Billig-Ring im Briefkasten? Vorsicht! Es könnte sich um Betrug handeln

Von „Brushing“ (engl: Bürsten) hatte ein Mann aus Herscheid noch nie gehört, bis der Postbote ihm ein mysteriöses Paket aus China vorbeibrachte. Das hatte er nie bestellt, nahm es aber trotzdem an. Er möchte nun vor der Betrugsmasche warnen, bei der es mehr um Internet-Bewertungen geht als um die verschickte Ware selbst.
Herscheid - „Vor einigen Tagen klingelte es an der Tür und dort stand der mir bekannte Postbote. Er sagte, er hätte ein kleines Päckchen aus China für mich, ich müsste aber Zolle nachzahlen“, berichtet Martin H., der seinen vollen Namen nicht veröffentlicht haben möchte. Insgesamt waren 7,50 Euro fällig, davon 1,50 Euro reine Zollgebühren und 6 Euro Auslagenersatz für die Post.
„Ich habe mich gewundert und auf das Paket geschaut. Dort stand ein chinesischer Absender mit voller Adresse und Telefon, aber auch meine korrekte Adresse inklusive Handynummer“, berichtet der Herscheider. „Da bin ich schon stutzig geworden.“
Er bestelle schon ab und zu etwas, aber nicht in China, sondern über Amazon, wo es aber auch Verkäufer aus China gebe. „Ich dachte erst, ich hätte vielleicht eine Bestellung vergessen. Diese Sendung kam aber nicht über Amazon, sondern direkt aus China.“
Trotz seiner Verwunderung nahm er das Paket an, bezahlte er die 7,50 Euro und schaute sich an, was er da für eine geheimnisvolle Sendung erhalten hatte. „Darin befand sich ein silberner Damenring mit drei brillantähnlichen Steinen“, berichtet der Herscheider. Außerdem enthielt das Paket ein Echtheitszertifikat für den Ring mit dem Siegel einer Gemmologischen Gesellschaft in Großbritannien – Gemmologie bedeutet Edelsteinkunde. Laut der dort angeblich durchgeführten Spektralanalyse sollten die laut H. total überdimensionierten Edelsteine echt und der Ring selbst aus Platin sein. Wert: 599 Euro. „Da hab ich mich furchtbar erschrocken. Sowas hab ich nicht bestellt, da kann ich nichts mit anfangen“, sagt H, der sofort sämtliche Kreditkartenrechnungen überprüfte, ob irgendwo etwas abgebucht wurde. „Das war aber nicht der Fall.“
Keine Fälle von „Brushing“ bei Polizei gemeldet / Amazon geht jedem Kundenhinweis nach
älle des sogenannten „Brushing“ sind bei der Polizei im Märkischen Kreis bislang nicht bekannt geworden, erklärt Pressesprecher Marcel Dilling auf Nachfrage, kann aber nicht ausschließen, dass weitere Bürger im MK schon davon betroffen waren. Das Schwierige dabei: Der Versand der Ware, die die Empfänger nicht selbst bestellt haben, sei kein Straftatbestand. Wenn allerdings mit den Kundendaten falsche Profile angelegt und damit Bewertungen abgegeben würden, könne man von Datenmissbrauch sprechen, so Dilling. Auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen könne die Bewertungsmanipulation nach sich ziehen. Doch sei es schwierig, den Verantwortlichen auf die Schliche zu kommen.
„Speziell zum Thema Brushing haben wir keine Beschwerden vorliegen“, sagt Maren Behrendt von der Beratungsstelle der Verbraucherzentrale in Iserlohn. Das könne aber auch daran liegen, dass den Verbrauchern bei dieser speziellen Masche kein Schaden entstanden sei. Wer unbestellte Ware bekommt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet sie zurückzuschicken oder zu vernichten, so Behrendt. Ein anderer Fall sei es, wenn Leute mit der unbestellten Ware auch Rechnungen oder gar Inkassoschreiben erhalten. Behrendt rät dazu, bei Erhalt von Sendungen genau zu prüfen, ob man sie wirklich nicht bestellt hat. Mit seriösen Absendern könne man auch Kontakt aufzunehmen, um das zu klären. Ware zu bekommen, die man nicht bestellt hat, kann laut Verbraucherzentrale unterschiedliche Gründe haben, von Zustellungsfehlern bis zum Versuch, den Empfängern Verträge unterzuschieben. Zum Umgang mit nicht bestellter Ware gibt die Verbraucherzentrale ausführlichere Ratschläge auf ihrer Webseite: https://tinyurl.com/mutxtrdd.
