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Die Haushaltsrede der FDP

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Mit der Verabschiedung des Haushalts wurden die Weichen für das Jahr 2023 in Herscheid gestellt.
Mit der Verabschiedung des Haushalts wurden die Weichen für das Jahr 2023 in Herscheid gestellt. © BIRGIT HUETTEBRAEUCKER

Der Rat hat den Herscheider Haushalt für das Jahr 2023 beschlossen. Die Fraktionsvorsitzenden hielten zuvor ihre Haushaltsreden. Für die FDP nahm der Fraktionsvorsitzende Alexander Zuchowski wiefolgt Stellung.

„Für die Erstellung des Haushalts und aller damit verbundenen Zusatzdokumente danke ich im Namen der gesamten FDP-Fraktion Bürgermeister Schmalenbach und Kämmerin Sabine Plate-Ernst stellvertretend für all diejenigen, die an diesem Zahlenwerk beteiligt gewesen sind, ganz herzlich.

Diesen Dank spreche ich jedes Jahr aus, er sei niemals selbstverständlich oder pro Forma erwähnt. Fachpersonalmangel trifft jeden Bereich, auch die Gemeindeverwaltung Herscheid. Vor dem Hintergrund der Personaldichte in den vergangenen Monaten erhält dieser Dank in diesem Jahr eine neue Dimension. Ich werde im Verlauf meiner diesjährigen Rede später nochmals auf diesen Punkt eingehen.

Die Verabschiedung eines Haushalts ist jedes Mal spannend, dies gilt auch für den vor uns liegenden Entwurf für das Haushaltsjahr 2023, wenngleich in diesem Jahr bedingt durch ausbleibende Steuererhöhungen und einem erreichbaren Ausgleich die Einigkeit über alle Fraktionen hinweg bereits im Vorfeld sehr groß gewesen ist.

Die Rahmen- und Eckdaten des Haushalts sind heute bereits mehrfach betrachtet worden. Auch die FDP-Fraktion hat sich im Rahmen der Haushaltsplanberatungen intensiv mit dem vorliegenden Entwurf beschäftigt.

Der diesjährige Haushalt ist fiktiv ausgeglichen, dies beruht aber zu einem Großteil auf der erneut gewährten Bilanzierungshilfe, die uns bereits im letzten Jahr geholfen hat. Sie ist aber fiktiv, ein Zahlenspiel und nicht substanziell unterfüttert. Ein gefährlicher Anstrich des Haushalts.

Hinzu kommt, dass wir wirtschaftlich erneut in sehr unsicheren Zeiten leben und eine Planung der Einnahmen sich schwierig gestaltet.

Auch in 2023 ist der größte Posten der Ausgaben die Kreisumlage. Mit weit über 5 Millionen Euro in Summe für differenzierte und nicht differenzierte Kreisumlage liegt sie bei über 50% unserer gesamten Steuereinnahmen. Im Kreisvergleich liegt der Märkische Kreis in seinen erhobenen Umlagen hoch. Die FDP-Fraktion kritisiert die steigende Kreisumlage bereits seit Jahren. Wir möchten hier natürlich keine Kreispolitik betreiben, es ist aber dennoch zumindest einen Denkansatz wert, ob man wirklich der Fachmann zum Betrieb eines Krankenhauses ist, welches zwei Standorte in unmittelbarer Nähe umfasst und ob beispielsweise der öffentliche Personennahverkehr nicht mit „Best-practise“ Beispielen und entsprechender Unterstützung optimiert werden kann. Nicht nur im Interesse Herscheids ist hier eine Deckelung der Kosten dringend erforderlich.

Unsere Infrastruktur ist deutlich schlechter, als wir dies auf den ersten Blick erkennen können. Die Mittel, die wir beispielsweise für die Sanierung der Straßen zur Verfügung stellen können, sind nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Und von fachgerechter Sanierung sind wir mit den Mitteln weit entfernt. Die Außenbezirke müssen auch zukünftig gut und sicher erreichbar sein, bestimmte nicht benötigte Teilstrecken unseres Wegenetzes können zur Verbesserung der anderen Strecken eventuell umgewidmet werden. Es gibt herzu einige Beispiele, die wir uns gemeinsam ansehen sollten.

Es passiert weiterhin viel in Sachen Investitionen in Herscheid. Bereits Konfuzius stellte fest:
„Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos miteinader Pläne zu machen!“.

Wir haben in diesem Gremium auch im vergangenen Jahr bei schwierigsten Entscheidungen Einigkeit erzielen können und die Gemeinde auf großer Breite weiter entwickeln können. Das ist gut so!

