Nach 30 Jahren zurück: „Ich hatte Sehnsucht nach Deutschland“

Rahlenbergschülerin Filiz Yagiz kehrt nach 30 Jahren nach Herscheid zurück
Herscheid – Es war eine Rückkehr an den Ort der Kindheit, verbunden mit vielen schönen Erinnerungen: Nach 30 Jahren ist die ehemalige Rahlenbergschülerin Filiz Yagiz nach Herscheid zurückgekehrt. Zwei Wochen lang besuchte sie die Orte ihrer Kindheit – und erlebte dabei viele emotionale Momente.
Den Besuch in der Ebbegemeinde hatte Filiz Yagiz schon vor ein paar Jahren geplant, doch Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Doch nun war es so weit: Die Pädagogin, die seit sieben Jahren in der türkischen Stadt Izmir lebt und Deutsch unterrichtet, verbrachte zwei Wochen Urlaub in Herscheid. Und erlebte – zum ersten Mal seit 30 Jahren – wieder einen richtigen Winter mit reichlich Schnee.
30 Jahre lang trug sie ihre Erinnerungen an ihre Kindheit in ihrem Herzen, nie seien sie in Vergessenheit geraten. Immer wieder erzählte sie ihrem Ehemann und ihren Freunden von Deutschland. „Ich hatte immer Sehnsucht nach Deutschland. Ich wollte immer wieder zurück, aber ich konnte nicht“, erzählte Filiz Yagiz, deren Eltern ebenfalls in der Türkei leben. Doch nun sollte ihr Traum in Erfüllung gehen: Es wurden Treffen mit alten Bekannten, ehemaligen Mitschülern und dem damaligen Klassenlehrer Manfred Klose organisiert. Dazwischen besuchte Filiz Yagiz mit ihrem Ehemann Ümit, der seine Frau begleitete, die umliegenden Städte und Gemeinden. Auf dem Plan standen zudem Besuche unter anderem in Düsseldorf und Köln. Bei aller Vorfreude war Filiz Yagiz aber auch mit gemischten Gefühlen gekommen: Da war zum einen die Freude über das Treffen mit ihren Freunden, zum anderen die Traurigkeit über den Weggang aus der Ebbegemeinde.
Ein besonders schöner und emotionaler Moment war dann jedoch der Besuch der einstigen Hauptschule Herscheid. Der Weg vom damaligen Haupteingang zur Turnhalle ist Filiz Yagiz noch in guter Erinnerung geblieben: Diese steile Hürde musste überwunden werden, um dem sportlichen Spaß nachgehen zu können. Für viele andere war es der Weg nach Hause, denn vor der Turnhalle warteten die Schulbusse.
„In der 5. und 6. Klasse hatte ich Probleme“, erinnert sich Yagiz an ihre damals geringen Deutschkenntnisse, denn: Die Grundschulzeit absolvierte sie in der Türkei, bevor sie ihre schulische Ausbildung mit der 5. Klasse an der Rahlenbergschule fortsetzte. Mithilfe ihrer Schulkameraden verbesserte sich ihre Aussprache deutlich und zum Ende der Schulzeit sprach sie ein fast perfektes Deutsch – „mit einem leichten türkischen Akzent“. Bei der Abschlussfeier ließ es sich Filiz Yagiz nicht nehmen, an Sketchen mitzuwirken, die für jede Menge Lacher sorgten.
Kurz nach dem Abschluss 1993 ging es für die geborene Filiz Utar dann zusammen mit ihren Eltern und ihren zwei Geschwistern zurück in die Türkei. Doch der Abschied von der Heimat Herscheid fiel den Heranwachsenden nicht leicht. Nach einigen Monaten, in denen auch Tränen vergossen wurden, gewöhnten sich dann aber alle an die neue Heimat.
Deutschstudium an der Universität
An der Universität begann Filiz Yagiz ein Studium in Deutscher Sprache. Dabei war sie glücklicherweise nicht alleine, denn ihre Kommilitonen kamen wie sie aus Deutschland und in der Klasse wurde hauptsächlich Deutsch gesprochen. „Deshalb hatte ich keine schlechten Gefühle mehr“, so Yagiz über ihren Start in der Türkei. Die Harmonie zwischen ihr und den neu hinzugewonnenen Freunden habe von Beginn an gestimmt und habe ihr das Leben in dem Land, in dem ihre Wurzeln zu finden sind, erleichtert.
„Als ich klein war, wollte ich immer Lehrerin werden. Und da ich Deutsch sprechen konnte, bin ich Deutschlehrerin geworden“, freut sich Filiz Yagiz darüber, ihren Traum verwirklicht zu haben und heute Grundschulkinder zu unterrichten. Und dazu trug auch Manfred Klose bei:
„Manfred Klose ist der Allerbeste und ich mag ihn so sehr“, fühlt sich Yagiz glücklich, diesen Mann an ihrer Seite gehabt zu haben. Denn er war es auch, der ihr den Beruf der Pädagogin noch näher brachte und in Gesprächen während der Schulzeit ihre berufliche Zukunft plante. Inspiriert worden sei sie zudem auch von den Lehrkräften Iris Lingenberg, Ulrich Hornig und Helmut Rehe, die der Schülerin viel beigebracht hätten. „Ich wollte einfach wie sie Lehrer sein“, ist Yagiz ihnen dankbar, das Fach Deutsch an der Universität gewählt zu haben. Auch mit der englischen Sprache versuchte sie es einige Jahre, aber es blieb nur bei den Grundkenntnissen.
Stolz ist Yagiz heute über die vielen Schüler in der Türkei, die sie in Deutsch unterrichtete und die im Anschluss zum Teil zur Universität gegangen sind. Zu einigen von ihnen besteht weiterhin Kontakt und als Vertrauensperson hat sie bis heute ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer einstigen kleinen Schützlinge. Zwei von ihnen leben mittlerweile in Essen und in der Nähe von Köln.
Beim Verlassen des Schulgeländes winkten ihr Schüler aus einem Klassenraum zu – ein schöner Augenblick für Filiz Yagiz. Nach zwei Wochen Heimatbesuch und vielen schönen Erinnerungen ging es für sie und ihren Mann wieder zurück in die Türkei. Doch möglicherweise nicht für immer, denn ein Traum bleibt weiterhin bestehen: Die Deutschpädagogin denkt über eine Rückkehr nach – möglicherweise, um in ihrer einstigen Heimat Deutsch zu unterrichten.