.

Gleichzeitig belegten die rückläufigen Zahlen die aktuelle negative Entwicklung in den Wäldern: Abholzung, weniger Rückzugsorte für die Tiere, Verlassen der angestammten Reviere, vermehrte Unfälle auf den Straßen. Außerdem bestünde ein geringeres Nahrungsangebot, in der Konsequenz schwache Tiere und damit ein ungesunder Fortbestand.

Hegeringleiter Dr. Mathias Dunkel (2. von links) berichtete von den schwerwiegenden Folgen, die der Borkenkäfer und die damit verbundenen Abholzungen für die heimische Tierwelt haben. Das Vorstandsteam komplettieren Geschäftsführerin Heike Harnischmacher, Stellvertreter Heinz Brath, Kassierer Ralf Althoff und der Obmann für Öffentlichkeitsarbeit, Markus Gumpricht, (von links).
Hegeringleiter Dr. Mathias Dunkel (2. von links) berichtete von den schwerwiegenden Folgen, die der Borkenkäfer und die damit verbundenen Abholzungen für die heimische Tierwelt haben. Das Vorstandsteam komplettieren Geschäftsführerin Heike Harnischmacher, Stellvertreter Heinz Brath, Kassierer Ralf Althoff und der Obmann für Öffentlichkeitsarbeit, Markus Gumpricht, (von links). © VIEREGGE

Sichtbar wurden die Folgen in der traditionellen Hegeschau, dem Begutachten der Trophäen der vergangenen Saison. Heinz-Eugen Müller blickte traurig auf die mitgebrachten Stücke und erklärte die jeweiligen Hintergründe. Neben zu kleinen oder verkümmerten Gehörnen stach vor allem ein Geweih heraus, um das ein Gatterband gewickelt war. Der Hirsch hatte sich darin verfangen und selbst stranguliert – leider ein immer häufigeres Bild für die Jäger.

Alles in allem bedeute dies für die kommenden Jahre „Quantität statt Qualität“ sowie Anpassen, Umstellen und Optimieren für die Jagdgenossenschaft – das betreffe unter anderem auch die Bejagungsstrategien und auch das allgemeine Miteinander.

Tiere in immer kleineren Revieren

Corona sei ein weiterer Faktor, der in den vergangenen Jahren einen weiteren, negativen – wenn auch nur indirekten – Einfluss gehabt habe. Durch die erhöhte Zahl an Sportlern und Spaziergängern im Wald zögen sich die Tiere in immer kleinere Reviere zurück, müssten nicht nur den Wegen fernbleiben, sondern auch Querfeldeinläufern ausweichen. Vor allem das Rehwild verschiebe dabei die Grenzen, „verlasse“ die Dämmerung und werde zunehmend nachtaktiver. Dies sei wiederum – gemäß der vorgenannten Aufforderung – problematisch für die Jäger und aufgrund der nächtlichen Schonzeit entstünde so der nächste Konflikt.

Doch es gab auch gute Nachrichten: Im vergangenen Jahr sei eine konstante Mitgliederzahlen notiert worden, eine Austrittswelle aufgrund der Beitragserhöhung sei ausgeblieben und der Trend zum Jagdschein – auch bei den Jüngeren – sei ungebrochen.

In seiner Funktion als Obmann für Öffentlichkeitsarbeit berichtete Markus Gumpricht von der Teilnahme am „Naturparktag“ auf der Nordhelle. Mit den lebenden Greifvögeln des Ehepaars Schmid sei der Stand des Hegering ein Publikumsmagnet gewesen, vor allem für die Kinder.

Die Geehrten des Hegering Herscheid (von links): der stellvertretende Vorsitzender Heinz Brath, Hegeringleiter Dr. Mathias Dunkel, Jens Grüber (25 Jahre), Angelika Hahn (40 Jahre), Udo Milkereit (50 Jahre) und Peter Herzog (40 Jahre).
Die Geehrten des Hegering Herscheid (von links): der stellvertretende Vorsitzender Heinz Brath, Hegeringleiter Dr. Mathias Dunkel, Jens Grüber (25 Jahre), Angelika Hahn (40 Jahre), Udo Milkereit (50 Jahre) und Peter Herzog (40 Jahre). © Privat

Zu Ehren von Klaus Schapals, dem einzigen im vergangenen Jahr verstorbenen Mitglied, wurde das traditionelle „Jagd vorbei“ geblasen.

Der Kassenbericht von Ralf Althoff fiel kurz aus und zeigte einen Gewinn von knapp 1800 Euro. Der Hegeringleiter dankte den knapp 70 Anwesenden für ihre Teilnahme, spiegele sie doch die Sorgen in der aktuellen Situation. „Wir wollen die Tiere vom Hochsitz aus beobachten, wachsen und alt werden sehen, und nicht jedes Tier schießen müssen. Das ist nicht meine Vorstellung von Jagd“, schloss Dunkel die Versammlung.

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