Azubis gesucht: Köder muss dem Fisch schmecken

Videos wären gut, der Bauhof auf Tiktok zum Beispiel, oder gute Fotos vom Team auf der Homepage: Julian Rosiepen hätte da schon ein paar Ideen, wie man junge Menschen für seinen Job begeistern könnte. Der 18-Jährige macht gerade eine Ausbildung zum Straßenwärter beim Baubetriebshof. „Es ist sehr abwechslungsreich, jeden Tag machen wir etwas anderes und sind woanders“, erzählt er im Rahmen der „Woche der Ausbildung“.
Altena/Nachrodt-Wiblingwerde – Die Situation ist für die Arbeitgeber zum Haareraufen: Es gibt zurzeit 2620 freie Ausbildungsstellen im Märkischen Kreis (ein Plus von 10,4 Prozent im Vergleich zu 2022) und 1563 Bewerber (ein Minus von 12,9 Prozent zu 2021). Während junge Leute also die Qual der Wahl haben, müssen sich Arbeitgeber etwas einfallen lassen, um überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Das gilt auch für die Kommunen selbst. Es gibt nämlich „auch tolle Jobs“ in den Verwaltungen in Altena und Nachrodt-Wiblingwerde, wie nicht nur Nachrodts Bürgermeisterin Birgit Tupat und Stefan Kemper, Stellvertreter von Bürgermeister Uwe Kober, erzählen, sondern auch Tanja Jäker, Personalleiterin der Stadt Altena, Berufsberaterin Melanie Preuss, Sabine Bergmann, Teamleiterin beim Arbeitgeberservice bei der Agentur für Arbeit, und Arbeitsvermittler Martin Döhler unterstreichen.
Von vier Besuchern haben sich drei beworben
Und jeder weiß, dass das Motto heute ist: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Fischer“, die Ausbildungsstellen müssen den jungen Leute also schmackhaft präsentiert werden. Dass man deshalb auch spontan sein muss (und kann), wurde überraschend deutlich, als vier junge Leute der Sekundarschule plötzlich zum Baubetriebshof kamen, sich alles angucken durften und später ein halbstündiges Gespräch mit Azubi Julian Rosiepen hatten. Die jungen Leute waren bei der kleinen Ausbildungsmesse in der Sekundarschule auf den Baubetriebshof aufmerksam geworden. „Von den vier Leuten haben sich jetzt drei bei uns beworben“, freut sich Baubetriebshofleiter Robert Groppe. Dass junge Menschen gern höherwertige Abschlüsse erreichen, oft auch studieren wollen, habe durchaus viel mit dem Einfluss der Eltern zu tun. „Wenn wir junge Menschen aufgeschlossen haben für die duale Ausbildung beispielsweise, bei der man später auch Karriere machen kann, dann gehen sie nach Hause und die Beratung ist hinfällig“, sagt Sabine Bergmann. Bewerber würden allerorts fehlen, auch besonders im gewerblich-technischen Bereich. Zudem habe die Corona-Pandemie zu einem Umdenken geführt, weil viele Eltern auch von Kurzarbeit betroffen gewesen seien, sodass jetzt der Sicherheitsgedanke eine große Rolle spiele. „Wo habe ich einen sicheren Job? Und das ist im öffentlichen Dienst ja durchaus der Fall“, so Sabine Bergmann.
Ausbildungsmesse am 16. Juni
Eine Ausbildungsmesse ist für den 16. Juni für Altena und Nachrodt vorgesehen. 26 Firmen haben sich dafür bereits angemeldet. „Wenn ich höre, dass eine Firma noch gar keine Stelle besetzt hat, aber zehn ausgeschriebene, verschiedenen Berufe anbietet, dann macht das Sorgenfalten“, sagt Arbeitsvermittler Martin Döhler. Ihm sind, wie er sagt, die Berufe in der Verwaltung in der Vergangenheit ein bisschen zu kurz gekommen. „Die Berufe des Straßenwärters oder des Verwaltungsangestellten sind nie im Vordergrund gewesen. Doch sie sind hochinteressant mit Perspektiven“, so Martin Döhler. Keine Frage, dass das Stefan Kemper und Birgit Tupat auch so sehen. In den Verwaltungen musste in den vergangenen Jahren immer Personal abgebaut werden. Die Kehrtwende ist längst da und wichtig. „Wir kommen ohne eigenes Personal, das wir selbst ausgebildet haben, nicht aus. Eine Stadtverwaltung ist ein großer Gemischtwarenladen. Das geht bei uns vom Baubetriebshof im gewerblichen Bereich über den Rettungsdienst und Feuerwehr, Sozialarbeit bis zu den Verwaltungsmitarbeitern mit unterschiedlicher Qualifikation. Es gibt viele Tätigkeitsfelder, die hoch spannend sind. Wir können auch Perspektiven anbieten, es gibt auch Möglichkeiten vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst zu wechseln. Es gibt verschiedene Modelle bis hin zum Studium“, wirbt Stefan Kemper für seine Stadtverwaltung.
Wo geht die berufliche Reise hin?

Nicht nur große Ausbildungsmessen, sondern auch kleine, wie in der Sekundarschule, sind seiner Meinung nach eine gute Gelegenheit, mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. „Schüler in Klasse 9 oder 10 sind teilweise orientierungslos“, meint Stefan Kemper, zeigt sich aber auch etwas erschrocken darüber, dass selbst nach dem Abitur viele noch keinen Gedanken daran verschwendet hätten, wohin die berufliche Reise denn gehen solle. Nicht nur Azubis werden in den Stadtverwaltungen dringend gesucht. „Der Fachkräftemangel betrifft uns genauso. Einen Klimaschutzmanager zu finden, ist der Irrsinn. Wenn wir Stellen ausschreiben, bewirbt sich die ganze Bandbreite, nur keine Leute, die aus der Verwaltung kommen. Das ist für kleine Verwaltung schwierig, weil wir einen bestimmten Stellenplan haben, an den wir uns zu halten haben. Und wir können oft nicht das Gehalt bieten, was große Verwaltungen zahlen. Zudem werben große Verwaltung offensiv die Mitarbeiter ab“, erzählt Bürgermeisterin Tupat. Im Nachrodter Amtshaus wird jedes Jahr ausgebildet und „es gibt auch eine Perspektive bei uns“, so Birgit Tupat.
Allrounder in der Stadtverwaltung
Der Baubetriebshof arbeitet kommunenübergreifend, ist für Altena und Nachrodt im Einsatz. Die Ausbildung zum Straßenwärter „ist anspruchsvoll und abwechslungsreich“, sagt Robert Groppe, vom Winterdienst über die Grünpflege bis hin zu Tiefbau, Straßenbau, Pflasterarbeiten, Ausmessen, Vermessen. Auch machen die Azubis Lkw- und Baumaschinen-Führerscheine (Steiger, Radlager, Unimog). Der Verwaltungsfachangestellte dagegen wird als Allrounder in der Stadtverwaltung ausgebildet, wovon auch die Auszubildende Zelal Bilici schwärmt: „Es ist sehr vielseitig, und jeder hat eine Chance zu sehen, wohin er gut passt. Mich interessiert sehr der Bürgerservice“, erzählt die 19-Jährige. Möglich ist bei der Altenaer Stadtverwaltung auch der Bachelor of Laws (Beamter/in des gehobenen Verwaltungsdienstes).