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Thomas Kellner fotografiert Fachwerkhäuser im Siegener Industriegebiet

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Von: Achim Lettmann

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Die „Eiserntalstraße 117“ ist ein Fachwerkgebäude in  Eiserfeld im Siegerland.
Die „Eiserntalstraße 117“ ist ein Fachwerkgebäude in Eiserfeld im Siegerland. Thomas Kellner fotografierte das Haus 2015. © Thomas Kellner

Mit Thomas Kellners Fotografien von 2015 lassen sich Fachwerkhäuser in Südwestfalen vergleichen und Sanierungsmängel nachweisen. Bereits 1960 nahmen Bernd und Hilla Becher die Häuser auf.

Düsseldorf/Eiserfeld – Michael Arns stellt nüchtern fest: „Der ursprüngliche Stolz ihrer Erbauer ist nicht mehr zu spüren.“ Der Architekt erinnert an Bergleute, Hüttenarbeiter und Handwerksmeister, die die Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebiets errichteten. Zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Häuser aus den Werkstoffen der Umgebung. Fotos von Thomas Kellner zeigen, wie dieser Gebäudetyp im sanierten Zustand wirkt. Die Publikation „Thomas Kellner: Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebiets heute“ vergleicht mit dem Original: Kunststofffenster statt Holzflügelfenster, neue Formate, die die Fassadenproportionen ignorieren und kantige Abschlüsse der Schieferfassade anstelle eines profilierten Traufgesimes. Das Dach war meist mit Schindeln im altdeutschen Stil gedeckt.

Die Siegener Häuser sind eine Sparversion des Fachwerks aus schwarzen Balken und weißgetünchten Putzfächern. Im waldreichen Südwestfalen musste im 18. Jahrhundert Holz beim Hausbau gespart werden. Aus Buche und Eiche wurde Holzkohle für die Eisenindustrie produziert. Anstelle des verfeuerten Laubwalds wurden Nadelhölzer gepflanzt, Baustoff für das Traggerüst der Siegener Fachwerkhäuser. Hinter einer detailreichen Schieferfassade verschwand dann die Holzkonstruktion.

Die Fotografie „Eiserntalstraße 117“ von 2015 zeigt, wie monoton die Fassadenschindeln heute gereiht sind. Die schmalen Fenster lassen hinter Rolladen Kunststoffstreben im Isolierglas erkennen. Für Architekt Arns ist „der regionaltypische Charakter der Häuser“ verloren gegangen.

Das Ergebnis wird von Bernd und Hilla Becher gestützt. Das Fotografenpaar hatte zwischen 1959 und 1972 Fachwerkhäuser im Siegerland dokumentiert. Mit ihren Schwarzweißfotos lässt sich der Bautyp beispielhaft und augenfällig vergleichen. In der Publikation werden sechs Hausfotografien der Bechers neben Fotos von 2020 gesetzt.

Thomas Kellner steht in der Tradition der maßgebenden Becher-Schule. Die serielle dokumentarische Fotografie bewahrte historische Gebäude und Industriearchitektur vor dem Vergessen. Kellner fokussierte sich 2015 auf die 18 Haustypen, die die Bechers ausgewählt hatten, noch absichtsvoller. