Dietrich Herfel nimmt Stellung zum Etat

Die Haushaltsrede der Grünen

Ausruhen und Füße hochlegen? Eher nicht. Vor Rat und Verwaltung liegt in Herscheid viel Arbeit.
+
Ausruhen und Füße hochlegen? Eher nicht. Vor Rat und Verwaltung liegt in Herscheid viel Arbeit.

Der Rat hat den Herscheider Haushalt für das Jahr 2023 beschlossen. Die Fraktionsvorsitzenden hielten zuvor ihre Haushaltsreden. Für die Grünen nahm der Fraktionsvorsitzende Dietrich Herfel wiefolgt Stellung.

„Die finanzielle Situation der Gemeinde Herscheid sieht aktuell auf den ersten Blick ganz gut aus. Die Kosten für das Hochwasser aus dem Juli 2021 sind zu 100% vom Land gedeckt. Die außerordentlichen Kosten durch die Coronapandemie und den Ukrainekrieg dürfen weiterhin bilanziell über 50 Jahre abgeschrieben werden. So kann uns die Verwaltung also einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, der sogar mit einigen Reserven aufwartet. Die Aussichten, dass sich die Gewerbesteuer ähnlich entwickelt wie 2022 sind halbwegs positiv, denn die von Volkswirten, Politik und Industrie aktuell aufgezeigten Perspektiven für 2023 sind nicht gar nicht so schlecht. Auf der anderen Seite kann man froh sein, dass es möglich ist, den Haushalt eher konservativ aufzubauen und ohne besondere Risiken zu arbeiten, was allerdings auch der diesjährigen überraschend hohen Schlüsselzuweisung zu verdanken ist. Auf der anderen Seite macht uns der weiterhin hohe Kassenkredit Sorgen, zumal mittlerweile auch für dieses Geld Zinsen zu zahlen sind, die eher noch steigen.

Mit diesen Basisdaten könnte man durchaus gut leben, wenn nicht die grad aufziehende Gewitterwolke wäre. Nicht nur aus der Ukraine, auch aus anderen Krisenländern kommen Menschen, die Zuflucht suchen. Ja, die massiv zunehmenden logistischen und finanziellen Probleme für alle Kommunen wegen Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Regionen der Welt nehmen zu. Auf der anderen Seite: Was sind diese vorwiegend monetären Hürden gegen das Leid der Menschen in der Ukraine und ganz aktuell durch das Erdbeben in der Türkei und Syrien. Wir bitten alle Herscheider Bürger, Verständnis zu haben für die Menschen in ihrer Not, zu akzeptieren, dass kommunaler Aufwand in Zeit und Geld erforderlich ist, um zu helfen. Und wir danken jetzt schon allen Mitarbeitern in der Verwaltung für die zusätzliche Arbeit, die erforderlich ist, um dieser Herausforderung gerecht zu werden.

Zurück zum Haushalt allgemein: Die geplanten Investitionen von über 5 Million Euro erscheinen recht hoch, schaut man aber genauer hin, sind doch ein großer Teil davon durch Fördergelder abgesichert. Darunter fällt auch der nächste Bauabschnitt im Bildungszentrum für die Außenanlage, die Restrukturierung der alten Grundschulgebäude und im Freibad die Renovierung des Betriebsgebäudes. Dabei ist aus grüner Sicht lobenswert, dass sowohl auf dem Bildungszentrum, als auch auf einem Teil der Freibaddächer und vielleicht auch noch auf einem Bauhofdach weitere Photovoltaikanlagen entstehen sollen. Aber auch Wermutstropfen müssen wir mit neuen Gasheizungen in der alten Schule in Hüinghausen und eben im Freibad schlucken. Haben wir dafür in dem alten energetisch schlechten und nicht förderungsfähigem Gebäude in Hüinghausen noch Verständnis, verstehen wir es im Freibad weniger. Wäre hier nicht doch, gerade auch wegen der attraktiven Förderung, eine Alternative ohne Gas und mit einem größeren Wasserspeicher möglich gewesen? Gerade in einem Freibad, dass nur in der Jahreszeit Energie braucht wenn die Sonne lange scheint, sollte man regenerativ unterwegs sein können.

Erfreulich aus unserer Sicht sind erste investive Mittel in unsere alten Industriebrachen, die das sonst doch recht schöne Bild der Gemeinde erheblich stören. Wir hoffen, dass das der Beginn einer stetigen Renaturierung dieser Brachen ist. Und es ergibt ja ohnehin keinen Sinn, dort an Bächen wieder Industrie anzusiedeln, da Hochwasserrisiken immer weniger gut kalkulierbar sein werden.

Bei der Gestaltung der Außenanlagen im Bildungszentrum würden wir empfehlen, die geplanten Parkflächen zumindest teilweise wassergebunden auszulegen. Es ist nicht nachvollziehbar, auf der einen Seite in Parkbereichen die Oberfläche zu verschließen, um dafür deswegen auf tiefer gelegenen Flächen Verrieselungssysteme in den Boden einbauen zu müssen. Im Nachgang der Hochwasserschäden denken wir jetzt darüber nach wie wir dem Wasser Raum geben können. Das sollten wir aber auch bei Außenanlagen für kommunale Gebäude nicht vergessen.

Dietrich Herfel, Fraktionsvorsitzender der Herscheider Grünen

Insgesamt kommen wir mit Maßnahmen zum Klimaschutz durchaus weiter, aber leider ist es nicht genug. Wir haben in Herscheid Fahrt aufgenommen in Sachen Klimaschutz, allerdings reicht die Geschwindigkeit nicht aus. Unser Klimaschutzmanager ist aktiv und gewillt, das Klimaschutzkonzept umzusetzen. Wir brauchen dringend noch mehr Photovoltaik auf Herscheider Dächern. Man sieht auch noch viele freie Firmendächer, die solaren Strom erzeugen könnten. Und vielleicht gibt es ja doch auch in Herscheid die Möglichkeit, dass sich Windräder auf unseren kahlgeschlagenen Bergrücken drehen. Der Bund und das Land arbeiten erfreulicher Weise daran, die Genehmigungsbedingungen zu verbessern. Wenn das soweit ist gehen wir dabei von Vorteilen für die Herscheider Bürger und für die Industrie in Form von Beteiligungen aus.

Das umweltfreundliche Radfahren sollte noch mehr in den Fokus rücken. Die Verbindung zwischen Herscheid und Hüinghausen lässt sich doch recht zähflüssig an. Hoffentlich bringt der Radverkehrsplan des Märkischen Kreises mehr Speed in die Aktionen.

Auch bei der Dorferneuerung für Hüinghausen sieht das Konzept mit vielen angeregten Projekten gut aus, aber die Umsetzungsgeschwindigkeit wird vermutlich nicht besonders hoch sein. Natürlich kostet das Geld, aber die Hoffnung ist, dass durch Regionale 25 und Leader der größte Teil der erforderlichen Mittel möglich sind. Beim geplanten Neubaugebiet in Hüinghausen schlagen zwei Herzen in der grünen Brust: Einerseits sehen wir diesen Flächenverbrauch eher negativ, andererseits könnte zumindest ein Teil des Überschusses beim Verkauf der kommunalen Grundstücke gerade den Hüinghausern wieder zu Gute kommen und man könnte einen schönen Erholungs- und Freizeitbereich entlang der Lingenbecke anlegen.

Sorgen macht sicherlich allen Fraktionen die personelle Situation in der Herscheider Verwaltung, was aber nicht hausgemacht ist, sondern ein allgemeines Problem in den Verwaltungen deutschlandweit. Wir müssen uns diesbezüglich auf einen größer werdenden Wettbewerb einstellen und es gilt, darauf zu reagieren indem die Attraktivität dieser Jobs verbessert werden muss. Einfach gesagt aber nicht einfach getan. Wir stellen uns diesbezüglich eine Arbeitsgruppe aus Verwaltung und Politik vor, die vielleicht auch mit Hilfe von außen Konzepte erarbeitet, um aktuelle Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen. Wir brauchen jetzt und in Zukunft einen ausreichenden Mitarbeiterstamm in unserer Verwaltung, auch weil es erste Trends gibt, dass ländliche Regionen wieder attraktiver werden. Auch durch Corona hat sich gezeigt, dass man auf dem Dorf bei zunehmender Digitalisierung (siehe Homeoffice) gut leben kann und trotzdem beruflich mit der Stadt verbunden bleiben kann.

Insgesamt können wir diesem Haushalt 2023 noch recht gelassen zustimmen. Eine böse Vorahnung bekommen wir eher wenn wir an das nächste und übernächste Jahr denken. Vermutlich werden wir dann nicht wieder eine Schlüsselzuweisung in der jetzt erhaltenen Größe bekommen, wir werden nicht wieder mit Bilanzierungshilfen buchhalterisch schönen können, wir werden beginnen müssen, das Herscheider Feuerwehrhaus um- oder neu zu bauen. Und das müssen wir aus eigener Tasche finanzieren, bedeutet neue Schulden machen in bisher nicht gekannter Höhe. Wir hoffen, dass bei den in diesem Jahr bereits laufenden Planungen mit Bedacht gearbeitet wird und z.B. durch eine Streckung der Kosten auf mehrere Jahre, die Pro-Kopf-Verschuldung der Herscheider Bevölkerung in erträglichen Grenzen gehalten werden kann.

Wir bedanken uns beim politischen Kollegium für die konstruktive Zusammenarbeit in den Ausschüssen und dem Gemeinderat und danken dem Bürgermeister und allen Mitarbeitern der Verwaltung und den Mitarbeitern des Bauhofes für ihr Engagement und die geleistete Arbeit.

Kommentare

Hinweise zum Kommentieren: Auf come-on.de können Sie Ihre Meinung zu einem Artikel äußern. Im Interesse aller Nutzer behält sich die Redaktion vor, Beiträge zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Halten Sie sich beim Kommentieren bitte an unsere Richtlinien: Bleiben Sie fair und sachlich - keine Beleidigungen, keine rassistischen, rufschädigenden und gegen die guten Sitten verstoßenden Beiträge. Kommentare, die gegen diese Regeln verstoßen, werden von der Redaktion kommentarlos gelöscht. Bitte halten Sie sich bei Ihren Beiträgen an das Thema des Artikels. Lesen Sie hier unsere kompletten Nutzungsbedingungen.


Bitte beachten Sie: Die Kommentarfunktion unter einem Artikel wird automatisch nach drei Tagen geschlossen.

Netiquette
Hinweis: Kommentieren Sie fair und sachlich! Rassistische, pornografische, menschenverachtende, beleidigende oder gegen die guten Sitten verstoßende Äußerungen sind verboten und werden gelöscht.

Kommentare