Kampf gegen den Fachkräftemangel: Unternehmen werben um Schüler

„Der Fachkräftemangel liegt nicht am demografischen Wandel“, sagt Christian Clever voller Überzeugung. Clever sollte es wissen, denn beruflich hat der Altenaer seit vielen Jahren mit Ausbildung zu tun.
Altena – Der Ausbildungsleiter der Firma Möhling, einem Hersteller von Verbindungselementen, erklärt sarkastisch: „Der Mangel resultiert vielmehr aus den Neigungen der jungen Leute. Influencer ist ja der tollste Ausbildungsberuf.“
An diesem Dienstagnachmittag ist Clever einer der Unternehmensvertreter, die in der Sekundarschule Altena/Nachrodt-Wiblingwerde am Standort Nette bei einer Berufsinformationsveranstaltung Rede und Antwort stehen.
Zehntklässler gibt Bewerbungsmappe ab
Dort trifft er auch auf Deven Ring. Der Zehntklässler hat Interesse an einer Ausbildung zum Industriemechaniker. „Zerspaner zu werden könnte ich mir auch vorstellen“, sagt der Schüler. Und so hat er eine Bewerbungsmappe vorbereitet, die er Clever überreicht.
Deven begründet seine Wahl für den Beruf des Industriemechanikers: „Da habe ich die Möglichkeit, mich zum Meister weiterzubilden. Und wenn du coole Kollegen um dich herum hast, dann macht das Spaß.“ Das habe er gemerkt bei einigen Praktika, die er zuvor bei anderen Unternehmen in der Industrie absolviert habe.
Auf ein Praktikum im Unternehmen folgt die Ausbildung
Jordan Prütz und Maximilian Andreas haben im Herbst auch ein Praktikum gemacht – beide bei Möhling. Ausbildungsleiter Clever erinnert sich noch genau: „Die zwei haben sich gut angestellt. Und dann hat das halt geklappt.“ Was funktioniert hat, ist die Bewerbung der Altenaer Schüler.
Ab August machen die 15-Jährigen ihre Ausbildungen bei Möhling. Jordan wird Elektroniker für Betriebstechnik und Maximilian Industriemechaniker. Beide berichten, dass sie während ihres Praktikums gemerkt hätten: „Diese Arbeit wäre etwas für mich.“ Als sie dann ihre Bewerbungen einreichten, waren sie den Entscheidungsträgern im Unternehmen bereits bekannt: ein klarer Vorteil.
Quantitativ und qualitativ „ist wenig da“
Doch gegen allzu viele Mitbewerber mussten sie sich gar nicht durchsetzen. Ausbildungsleiter Clever weiß: „Wir haben nur einen geringen Eingang an Bewerbungen. Quantitativ wie auch qualitativ ist da wenig.“ Und so hofft er, an diesem Nachmittag an der Sekundarschule noch Interessenten zu finden – „auch vielleicht noch für ein Praktikum ab nächsten Monat“.
Weniger mit der Sperrung der Rahmedetalbrücke als mit einem ganz anderen Verkehrsproblem kämpfe Möhling seit jeher, berichtet Clever: „Es gibt über den Kohlberg keinen vernünftigen Busverkehr morgens um 6 Uhr, wenn wir anfangen zu arbeiten.“ Der Ausbildungsleiter folgert: „Deshalb bekommen wir kaum Bewerbungen aus Neuenrade oder Werdohl.“
Nachlassendes Interesse an gewerblichen Ausbildungsberufen
Ein weiteres Problem sieht der Unternehmensvertreter in den Elternhäusern: „Viele Eltern meinen, das Abitur sei das einzig Wahre“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Dabei kann man im Handwerk auch ohne Abi was werden und sich dann weiterbilden.“ Seit nunmehr 15 Jahren stellt Clever ein nachlassendes Interesse an gewerblichen Ausbildungsberufen fest: „Das war ein schleichender Prozess.“
Dem tritt die Sekundarschule mit ihren Berufsinformationsveranstaltungen entgegen. Organisiert haben diese in diesem Jahr die kommissarische Schulleiterin Gudrun Reinecke-Bartelt, Benjamin Hoch, Koordinator für Studien- und Berufsorientierung, sowie Frank Schölzel, Abteilungsleiter der Schule für den Standort Altena.
Nach langer Corona-Pause wieder Berufsorientierung in Präsenz
Hoch freut sich: „Kein Unternehmen hat ,Nein’ gesagt, als wir wegen einer Teilnahme angefragt haben.“ Schließlich ist es auch die erste Veranstaltung dieser Art in Präsenz seit Beginn der Corona-Pandemie. Während der vergangenen drei Jahre gab es lediglich Alternativveranstaltungen wie ein Online-Speed-Dating im Schulgebäude, bei dem Schüler und Firmenvertreter in Videogesprächen aufeinandertrafen.
Schölzel erzählt: „Einige Mädchen haben angemerkt, dass ihnen der Einzelhandel und vielleicht auch Friseure heute fehlen. Wir haben bei entsprechenden Arbeitgebern zwar angefragt, ob sie teilnehmen möchten, doch denen war das dann am Ende zu kurzfristig. Nächstes Mal sind aber auch die dabei.“
Viele Gesprächspartner für die 140 Neunt- und Zehntklässler
Dabei war die Resonanz bereits jetzt schon höher, als Reinecke-Bartelt, Hoch und Schölzel erwartet hatten. Mit 16 Unternehmen, drei Berufskollegschulen und der Agentur für Arbeit gab es viele Gesprächspartner für die rund 140 Neunt- und Zehntklässler, die am Dienstag gekommen waren. Schölzel war besonders glücklich, „dass auch viele, viele Eltern mitgekommen sind“.
Außer der Firma Möhling und der Agentur für Arbeit waren noch die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK), die Bäckerei Grote, die Stadtwerke Altena, das Amtsgericht Altena, das Ellen-Scheuner-Haus, das Finanzamt Altena, der Baubetriebshof Altena, die Unternehmen S. Bernhard Umformtechnik, Erco, Gerhardi, Jungkurth, Kostal, Lüling, Nedschroef, Stauff, sowie das Berufskolleg des Märkischen Kreises, das Berufskolleg für Technik und das Gertrud-Bäumer-Berufskolleg mit Vertretern gekommen.