Experten sind sich einig: Lkw-Verkehr hat Brücke zerstört

Keine Antworten zur Sperrung der B 236-Brücke auf der Bahnhofstraße für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen schuldig blieben die beiden Vertreter von Straßen.NRW am Dienstagabend während der Sondersitzung des Altenaer Rates.
Der Projektleiter Bau, Carsten Kampmann, und sein Chef, Steffen Scholz, Abteilungsleiter Bau und zudem stellvertretender Behördenleiter von Straßen.NRW Südwestfalen, wollten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wie ernst sie die Situation sehen. Sie legten sieben verschiedene Varianten zur kurzfristigen Über- oder Umfahrt der Brücke vor.
Die beiden Ingenieure machten sehr deutlich, dass allein der Lkw-Verkehr zur Zerstörung der Brückenunterkonstruktion geführt habe. Steffen Scholz nannte ein Beispiel: „Die Überfahrt eines einzigen schweren Lkw hat denselben Schädigungsgrad für eine Brücke wie 40 000 bis 60 000 Pkw.“ Kampmann sprach bildhaft vom Pkw-Verkehr als Tausende von Ameisen, die auf ihrem Weg keinen Schaden anrichten. Ein Elefant hingegen würde den Weg zerstampfen.
80-Tonnen-Transport gibt Brücke den Rest
Neben dem seit Jahren anschwellenden Lkw-Verkehr auf nicht nur dieser Brücke, hat man tatsächlich eine Hauptursache ausgemacht. In der Dunkelheit des 22. Septembers 2022 sei von fachkundiger Seite ein 80-Tonnen-Transport beobachtet worden, der illegal und ohne Begleitfahrzeuge über die Brücke gefahren sein soll. Altenas Ordnungsamtsleiterin Lisa Pflüger bestätigte das. Es gebe mehrere Zeugen, die die Überfahrt gesehen und gemeldet hätten. Die Behörden wüssten auch konkret, welches Unternehmen es war. Fragen über mögliche Regressansprüche müssten andere beantworten, hieß es am Dienstagabend.

Die Überfahrt – wenn sie denn angemeldet worden wäre – wäre niemals genehmigt worden, berichteten Scholz und Pflüger. Ihre Behörden müssten zu so einem Unterfangen befragt werden, entscheidend ist aber der Märkische Kreis als Straßenverkehrsbehörde. Es habe keinen solchen Antrag gegeben.
Unterkonstruktion in den 60er-Jahren verstärkt
Die Unterkonstruktion der Brücke besteht aus Doppel-T-Trägern. Wohl in den 1960er-Jahren sei der untere Teil des Stahls mit verstärkenden Laschen verschweißt worden. Genau weiß man das nicht.
Nach Bekanntwerden der illegalen Überfahrt und weil die Brücke ohnehin schon in einen halbjährigen Sonderprüfmodus kategorisiert worden war, fielen die bis zu 70 Zentimeter langen Risse bei der Begutachtung im Oktober auf. „Um wirklich sicher zu gehen angesichts der starken Belastung des Lennetals durch die A45-Sperrung“, so Steffen Scholz, „haben wir uns zusätzliche Expertise eingeholt.“ Ein vorläufiges Gutachten lag Ende Dezember vor, Anfang Januar wurde die Brücke für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen gesperrt.
Bis Ende Februar soll es eine Lösung geben
Straßen.NRW hat sich selbst zum Ziel gesetzt, bis Ende Februar eine realisierbare technische Lösung zur Überfahrt der Brücke auf den Tisch zu bringen. Den geringsten Aufwand verspricht ein Überwurf von zwei Brückenteilen ähnlich der Bundeswehr-Pionierbrücken. Es gibt aber noch keine Erfahrungen mit einem mehrjährigen Betrieb solcher Behelfsbrücken. Die SS80-Brückenteile wie an der Werdohler Lennebrücke sind auch eine Option, erfordern aber Platz und vor allem den Bau von Zuwegungen.

Diese dann gefundene Behelfslösung muss mindestens fünf Jahre halten. Nach der Prüfung in 2022 habe die Brücke noch eine Restlebenszeit von fünf Jahren, dann ist man in 2027. In Gesprächen mit der Deutschen Bahn sind Sperrzeiten an Wochenenden von bis zu 56 Stunden im Jahr 2026 vorgesehen. In solchen Sperrpausen könne ein ganz neues Brückenbauwerk entstehen. Die Bahn will im Jahre 2030 die Ruhr-Sieg-Strecke für Güterverkehr und mit streckenweisen Ausweichgleisen erweitern. Dazu sollen die Durchfahrtshöhen aller Tunnel vergrößert werden. Die Unterfahrt der jetzigen B 236-Brücke wäre dann ohnehin zu klein, ein Neubau wird deshalb in jedem Fall größer ausfallen und mit den Plänen der Bahn abgesprochen.
Tagebuch der Brückenteilsperrung B236
1948/1949: Errichtung der Straßenbrücke über die Bahnlinie an der Bahnhofstraße, Zulassung für eine 24-Tonnen-Dampfwalze.
1960er-Jahre: Verbesserungen und Verstärkungen der Doppel-T-Träger der Brückenunterkonstruktion, Laschen werden unter die Brücke geschweißt.
März 2022: Straßen.NRW entscheidet, die B 236-Brücke aus dem üblichen dreijährigen Prüfrhythmus auf eine halbjährige Sonderprüfung herabzusetzen.
22. September 2022: Ein ungenehmigter 80-Tonnen-Transport überfährt die Brücke in der Dunkelheit, wird aber von mehreren Zeugen dabei beobachtet.
23. September 2022: Das Altenaer Ordnungsamt erhält Kenntnis von den illegalen Überfahrt und meldet das an Straßen.NRW.
16. Oktober 2022: Straßen.NRW führt eine Sonderprüfung der Brücken durch und kommt zu ersten alarmierenden Erkenntnissen. Externe Fachunternehmen werden hinzugezogen.
22. Dezember 2023: Ein vorläufiges Gutachten liegt vor, das eine Sperrung für Lkw über 3,5 Tonnen vorsieht.
12. Januar 2023: Das finale Gutachten liegt intern vor, erste Informationen sickern durch.
17. Januar 2023: Bei einem so genannten „Verkehrstermin“ werden alle Behörden und die Stadt Altena über die Sperrung und den Brückenzustand informiert.
19. Januar 2023: Die Sperrung wird umgesetzt, die Umleitung tritt in Kraft und wird von der Polizei überwacht.
24. Januar 2023: Straßen.NRW informiert die Ratsmitglieder der Stadt Altena ausführlich.