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Holz-Hardcore im Mikado-Steilhang

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Von: Volker Heyn

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Forstunternehmer Michael Fuchs im 40-Grad-Steilhang oberhalb der Brachtenbecke. Der Fichtenbestand ist 2021 abgestorben und größtenteils abgeknickt und umgefallen.
Forstunternehmer Michael Fuchs im 40-Grad-Steilhang oberhalb der Brachtenbecke. Der Fichtenbestand ist 2021 abgestorben und größtenteils abgeknickt und umgefallen. © Heyn

Forstunternehmer Michael Fuchs aus Wiblingwerde hat einen gut siebenstelligen Euro-Betrag in richtig krasse Maschinen investiert, um auch aus den steilsten Sauerland-Hängen wirtschaftlich Käferholz ernten zu können. Was Männer und Maschinen da leisten, ist Hardcore im Mikado-Steilhang: Fichtenstämme liegen kreuz und quer, ein nervenstarker Fahrer manövriert den achträdrigen Harvester im 40 Grad steilen Hang.

Altena – Es ist so richtig fies kalt an diesem Freitagmorgen im Januar, Sprühregen kommt schräg von vorn, Dunst liegt auf der angefrorenen und teils schneebedeckten Landschaft. Nur der Matsch ist weichgefahren, die Gummistiefel sinken fast bis zum Schaft in den Schlamm, den die schweren Allrad-Lastwagen auf den Zuwegungen hinterlassen. Hier arbeiten Forstunternehmer Michael Fuchs und seine Männer ohne Nerven, die mit monströsen High-Tech-Maschinen totes Fichtenholz aus dem Steilhang über der Brachtenbecke bergen.

Der 59-jährige Fuchs wohnt in Wiblingwerde und betreibt sein bis zu 30 Mann starkes Forstunternehmen gemeinsam mit seinem Sohn. Ihm gehören selbst viele Waldflächen, Fuchs Forstservice Sauerland betreibt auch den Holzumladeplatz in Elverlingsen neben dem ehemaligen Kohlekraftwerk.

Ein traktionsstabilisierter Forwarder kriecht vollbeladen den Hang hinauf, gesichert mit einer Seilwinde.
Ein traktionsstabilisierter Forwarder kriecht vollbeladen den Hang hinauf, gesichert mit einer Seilwinde. © Heyn, Volker

Fuchs schlägt eigenes Holz oder das von Privatwaldbesitzern, transportiert und vermarktet es in großem Stil. Sein Unternehmen arbeitet im Sauerland, aber auch in Rheinland-Pfalz und in Hamburg. Nach dem Fichtensterben durch den Borkenkäfer räumt der Mann auf im Wald. Als Waldmensch und Naturfreund ist er an Nachhaltigkeit interessiert. Nachdem die meisten Flächen an verwertbarem Käferholz geschlagen und vor allem nach China und in den asiatischen Markt verkauft wurden, liegen noch viele dünne Totholz-Stämme in den Steilhängen.

Bislang erntete man solchen Steillagen nur mit Seilkränen und mutigen Männern ab, die mit Motorsägen in die Hänge einstiegen und von Hand fällten. Das ist aufwändig und entsprechend teuer, außerdem sind solche Fäll-Spezialisten rar. Bis vor zwei Jahren ging man beim Forstamt davon aus, dass solche Steilhänge nicht mehr zu nutzen sind. Richtung Siedlung oder Straße wurde eine Baumlänge umgelegt, das Totholz sollte stehen bleiben und von alleine umfallen. Die Flächen wären so aber für die Forstwirtschaft und – noch schlimmer – für den Waldumbau verloren.

Fuchs hat diese Marktlücke erkannt und in Technik investiert. Die erst vor ein paar Wochen gelieferte T-Winch ist ein per Internet und Funk ferngesteuerter Seilzugroboter. Der 8-Rad-Harvester ist das teuerste Stück Technik: Ein Vollernter mit speziellen Traktionshilfen und eigener Seilwinde. Der dazugehörige 8-Rad-Forwarder ist das Fahrzeug, das die vom Harvester geernteten Stämme den Hang hoch zum Wegesrand bringt. Die drei Maschinen liegen locker im siebenstelligen Euro-Bereich.

