Überreste von Langhals-Dinosauriern: Neue Funde im MK geben Einblicke in Ökosystem der Kreidezeit

Seit 20 Jahren graben Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in einer Dinosaurierfundstelle in Beckum und haben nun Überreste von Langhalsdinosauriern (Sauropoden) gefunden, die etwa 125 Millionen Jahre alt sind.
Beckum – Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) graben seit 20 Jahren in einer Dinosaurierfundstelle in einem Steinbruch in Beckum. Seitdem wurden viele bedeutende Funde ausgegraben. Nun veröffentlicht ein Forscherteam mit Beteiligung des LWL-Museums für Naturkunde in Münster Nachweise von Langhalsdinosauriern (Sauropoden) mit dem jüngsten geologischen Alter, die man aus Deutschland kennt: Die Funde stammen aus Beckum und sind etwa 125 Millionen Jahren alt. Es sind der Rest eines Rückenwirbels und ein knapp acht Zentimeter langer Krallenknochen.
Die vierbeinigen Sauropoden gehörten als große Pflanzenfresser zur Lebewelt der Dinosaurierzeit. Aus der frühen Kreidezeit, in die auch die Fundstelle in Beckum fällt, sind sie bisher nur sehr selten belegt worden.
Die Ausgrabungen des Museums des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe für Naturkunde in Beckum sind auch nach 20 Jahren immer noch sehr ertragreich. „Wir finden noch immer jeden Sommer neues Material, was uns hilft, die Welt der Dinosaurier vor 125 Millionen Jahren besser zu verstehen“, so LWL-Dinoexperte Dr. Achim Schwermann, Leiter der Grabung. „Die Fossilien sind meist sehr kleinteilig und stark zerbrochen. Auch wenn es sich bei Vogelfuß- und Langhalsdinosauriern um große Tiere gehandelt hat, wir finden nur noch kleinste Reste von ihnen. Das macht die Ausgrabung und auch die wissenschaftliche Analyse sehr kompliziert und langwierig.“

Mit den vorgestellten Funden schließen die Forscher eine Lücke in der Rekonstruktion des damaligen Ökosystems. Bei Ausgrabungen in Beckum sind bislang schon verschiedene Tiergruppen gefunden worden. Beeindruckend sei das Spektrum der Wirbeltiere, das Fische, Amphibien, kleine Reptilien, Schildkröten, Krokodile, pflanzen- und fleischfressende Dinosaurier, Flugsaurier und Säugetiere umfasst. In der Vergangenheit wurde die Fundstelle durch mehrere Amphibien- und Säugetierarten bekannt, die nur hier gefunden wurden.
Derzeit wird die Gruppe der Dinosaurier in mehreren wissenschaftlichen Projekten untersucht. Hier klaffte seit Entdeckung der Fundstelle jedoch eine Lücke: Nachweise für Langhalsdinosaurier (Sauropoden) fehlten bislang. Ein Autorenteam stellt nun erste Fossilien von Sauropoden aus Beckum in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung vor. Gegenstand der Arbeit sind zwei unscheinbare Knochen: der Rest eines Rückenwirbels und ein nicht einmal acht Zentimeter langer Krallenknochen. Sie können weitere Aufschlüsse zu den Umständen liefern, welche sich damals auf die Verbreitung dieser pflanzenfressenden Dinosauriergruppen auswirkten.
„Bemerkenswert ist daher vor allem die Umwelt, die für die Dinosaurierfunde von Balve rekonstruiert werden kann“, so Dr. Jahn Hornung, Hauptautor der Arbeit. „So stammen sie aus einer Fundstelle, die in einem Hochland entstanden ist. Das ist in der geologischen Überlieferung äußerst selten.“ Das Autorenteam stellt die Hypothese vor, dass Veränderungen der damaligen Pflanzenwelt zur Verlagerung der Lebensräume der Langhalsdinosaurier führte, welche ihre Fossilüberlieferung beeinflusste.
Hochkronige Bäume, Hauptnahrungsquelle der Langhalsdinosaurier, wurden im küstennahen Flachland deutlich seltener, und besiedelten Areale im küstenfernen Hochland. Während niedrigerer Pflanzenwuchs den Vogelfußdinosauriern aufgrund ihres effizienteren Kauapparats einen Vorteil verschaffte, konnten sie die hohen Baumwipfel nicht erreichen. Diese Nische blieb den langhalsigen Sauropoden vorbehalten. Sowohl die hochwachsenden Bäume, zu denen beispielsweise die Araucarien gehörten, als auch die Sauropoden, die sich von ihnen ernährten, zogen sich ab der Unterkreide in Hochlandgebiete zurück, aus denen im Vergleich zu Tiefländern weltweit nur sehr selten Fossilien überliefert sind. Beckum gehört zu diesen seltenen Vorkommen.
„Auch, wenn nur wenige Fragmente vorhanden sind, so handelt es sich um die geologisch jüngsten Sauropodenreste aus Deutschland“, sagt Koautor Sven Sachs. „Die beiden Fossilien lassen sich zwar nicht sicher einer bestimmten Art zuordnen, aber sie stammen zweifelsohne von Sauropoden und haben somit eine hohe Aussagekraft.“

Weil aber noch viele Details des Körperbaus unbekannt seien, basiere die Rekonstruktionszeichnung des Paläo-Künstlers Joschua Knüppe auf ähnlichen, besser bekannten Sauropoden aus der Unterkreide. Mit einer geschätzten Körperlänge von zehn bis 15 Metern war er für einen Langhalsdinosaurier relativ klein. Die gefundenen Überreste lassen bislang aber keinen sicheren Schluss zu, ob es sich um ein ausgewachsenes Tier einer kleinwüchsigen Art oder ein Jungtier handelt.
In der wissenschaftlichen Welt ist die Fundstelle in Beckum mittlerweile international bekannt. Es arbeiten mehrere Teams von Wissenschaftlern parallel an der Analyse verschiedener Tiergruppen. „Die Reste der Tiere haben sich nur aus dem glücklichen Umstand erhalten, da sie vor 125 Millionen Jahren in ein unterirdisches Höhlensystem eingespült wurden. Hier sind sie tief unter der Erdoberfläche abgelagert worden und waren so bis heute gut geschützt“, so Schwermann. Erst durch Steinbrucharbeiten wurde das Höhlensystem freigelegt. „Die Studie zeigt eindrücklich, welche erstaunlichen Ergebnisse aus den Fossilien erarbeitet werden können, auch wenn sie so fragmentarisch sind“, so Schwermann. „Auch wenn die Fundstelle nicht mit großen Knochen oder ganzen Skeletten aufwarten kann, aus den ausgegrabenen, meist sehr unscheinbaren und häufig auch sehr kleinen Fossilien lassen sich mit den richtigen Methoden und dem entsprechenden Fachwissen dennoch viele Informationen erarbeiten. Ein Ende der Neuigkeiten aus der Zeit der Unterkreide bei Balve ist noch nicht in Sicht.“