Unter großem Engagement des Schützenvereins Herscheid schreitet die Sanierung der Gemeinschaftshalle voran, wir alle sind zuversichtlich, dass wir diese in diesem Sommer in neuem Glanz erleben werden.

Die Baumaßnahme des Feuerwehrgerätehauses Rärin ist auf den letzten Metern. In diversen Besichtigungen vor Ort konnten wir uns ein Bild vom Baufortschritt machen. Auch wenn es sich um einen Zweckbau handelt, schlägt die FDP-Fraktion der Verwaltung vor noch einmal Rücksprache mit der Löschgruppe zu halten und zu prüfen, ob die Toiletten und Sozialräume in Eigenleistung bei Stellung der Materialien nicht mit einer abgehängten Kassettendecke und ansprechender Beleuchtung ausgestattet werden können. Die Überregulierung in Europa und Deutschland zeigt sich hier vor Ort in allen Punkten. Sind viele Maßnahmen insbesondere zur Steigerung der Sicherheit unserer Wehr absolut sinnvoll und indiskutabel, so schüttelt man vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung bei anderen Maßnahmen doch mit dem eigenen und dem Kopf des Steuerzahlers. Leider sind wir hier gefangen in den Rahmenbedingungen, die wir vor Ort nicht ändern können, aufzeigen sollten wir sie dennoch, hier muss von unten nach oben gearbeitet werden.

Alexander Zuchowski, Fraktionsvorsitzender der FDP
Alexander Zuchowski, Fraktionsvorsitzender der FDP © Dickopf, Georg

Eine gut funktionierende Wehr in der Gemeinde ist wichtig, das Engagement der Mitglieder ist entsprechend hoch und muss respektvoll und ohne jeden Vorbehalt anerkannt werden.

Der Ausbau des Feuerwehrgerätehauses Herscheid ist somit erforderlich, hierin besteht Einigkeit. Es gilt aber im Bauvorhaben einen Konsens zwischen Wehr und Steuerzahler zu finden. Aus Sicht der FDP-Fraktion muss klar sein, dass nicht alles möglich sein wird, was wünschenswert ist, es muss aber alles darstellbar sein, was notwendig ist. Dieser Extrakt ist dann entsprechend zu realisieren, jede Einbringung der Eigenleistungen entsprechend zu honorieren. Die gestiegenen Standards sind zu berücksichtigen, hinsichtlich der Umsetzung und Kosten zu prüfen und im vereinbarten Rahmen zu realisieren.

Unser Freibad erhält einen neuen attraktiven Eingangsbereich und Sozialräume für die Belegschaft. Die Sanierung des Freibades wird damit weitestgehend abgeschlossen sein. Auch dieser Bereich wird nach neusten Standards erstellt. Ob und inwieweit ein nur in den Sommermonaten genutztes Gebäude allerdings nach allen energetischen Richtlinien eines ganzjährig genutzten Gebäudes bemessen werden muss, zeigt erneut welchen Zwängen wir mittlerweile unterliegen. Fakt ist jedoch, mit Abschluss der Sanierung haben wir weiterhin das schönste und modernste Freibad der Region und einen touristischen Anziehungspunkt mit großem Naherholungsfaktor für alle Bürger und Gäste der Ebbegemeinde. Antiquierte Münzautomaten in den Duschen zu installieren ist für die FDP-Fraktion weiterhin nicht zeitgemäß, auch die Verhältnismäßigkeit des Betriebs der Automaten und der Preise bleibt abzuwarten.

Bereits zu Beginn meiner Rede bin ich auf die Probleme im Nachbesetzen von Fachpersonal eingegangen. Diese Aufgabe wird auch zukünftig ein entscheidender Erfolgsfaktor der Gemeindeverwaltungsarbeit sein. Auch wenn sich zwischenzeitlich die Situation etwas entspannt hat, wird uns dieses Thema in der Zukunft weiterhin begleiten. Es ist daher richtig, auch pro aktiv Werbung für die Mitarbeit in der Gemeindeverwaltung zu betreiben, neue Modelle zu erproben und auszubilden.

Die FDP-Fraktion hat mit der UWG-Fraktion einen Antrag vorbereitet, der Kosten und Maßnahmen im Rahmen von Kennzahlen noch transparenter und effizienter macht. Aufgrund der Personalsituation haben wir bis heute noch Abstand davon genommen den Antrag einzureichen. Umso positiver nehmen wir daher die weitere Detaillierungsarbeit und die damit verbundenen Berichte der Kämmerin wahr. Diese ersten Maßnahmen gehen in die richtige Richtung, wir werden unseren Antrag zu gegebener Zeit einreichen, er will Controlling im Sinne der „helping Hand“ und nicht als „Kontrolle“ verstanden wissen.

