1. come-on.de
  2. Lennetal
  3. Altena

Glücksspielgeräte: Etwas weniger gedaddelt

Erstellt:

Von: Volker Heyn

Kommentare

Ein Blick in eine typische Spielhalle mit Spielautomaten von Merkur in Nordrhein-Westfalen. Schärfere Vorschriften zum Schutz vor Spielsucht, ein neuer Staatsvertrag und Änderungen bei der Besteuerung haben nicht dazu geführt, dass die von der Branche vorausgesagte Erdrosselung eingetreten ist. Das hat eine Untersuchung des Arbeitskreises für Spielsucht ergeben.
Ein Blick in eine typische Spielhalle mit Spielautomaten von Merkur in Nordrhein-Westfalen. Schärfere Vorschriften zum Schutz vor Spielsucht, ein neuer Staatsvertrag und Änderungen bei der Besteuerung haben nicht dazu geführt, dass die von der Branche vorausgesagte Erdrosselung eingetreten ist. Das hat eine Untersuchung des Arbeitskreises für Spielsucht ergeben. © DPA

Strengere Regeln im Sinne des Spielerschutzes, veränderte Besteuerungen und modernisierte Vorschriften in Bezug auf die neueste Generation von Spielgeräten haben nicht etwa dazu geführt, dass die Spielbranche zugrunde gegangen ist – wie Branchensprecher in der Vergangenheit immer wieder betont hatten. Der Arbeitskreis gegen Spielsucht hat in seiner neuesten Erhebung herausgefunden, dass es kein nennenswertes Automatensterben gegeben hat. Das lässt sich an Beispielen im Lennetal belegen.

Lennetal – Die neue Erhebung zur Angebotsstruktur der Spielhallen und Geldspielgeräte in Deutschland ist vor wenigen Tagen erschienen. Alle zwei Jahre erscheint die Untersuchung des Arbeitskreises gegen Spielsucht mit Sitz in Unna. Dieser als Verein organisierte Hilfsverband untersuchte zum Stichtag Januar 2022 insgesamt 1669 Kommunen Deutschlands, darunter alle 396 nordrhein-westfälischen Kommunen. Die Aussagen des Arbeitskreises geben für Deutschland also ein stichprobenartiges und repräsentatives, für Nordrhein-Westfalen ein vollständiges Ergebnis.

377 Kommunen in NRW gaben über die Anzahl der Spielhallenstandorte, der Spielhallenkonzessionen, der Geldspielgeräte in Spielhallen sowie über die kommunalen Vergnügungssteuersätze Auskunft. 371 Kommunen teilten etwas über die Anzahl der Geldspielgeräte in gastronomischen Betrieben mit.

Die Antworten zeigen, dass die Anzahl der Spielhallenstandorte weiter rückläufig ist (in NRW minus 1,63 Prozent; bundesweit minus 4,84 Prozent). Auch die Anzahl der Geldspielgeräte insgesamt in Spielhallen und Gastronomie nahm weiter ab. Das von der Automatenwirtschaft prophezeite Aussterben der Branche erfüllte sich jedoch keineswegs. Frances Trümper vom Arbeitskreis gegen Spielsucht in Unna dazu: „Vielmehr wurde bloß die massive Fehlentwicklung früherer Jahre abgeschwächt.“

15 Geräte weniger im Lennetal

Das kann man im Lennetal gut nachweisen: Während es in Altena und Plettenberg je ein Gerät weniger registriert wurde und es in Nachrodt keinen Rückgang gab, sank im traditionellen Zockerparadies Werdohl der Gerätebestand um 13 Geräte von 128 auf 115. Werdohl ist nach wie die Stadt im Lennetal mit der höchsten Gerätezahl pro Einwohner und den höchsten Kasseninhalten im Millionenbereich. Die Spieler verlieren weiter in hohem Maße Geld, die Automatenwirtschaft verdient weiterhin gut am Geschäft mit dem Glücksspiel, die Kommunen behalten nicht unerhebliche Einnahmen aus der Vergnügungssteuer ein. Dass es weniger Automaten gibt, sei im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages, so Frances Trümper vom Arbeitskreis: „Eines seiner Ziele ist das Verhindern von Glücksspielsucht. Das Spiel an Geldspielgeräten ist mit sehr hohen Suchtrisiken verbunden. Das zeigt sich auch darin, dass der Großteil der Einnahmen durch Glücksspielsüchtige generiert wird. Der dadurch entstehende direkte und indirekte Schaden ist Berechnungen zufolge deutlich höher, als die positiven Effekte durch Steuereinnahmen und Schaffung von Arbeitsplätzen.“

44 Prozent der Städte kontrollieren nicht

Die Untersuchung mache laut Trümper ein weiteres Problem deutlich: 44 Prozent der Kommunen gaben an, dass die notwendigen Kontrollen von legalen Spielstätten und potentiellen Aufstellorten illegaler Glücksspielmedien im Jahr 2021 nicht durchgeführt werden konnten.

Gründe dafür seien vielerorts Personalmangel, extreme Arbeitsverdichtung sowie andere strukturelle Gründe. Frances Trümper: „Durch die fehlenden Außenkontrollen ist der Entwicklung eines illegalen Glücksspielmarktes ‘Tür und Tor’ geöffnet. Rückmeldungen aus verschiedenen Großstädten zeigen, dass es sich bundesweit um ein stark wachsendes Problem handelt.“

„Diese Entwicklung durch attraktivere Spielanreize im legalen Markt zurückdrängen zu wollen, würde zu einer Dynamik führen, bei der der Jugend- und Spielerschutz auf der Strecke bleibt“, so Trümper weiter.

Als gemeinsame Forderung des Arbeitskreises und der Landesfachstelle Glücksspielsucht nennt deren Sprecherin Verena Küpperbusch „die konsequente Bekämpfung des illegalen Glücksspiels. Illegale Angebote dürfen nicht zum Maßstab werden.“

Abstandsregelung wird nicht angewandt

Das im Glücksspielstaatsvertrag verankerte Verbot von Mehrfachspielhallen und die Abstandsregelung zwischen Spielhallenstandorten wurden in den Ländern höchst unterschiedlich umgesetzt. Vielfach wurden sie unter anderem durch landeshoheitliche Übergangsregelungen aufgeweicht, so auch in NRW. Hier wieder das Beispiel Werdohl: Sämtliche Spielhallen und auch die neuen Wettbüros können ohne jegliche Abstandsregelung zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und zueinander weiter ihre Geschäfte mit dem Glücksspiel machen.

Der Spielstättenerhebung 2022 ist eine Liste aller NRW-Kommunen angehängt, in der auch der so genannte Kasseninhalt der Geräte aufgeführt ist. Grundsätzlich sind diese Kasseninhalte die Spielerverluste. Die Summen können bei der jüngsten Erhebung allerdings nur Anhaltspunkte sein, da die genauen Ermittlungen durch stetiges Ändern der Berechnungsmodelle enorm erschwert wurden. Branche und Gesetzgeber haben offenbar auch kein Interesse daran, Einnahmen aus der Vergnügungssteuer transparent zu machen.

In den Anmerkungen zur Erhebung heißt es deshalb: „Vor dem Hintergrund der Unsicherheit bezüglich der durchschnittlichen Kasseninhalte oder gar des Umsatzes der Geldspielgeräte der neuen Generation wird auf die fiktive Ausrechnung der kommunalen Vergnügungssteuereinnahmen verzichtet.“

Auch interessant

Kommentare