Pandemie sorgte für Existenzangst: Nun will der Zirkus wieder voll durchstarten

Hinter Ann-Kathrin Bichlmaier und ihrer Familie liegt eine aufwühlende Zeit. Die Corona-Pandemie bremste den Mitmachzirkus Manegentraum komplett aus, setzte Existenzängste und Zukunftssorgen frei. Entsprechend glücklich ist die Direktorin, dass sie jetzt wieder das machen kann, was sie liebt: Mit ihrer Familie das Zirkusgefühl erlebbar machen – in dieser Woche beim Ferienspaß in Herscheid.
Herscheid - Vor dem Zelt saust eine Karawane aus Clowns über den Rasen und ruft „Blaulicht, Blaulicht!“ Drinnen, im Zelt, wirbeln Jonglagebälle durch die Luft, kreisen Hula-Hoop-Reifen um die Hüften, balancieren Kinder über ein Drahtseil. „Die ist ja federleicht“, staunt Henry, auf dessen Hand soeben eine Taube Platz genommen hat. Wenige Meter entfernt beweist Paul Mut und lässt Feuer über seinen Arm „wandern“. Heiß fühle sich das nicht an, staunt der Junge – eher so „wie lauwarmes Wasser“, vergleicht Paul.
Aufgeteilt in mehrere Gruppen proben die 60 Herscheider Kinder für ihren großen Auftritt. Bis zur abschließenden Gala an Gründonnerstag gibt es noch einiges zu lernen. „Aber die Kinder machen das prima“, attestiert Ann-Kathrin Bichlmaier. Gemeinsam mit ihrem Mann Markus, dem Feuerspucker, sowie ihren beiden Kindern Marlon und Doreen ist sie erneut nach Herscheid gekommen – zum fünften oder sechsten Mal, so ganz sicher ist sich die Direktorin nicht. Doch eines stehe außer Frage: In diesem Frühjahr ist alles ein wenig anders.
Irgendwie über Wasser halten
Bei dem Stichwort Corona verschwindet das Lächeln aus dem Gesicht der Zirkusfrau: Unmittelbar vor Beginn der neuen Saison 2019 erfolgte die Zwangsschließung, waren keine Projekte und Auftritte mehr möglich. Mit leeren Kassen startete die Familie in eine Phase der Ungewissheit, in der es nur darum ging, sich finanziell irgendwie über Wasser zu halten.

Mit Aushilfsjobs, Erspartem und Staatshilfe kämpften sich die Bichlmaiers von Woche zu Woche. Nach den ersten gesetzlichen Lockerungen waren erste kleinere Projekte und Auftritte möglich. Das sei wichtig gewesen, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Darauf folgte das andere Extrem: Schulen und andere Einrichtungen erhielten Fördergelder, wollten Verpasstes nachholen und sorgten für einen ausgebuchten Terminkalender der Zirkusfamilie in 2022. „Wir waren von Februar bis Ende November unterwegs“, sagt die Direktorin und ergänzt: „Dabei mussten wir bis an unsere Belastungsgrenze gehen.“
Maske, Abstand, Desinfektionsmittel: Inzwischen seien auch die letzten Einschränkungen entfallen, nähere sich der Betrieb der Normalität – zumindest was den reinen Ablauf betrifft. Doch Corona hat Spuren hinterlassen im kleinen Familienbetrieb: „Uns geht es zwar einigermaßen gut, aber unser Team ist kleiner geworden“, erzählt Ann-Kathrin Bichlmaier. Je nach Projektgröße sind daher junge Aushilfskräfte mit an Bord und packen mit an.
Doch es sei nicht leicht, motivierte Mitarbeiter zu finden, die für eine Woche einspringen. Zu allem Überfluss benötigt die Familie auch noch einen neuen Standort, an dem Gerätewagen, Zugmaschinen und Wohnwagen abgestellt werden können. Nach mehr als 13 Jahren müssen die Bichlmaiers ein ehemaliges Firmengelände in Fröndenberg verlassen, da der Besitzer dieses anderweitig nutzen möchte.

Hinzu kommen die vielen Preissteigerungen, die alle Bürger betreffen – auch den Zirkusbetrieb. Trotz all der vielen Krisen hat Ann-Kathrin Bichlmaier ihren Optimismus nicht verloren: Die Arbeit in der Manege mit den Kindern bereite ihr unverändert großen Spaß.
Auf das Gastspiel in Herscheid, wo das Zirkuszelt im Garten des Jugendzentrums aufgebaut wurde, habe sich die Familie schon lange gefreut. Die Zusammenarbeit mit der Einrichtungsleitung Silke Obier und Andreas Wehberg sei vertraut und vorbildlich, die Kinder seien mit großem Eifer bei der Sache – die Bedingungen seien optimal. „Herscheid fühlt sich für uns immer ein bisschen so an, als ob wir nach Hause kommen“, freut sich die Zirkusdirektorin.
Dank an den Förderverein des Jugendzentrums
Mit 60 Teilnehmern ist der Osterferienspaß im Jugendzentrum komplett ausgebucht, freut sich Einrichtungsleiterin Silke Obier. Zugleich betont sie, dass das Zirkusprojekt wegen der gestiegenen Kosten im Vergleich zum letzten Gastspiel um einen Tag verkürzt werden musste. Nur so sei es möglich gewesen, den Elternbeitrag nicht erhöhen zu müssen. Obier bedankt sich bei der Gemeinde Herscheid, die den Löwenanteil der Finanzierung übernehme, aber auch beim Förderverein des Jugendzentrums, ohne den „dieser Ferienspaß nicht möglich gewesen wäre“. Als Abschluss der aufregenden Zirkuswoche zeigen die Herscheider Kinder bei einer Galavorstellung an Gründonnerstag ihr Können in der Manege.