Apropos Zahlen, die Aufstellung des aktuellen Plans und die Unsicherheiten der Zeit haben uns erneut in der heutigen Verabschiedung nach hinten geworfen. Ist bereits die Planung für 12 Monate schwierig, halten wir die Unschärfe auf 24 Monate für inflationär und nicht überschaubar. Von der Aufstellung eines Doppelhaushaltes für 2024 und 2025 wird die FDP-Fraktion Stand heute daher Abstand nehmen und einem solchen Vorhaben ohne signifikante Stabilisierung der Rahmenparameter nicht zustimmen.

Zum Ende meiner Rede möchte ich auf die aktuelle Situation und die damit verbundenen Konsequenzen aufgrund der politischen Ordnung in Europa und der Welt eingehen. Als wir im letzten Jahr den Haushalt verabschiedet haben waren wir alle froh, dass wir Corona weitestgehend überwunden hatten und mit Zuversicht nach vorne schauen konnten. Für uns alle war es unvorstellbar, dass nur wenige Tage danach ein Krieg von einem Antidemokrat unmittelbar vor unserer Haustür entfesselt wurde, der unser Handeln wirtschaftlich und politisch bestimmt.

Wir alle hier im Saal sind Demokraten und wissen, dass sicherlich nicht alles perfekt läuft und dass wir streitbar sind. Nichts, ich betone nichts in der Welt ist allerdings eine Alternative zur Freiheit.

An dieser Stelle möchte ich unseren ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss zitieren: „Sie [die Demokratie] ist anspruchsvoller an Wissen und Gewissen des einzelnen; der Totalitarismus mag und wird, trivial gesprochen, unbequem für sehr viele sein, aber er ist denkbequem für alle.”

Bereits 1952 hat er diese Worte geäußert, vor mehr als 70 Jahren. Er konnte zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnen von der Ausgestaltung sozialer Medien.

Auch in Herscheid, beschaulich und klein, gewinnen soziale Medien mehr und mehr an Bedeutung. Das Ehrenamt wird zunehmend „uncool“, ist es doch einfacher, mit Verlaub, wahnwitzige Theorien und Behauptungen vom Sofa aus aufzustellen und alle können im Schutz einer teilweisen Anonymität weiter an diesen Legenden bauen. Unser System lebt vom Engagement jedes einzelnen. Demokratie ist keine Einbahnstraße.

Ich wünsche mir, dass mehr Bürger und Bürgerinnen wieder den Rechner ausschalten und live vor Ort das Gemeinwohl mitbestimmen. Vereine, Politik und Institutionen freuen sich so über jeden, der mitmacht, sich engagiert und die Demokratie stützt und stärkt. Ich danke an dieser Stelle allen, die bei der Feuerwehr, dem DRK, dem DLRG, in Sportvereinen oder an anderer nicht genannter Stelle mit vollem Engagement unsere Gemeinschaft uneigennützig gestützt haben und weiter stützen. Dieser Dank für das Ehrenamt kann nicht oft genug laut ausgesprochen werden.

Demokratie mit uneingeschränkter Meinungsfreiheit ist das einzige System, welches es auch heute hier ermöglicht, dass wir in unseren Reden unterschiedliche Standpunkte frei und ohne Zensur vertreten und vortragen können. Das hat auch zur Folge, dass wir streitbar sind und verschiedene Positionen diskutieren können ohne Konsequenzen für die Äußerung unserer Meinung fürchten zu müssen. Wer aber bereits glaubt, dass wir alle hier einer großen Verschwörung angehören und Vorgaben haben, was wir hier sagen, wie wir hier handeln dürfen und sollen, der hat leider nichts von den Errungenschaften der Demokratie verstanden.

Lassen Sie uns gemeinsam weiter die Demokratie stärken, das fängt auch hier in Herscheid an. Die Generationen, die den letzten Krieg in Europa erleben mussten, sind größtenteils nicht mehr unter uns. Sie hoben und heben aber durch uns weiterhin mahnend die Hand. Krieg ist niemals cool, Krieg kennt nur Leid, Elend und Verlierer.

Es ist absolut verständlich, dass Menschen vor Kriegen fliehen und Ihre Familien in Sicherheit wissen wollen. Schafft die freie Welt hier keinen Turnaround können diese Menschen nicht zurück in Ihre Heimat und weitere Menschen werden fliehen müssen. Die dann auf uns zukommenden Belastungen des Haushalts werden alle Pläne sprengen.

Ich ende mit der tiefen Überzeugung, dass das Kriegstreiben ein Ende haben muss, zielführende Verhandlungen für alle Menschen stattfinden und sich das Jahr 2023 trotz aller Wolken in unserer Erinnerung zu einem positiven Jahr entwickeln möge.“

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