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„Fassungslos“: Silvester-Ausschreitungen in Berlin auch in Herscheid ein Thema

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Von: Maximilian Birke

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Ein Bild aus Hagen: Eine Straße wurde „übernommen“. Mülltonnen, Waschmaschinen und Sperrmüll bildeten eine Barrikade.
Ein Bild aus Hagen: Eine Straße wurde „übernommen“. Mülltonnen, Waschmaschinen und Sperrmüll bildeten eine Barrikade. © Talash

Es sind erschreckende Nachrichten aus Berlin und anderen Großstädten. Pyrotechnik wurde als Waffe gegen Einsatzkräfte genutzt. Feuerwehrfahrzeuge und Streifenwagen wurden mit Feuerlöschern und Bierkisten beworfen und mit Pyrotechnik beschossen. Herscheids Feuerwehr-Chef Andre Zimmermann und weitere Einsatzkräfte aus dem Märkischen Kreis haben für dieses Verhalten kein Verständnis. Im Gespräch mit unserer Zeitung finden sie klare Worte.

Herscheid/Werdohl – Eine Gewaltbereitschaft, wie sie während des Jahreswechsels in Berlin-Neukölln deutlich wurde, hat die Feuerwehr Herscheid bei ihren Einsätzen noch nicht erlebt. Wohl aber könne man feststellen, sagt Andre Zimmermann, „dass der Respekt gegenüber Einsatzkräften nachgelassen hat“. Bemerkbar mache sich das besonders im Straßenverkehr. „Die Leute reagieren viel gereizter, wenn sie mal warten müssen“, sagt Zimmermann.

Dass Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst weiter vorn ihre Arbeit machen, verletzte Personen aus demolierten Fahrzeugen befreien und medizinisch versorgen, sehen dabei viele nicht. In den letzten Jahren habe das zugenommen, spricht Andre Zimmermann von einem „Zeitenwandel“ beim Umgang mit den Einsatzkräften.

In diesen Fällen und noch viel mehr nach den Vorkommnissen in Berlin und anderen Großstädten, „ist jetzt der Staat gefragt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken“, sagt Zimmermann. Dass der Umgangston bei Einsätzen schonmal rauer werden kann, erlebt nicht nur die Herscheider Feuerwehr.

Ein Blick über die Gemeindegrenze hinaus in die Nachbarkommune Werdohl, wo die Feuerwehr während des Jahreswechsels auch zu sechs Kleinbränden ausrücken musste, zeigt das gleiche Bild: „Es fängt bei Straßensperrungen an, wo die Leute mit uns diskutieren oder uns beschimpfen, weil sie nicht weiterfahren können oder einen Umweg in Kauf nehmen müssen“, sagt Werdohls Feuerwehr-Chef Kai Tebrün. Verständnis habe er dafür nicht, „schließlich sperren wir eine Straße ja nicht zum Spaß“.

Noch weniger kann Tebrün verstehen, wenn solche Diskussionen während gemeinsamer Einsätze mit dem Rettungsdienst entfacht werden. „Ich habe es schon erlebt, dass eine Frau mit mir eine hitzige Diskussion anfing, weil der Rettungswagen ihr Carport zugeparkt hatte. Sie kam aber gerade vom Einkaufen nach Hause und wollte ihr Auto dort gerne abstellen.“ Wie es solche Gespräche überhaupt geben kann, ist dem Feuerwehr-Chef ein Rätsel.

Wer selbst Hilfe braucht, der sei froh, wenn Rettungskräfte kommen. Betrifft es aber jemand anderen, würden immer weniger Menschen Rücksicht darauf nehmen. „Ich weiß nicht, ob die Leute da einfach nicht drüber nachdenken: Der Rettungsdienst hält doch nicht aus Lust und Laune an einem Wohnhaus und fragt nach, ob er mal Blutdruck messen kann“, veranschaulicht es Tebrün etwas zynisch und gibt zu bedenken, dass in der Regel ein Notfall vorliegt. „Viele denken nur noch an sich selbst und dieser Egoismus ist ein Problem.“

Andre Zimmermann, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Herscheid.
Andre Zimmermann, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Herscheid. © Archivfoto

Nicht weniger problematisch stelle sich die Situation dar, dass es scheinbar mehr Bürger gibt, die sich mit dem Staat nicht mehr identifizieren können. „Diesen Staat verkörpern wir aber in gewisser Weise, wenn wir im Einsatz unserer hoheitlichen Aufgabe nachkommen“, sagt Tebrün. Und dadurch würden Einsatzkräfte für einige Bürger auch ein Feinbild abgeben, schlägt er eine gedankliche Brücke zurück zur Silvesternacht in Berlin.

„Justiz und Staat müssen da jetzt härter durchgreifen“, teilt Tebrün die Meinung von Andre Zimmermann. „Wenn ich im Radio höre, dass man diesen Personen ein Angebot machen müsse, damit sie wieder ein Teil der Gesellschaft werden... Das macht mich fassungslos. Die Leute sollen sich benehmen und an die Regeln halten. Und wenn sie das nicht hinkriegen, müssen sie die Konsequenzen tragen!“

Es dürfe nicht sein, dass Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei Angst vor Anfeindungen und gewalttätigen Übergriffen haben müssen, wenn sie ihrer Aufgabe nachkommen wollen, zu helfen.

Polizist Volker Bootz, der die Wache in Werdohl leitet, bestätigt, dass die Polizei auch im Märkischen Kreis öfter Respektlosigkeiten erfahre. Problematisch sei vor allem der Umgang Menschen-Gruppen, die sich im Öffentlichen Raum versammeln und aggressiv auftreten: „Man kommt mit den Leuten gar nicht in den Dialog, weil man sofort angepöbelt wird“, erzählt Bootz von der Polizeiarbeit.

In gewisser Weise bedauere er dies auch, weil es dadurch nicht möglich ist, ein Verständnis herzustellen. „Offenbar ist da einfach viel Frust, den die Leute rauslassen“, so Bootz. Woher dieser Frust aber kommt und wie man vielleicht auch darauf eingehen könnte, sei in den meisten Fällen nicht zu erfahren. „Die Einsatzkräfte stellen da oft wirklich ein klassisches Feindbild dar“, meint auch Bootz. Kommunikation wird dadurch schwierig bis unmöglich.

Tätliche Angriffe auf Polizeibeamten hat es in Werdohl ebenfalls gegeben: „In zwei, drei Fällen haben sich die Personen einer Kontrolle widersetzt und uns angegriffen.“ Die Beamten wurden dadurch verletzt. Meist zwar nur leicht, „aber der Angriff allein ist schon schlimm genug“, sagt Volker Bootz.

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