Auf Nachfrage äußert sich auch Amazon zu dem Thema. Wie es von Unternehmensseite heißt, gehe man gegen jeden Missbrauch der eigenen Systeme und Dienstleistungen zu Marketingzwecken vor, denn der Schutz der Kundendaten habe höchste Priorität. „Wir gehen jedem Hinweis von Kunden nach, die unaufgefordert ein Paket erhalten haben, da dies gegen unsere Richtlinien verstößt“, so eine Amazon-Sprecherin. „Verkaufspartner haben in diesem Zusammenhang weder Namen noch Adressen von Amazon erhalten. Verkaufspartner, die gegen unsere Richtlinien verstoßen, werden gesperrt, die Zahlungen werden zurückgehalten und wir leiten entsprechende rechtliche Schritte ein.“ Kunden, die ungewollt Pakete erhielten, könnten die Artikel behalten, zurückschicken oder auch Spenden, heißt es seitens Amazon.
Auf seiner Kundenhilfeseite informiert das Unternehmen zum Thema ungewollte Pakete unter https://tinyurl.com/4nn4mx85.
Dann suchte er im Internet nach ähnlichen Fällen und hatte insbesondere Treffer in der Schweiz und Österreich. „Da haben Leute auch unerwünschte Post aus China erhalten, mit angeblichen Ringen und Uhren von Cartier und anderen Schmuckstücken“, erzählt H., der auf diesem Wege auch erfuhr, was es mit der „Brushing“-Methode auf sich hatte. Dabei gehe es nicht darum, Leute um ihr Geld zu betrügen, sondern auf deren Namen Waren zu bestellen und zu versenden.
Martin H. kann sich vorstellen, dass ein Amazon-Händler, bei dem er schon einmal etwas bestellt hat, seine Daten an einen anderen weitergegeben hat. „Daher hatten die auch meine Telefonnummer.“
Gute Bewertung über Fake-Accounts
„Dieser Händler in China missbraucht meine Daten und löst bei sich selbst eine Bestellung aus, die dann auch tatsächlich verschickt wird, aber es handelt sich dabei um wertloses Zeug“, sagt der Herscheider. Denn dass der dicke Klunker, den man ihm aus Fernost geschickt und den er inzwischen weiterverschenkt hat, echt und hunderte Euro wert ist, glaubt H. nicht: „Das ist wie ein Ring aus dem Kaugummi-Automaten.“
Am Ende schreibt sich der Händler mit dem gefälschten Account, über den auch die Bestellung ausgelöst wurde, dann selbst eine gute Bewertung auf diversen Portalen. Durch den tatsächlich erfolgten Versand können sich dei Bewertungen dann mit dem wichtigen Zusatz „verifizierter Kauf“ schmücken.
„Die machen das tausendfach, um durch die vielen selbst geschriebenen guten Bewertungen im Ranking nach oben zu klettern. Und diese Masche nennt sich Brushing.“ Und je besser der Händler bewertet ist, desto mehr echte Kunden bestellen auch dort.
„Es ist kein Geldbetrug, aber definitiv Datenmissbrauch“, sagt H., der das ganze relativ gelassen nimmt. „Ich bin um 7,50 Euro ärmer, aber um eine Erfahrung reicher.“ Trotzdem wolle er andere Leute darauf aufmerksam machen, damit sie nicht auf die gleiche Masche hereinfallen. Wenn Pakete zugestellt werden, für die Zoll nachgefordert werden muss, wäre es seiner Meinung nach wünschenswert, wenn die Paketboten erst einmal fragen, ob die Empfänger überhaupt etwas bestellt haben, meint der Herscheider: „Wenn nicht, wären sie gut beraten, es nicht anzunehmen.“
Seinem Postboten war das Brushing bis dahin übrigens auch kein Begriff, sagt H., der dem Zusteller beim nächsten Aufeinandertreffen davon berichtete. Dabei hatte der, wie sich herausstellte, selbst schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht. H. berichtet: „Er meinte, jetzt wisse er auch, warum er eine Sonnenbrille aus China erhalten habe, die er gar nicht bestellt hatte. Da haben wir erst einmal herzlich gelacht.“