Netto-Räuber vor Gericht: Die Frage nach dem Drogenkonsum

Ein Wiedersehen der „Netto-Räuber“, die Verbrauchermärkte in Werdohl, Neuenrade, Balve, Herscheid und Meinerzhagen sowie ein Kiosk in Menden überfallen hatten, gab es am Freitag im Landgericht Hagen.
Hagen/Herscheid/Werdohl – Die 4. große Strafkammer musste dort die Frage beantworten, wie stark die Drogenabhängigkeit jenes ehemaligen Werdohlers war, dem nur die Beteiligung am letzten Raubüberfall in Arnsberg nachgewiesen werden konnte. Ansonsten blieb nur der Verdacht, dass er der Kopf im Hintergrund der Raubserie gewesen sein könnte.
Wegen einer gewissen Widersprüchlichkeit in der Urteilsbegründung des Landgerichts, das ihn im Dezember 2021 zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt hatte, hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf. Nun muss erneut über das Strafmaß verhandelt werden.
Möglich ist auch die Unterbringung im Maßregelvollzug einer Entzugsklinik, was die Richter veranlasste, der Frage seiner damaligen Drogenabhängigkeit umfassend nachzugehen und weitere Zeugen zu laden.
Die beiden Haupttäter der Raubserie, die mittlerweile in der forensischen Klinik in Marsberg wegen ihrer eigenen Drogensucht behandelt werden, bekamen deshalb einen Tag „frei“ für die Fahrt nach Hagen, um dort als Zeugen aufzutreten.
„Dumme Idee“, distanzierte sich der Jüngere von den Überfällen. Und, ja, der Angeklagte habe Cannabis und Amphetamin fast täglich konsumiert. Das bestätigte auch der ältere Zeuge und ehemalige Mitangeklagte. Er gab jedoch an, dass der Angeklagte „nicht jeden Tag“ konsumiert habe.
Die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen musste sich auch für die Verfassung des Angeklagten am Tattag interessieren. Als „nicht aggressiv“ und „normal“ beschrieb ihn der Jüngere, als „freundlich und zuvorkommend – wie sonst auch“ der Ältere. Der äußerte sich auch über das Familienleben: „Er war ein liebevoller Vater. Er hat sich wirklich um seinen Sohn gekümmert.“ Die Angaben der beiden Mittäter über den Drogenkonsum des Angeklagten passten nicht zur Wahrnehmung von dessen Lebensgefährtin, die davon in der gemeinsamen Wohnung in Werdohl angeblich nichts mitbekommen hatte.
Nun sind Aussagen über den Drogenkonsum anderer immer in Gefahr, wenig aussagekräftig zu sein. Denn alle Beteiligten wissen, dass ein Drogenentzug in der Geschlossenen im Erfolgsfall die Zeit des Eingeschlossenseins verkürzen kann. Viele Angeklagte streben deshalb die Einweisung an. Sollten die beiden Mittäter davon ausgegangen sein, sind ihre Angaben mit Vorsicht zu genießen. Denn sie könnten das Drogenproblem aus Gefälligkeit größer gemacht haben, als es tatsächlich war.
Auf genau diese Gefälligkeit legt der Angeklagte allerdings gar keinen Wert. Verteidiger Dominik Petereit machte am Rand der Verhandlung deutlich, dass sein Mandant schon einige Zeit von seiner Haftstrafe abgesessen habe.
Er wolle deshalb seine Strafe absitzen und nach Verbüßung von zwei Dritteln möglicherweise in einen offeneren Drogenentzug jenseits der geschlossenen Forensik gehen.
„Wir sind nicht auf einen 64er aus“, erklärte der Angeklagte ganz eindeutig am Ende der Sitzung. Will sagen: „Ich möchte nach Verbüßung eines Großteils meiner Haftstrafe nicht noch in eine geschlossene Entzugsklinik eingewiesen werden.“ Konsequenterweise lehnte er eine Begutachtung durch den psychiatrischen Sachverständigen ab. Das Gericht muss seine Entscheidung deshalb auf die Zeugenaussagen und Akteninhalte stützen.
Der Prozess wird am 29. März im Landgericht Hagen fortgesetzt.