Michael Fuchs ist begeistert von der Ausstattung der Forstmaschinen: „Nur fliegen können sie nicht.“ Die drei High-Tech-Fahrzeuge sind vernetzt und werden von nur zwei Männern bedient. Einer sitzt im Harvester im Hang, sägt den Baum, entastet und schneidet ihn in Stücke. Der Pilot im Forwarder lässt sich an der Seilwinde in den 40-Grad-Abgrund, sammelt computerunterstützt die einzeln markierten Stämme und bringt sie zum Abholpunkt an den Weg.

Das Revier von Förster Christof Schäfer ist Nachrodt-Wiblingwerde, aber auch die Brachtenbecke, der Tiergarten und die Höhen um Großendrescheid.
Das Revier von Förster Christof Schäfer ist Nachrodt-Wiblingwerde, aber auch die Brachtenbecke, der Tiergarten und die Höhen um Großendrescheid. © Heyn

Das Holz ist nicht für Möbel oder Bauholz geeignet, zumindest wollen es die heimischen Sägewerke nicht. Fuchs transportiert dieses Käferholz in eigenen Lkw nach Dortmund. Dort hat er einen Gleisanschluss und belädt alle paar Wochen Vollzüge mit 20 Waggons. Die Züge mit jeweils 2500 Raummetern gehen in österreichische Heizkraftwerke und Zellstofffabriken. Fuchs verkauft selbst oder über Zwischenhändler. Angesichts gestiegener Energiekosten lohnten sich Investition und Ertrag, rechnet er vor. Die hiesige Sägeindustrie interessiere sich nicht für dieses Restholz.

So sieht es auch Revierförster Christof Schäfer: „Das ist B-Ware, alles 2021 abgestorben.“ Pilze haben die Stämme angegriffen, in den trockenen Sommern ist es rissig geworden. Solcher Mikado-Steilwald ist im Sommer extrem feuergefährdet. Und wenn es brennt, kommt die Feuerwehr nicht in das unwegsame Gelände. Förster Schäfer ist froh, dass Unternehmer wie Fuchs das Holz aus dem Hang holen. Der Hang über der Brachtenbecke gehört zum größten Teil einem Privatmann aus Wuppertal, ein Teil auch einer ehemaligen Altenaerin, die in Münster lebt. Mit beiden hat Fuchs ein Vertrag, ein Teil des Erlöses geht an die Waldbesitzer.

Der Revierförster freut sich, dass auf diesem Wege eine Naturverjüngung möglich wird. Die jahrzehntealten Fichten sind weg, jetzt können widerstandsfähige Sorten angepflanzt werden. Zwei bis drei Hektar werden so an der Brachtenbeck für forstliche Nutzung erhalten.

Die T-Winch ist vom Harvester ferngesteuert und zum allerersten Mal im Einsatz.
Die T-Winch ist vom Harvester ferngesteuert und zum allerersten Mal im Einsatz. © Heyn

Durch die neuen Maschinen ist es möglich, bislang verloren geglaubte Hänge zu retten. Aus diesem Hang holt Fuchs 100 bis 150 Festmeter Holz heraus. Auch für die Waldbesitzer sei das positiv, ansonsten hätten sie überhaupt keinen Ertrag oder würden die Forstwirtschaft vielleicht ganz aufgeben.

Natürlich bereiten auch die Sperrung der A45 und die weitere Brückenproblematik im Lennetal Schwierigkeiten beim Holztransport. Förster Schäfer: „Wir konnten das Holz besser nach China oder Asien verkaufen als nach Fretter ins Sägewerk. Wir bekommen es einfach nicht die Lenne hinauf.“ Weil die heimischen Säger die Massen an Fichte nicht verarbeiten können, geht das meiste in andere Länder. Schäfer: „Selbst gutes Holz verkaufen wir nicht in den heimischen Raum.“

Die Fichte hat den Kampf gegen den Borkenkäfer verloren. Die Annahme, das feuchte und kalte Witterung die Tiere aufhält, hat sich nicht bewahrheitet. Fuchs: „Ein Bekannter hat Borkenkäfer zwei Jahre eingefroren und aufgetaut, da krabbelten die wieder los.“ Auch wenn es diesen Winter gut Niederschlag gegeben hat, nütze er den Bäumen nichts, weil sie im Winter schlafen. Förster Schäfer: „Und in den Wachstumsphasen der Bäume ist zu warm und zu trocken.“

Forstunternehmer Fuchs beobachtet bei sich einen Wandel: „Anfangs wollte ich immer nur absägen. Aber jetzt finde ich es super, den Wald neu anzupflanzen.“ Die Männer sind sich einig: „Wir brauchen viele Baumarten im Wald, für die Menschen und für die Tiere. Wald ist Naturraum für alle.“

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