Beste Kunststoffgalvanik Europas steht auf Rosmart

Im interkommunalen Gewerbegebiet Rosmart steht die modernste Kunststoffgalvanik Europas. Das Lüdenscheider Unternehmen Gerhardi nahm im Jahr 2019 die komplette Fertigung von verchromten Kunststoffteilen für die Automobilindustrie im Werk Rosmart auf Altenaer Stadtgebiet in Betrieb. Gerhardi ist mit 500 Mitarbeitenden auch der größte Arbeitgeber in Altena. Dennoch drohen Probleme aufgrund neuer Grenzwertforderung für den Umweltschutz.
Altena – Die Erfolgsstory von Gerhardi scheint durch die geplante Änderung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie bedroht. Die Geschäftsführung von Gerhardi sucht deshalb den Kontakt zu allen politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Europaebene, die in der Region vertreten sind. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Lugk hatte gebeten, zu dem Arbeitsgespräch mit anschließender Betriebsbesichtigung auch die Presse einladen zu dürfen. Geschäftsleiter Peter Jusko und Nachhaltigkeitsmanager Oliver Kortenjann gewährten so gegenüber der Öffentlichkeit Einblicke in das Unternehmen, das sich sonst eher zurückhaltend gibt.
Jusko und Kortenjann beschreiben, wie groß sie die Gefahr durch die geplante Neuregulierung der Industrieemissionsrichtlinie sehen. Beide sprachen von einer drohenden „Deindustrialisierung Europas“, das sehe auch das Umweltbundesamt so. Die geplante Novellierung der Richtlinie, die die an sich sinnvolle „bestverfügbare Technik“ (BVT) beschreibe, könne zu einem K. o.-Kriterium für europäische Betriebe werden. Der Prozesse in der Automobilindustrie seien superoptimiert, so Jusko, der Konkurrenzdruck enorm. Wenn die Produktion in Europa nicht mehr möglich sei, würde nach China oder Asien verlagert, wo solch strenge Grenzwerte nicht gelten würden.

Gerhardi auf Rosmart sei in Sachen Umweltschutz Klassenbester, Kortenjann: „Andere müssen sich nach uns richten.“ Auf Rosmart stehe die modernste Kunststoffgalvanik Europas, eine Investition für die nächsten 30 Jahre. Die Produktion sei seit Anfang 2023 sogar CO2-neutral.
Kortenjann weiter: „Wenn wir Abwasser in die Kläranlage Rahmedetal einleiten, verbessert das dort die Wasserqualität.“ Das Unternehmen arbeitet sogar an einer Alternative für die in der Produktion belastend wirkende Chromsäure. Der Umweltmanager von Gerhardi ist stolz auf die Maßstäbe, die die Galvanik im Bereich der Umweltstandards setzt. Weil aber diese Standards enorm energieintensiv sind, reißt Gerhardi die Latte bei den strengstmöglichen Grenzwerten für den Energieverbrauch. Kortenjann zur geplanten Neuregelung der IED: „Meine Behauptung: Keine Firma kann alle bestmöglichen Werte erreichen.“

Mit Bettina Lugk aus der Berliner Regierungskoalition fanden die beiden Industrievertreter eine kundige Bundestagsabgeordnete. Sie werde die Problematik mit den Wirtschaftsexperten ihrer Fraktion besprechen und die Bezirksregierung Arnsberg zu dem Thema in Kenntnis setzen. Zudem versprach sie, Kontakt aufzunehmen zur Europaabgeordneten Birgit Sippel. Sie bedankte sich bei den Gerhardi-Vertretern, so frühzeitig die Initiative ergriffen zu haben. Das gebe ihr als Bundespolitikerin die Möglichkeit, sich mit dem Thema vor einer nationalen Umsetzung des EU-Rechts zu beschäftigen. Inhaltlich stellte sie sich auf die Seite des Wirtschaftsbetriebs: „Ich verstehe, was Sie mit Verunmöglichung meinen.“ Der gute Wille bei der Einhaltung „strengstmöglicher Emissionsgrenzwerte“ sei sicher vorhanden gewesen, wenn es aber zur Schließung von funktionierenden Unternehmen führen würde, könne das niemand wollen.
Manager Peter Jusko warnte eindringlich: „Die anderen Länder warten nicht, die überholen uns rechts und links. Es kann doch nicht sein, dass sich durch eine Verlagerung ins Ausland die Umweltschutzbedingungen verschlechtern.“
Änderung der Industrieemissionsrichtlinie betrifft mindestens 50 000 Anlagen in Deutschland
Alle Bundestags- und Europaabgeordnete der Region sind von der Lüdenscheider Gerhardi-Geschäftsführung eingeladen worden. Der Zentralverband für Oberflächentechnik (ZVO) hatte alle seine Mitgliedsbetriebe darum gebeten, weil die Neufassung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie (IED) eine Bedrohung für den Fortbestand auch vieler galvanischer Betriebe bedeuten könnte.
Die Industrieemissionsrichtlinie betrifft in Europa mehr als 50 000 Anlagen. Nicht nur Galvaniken wie die von Gerhardi, sondern auch Lackierereien, Gießereien und die Textilindustrie sind von der geplanten Änderung betroffen. Die Neufassung sieht vor, dass in einem Betrieb die jeweils besten Grenzwerte eingehalten werden müssen.
Konkret geht es um eine geplante Änderung des Artikels 15, Absatz 3 der IED. In der geplanten Neufassung heißt es wortwörtlich, dass die zuständige Behörde die „strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte“ festlegt, die mit den „niedrigsten durch die Anwendung von bestverfügbaren Techniken (BVT) in der Anlage erreichbaren Emissionswerte übereinstimmen.“
Für Gerhardi würde dies bedeuten, dass dieselben Grenzwerte in beiden Standorten in Ibbenbüren und auf Rosmart gelten sollen. Gerhardi ist auf Rosmart führend im Bereich der Umwelttechnologie, wofür jedoch ein Mehreinsatz von Energie notwendig ist. Wird die Neufassung der IED in nationales Recht umgesetzt, müssten in allen Bereichen des Unternehmens dieselben Grenzwerte eingehalten werden. Der Gerhardi-Nachhaltigkeitsmanager Oliver Kortenjann erklärt es so: „Wenn irgendwo an einer Stelle in unserem Unternehmen ein Grenzwert überschritten wird, dürfte das ganze Unternehmen nichts mehr produzieren.“
Auf Rosmart sei man Klassenbester mit der supermodernen Galvanik von 2019, in Ibbenbüren sei die Anlage von 2007 der damals bestmögliche Standard. Ibbenbüren müsste sich also an den „strengstmöglichen Emissionsgrenzwerten“ orientieren, die auf Rosmart erreicht werden. Rosmart wiederum verbraucht viel mehr Energie als das Werk in Ibbenbüren. Wenn die Neufassung der IED gültig würde, müssten beide Gerhardi-Betriebsteile schließen.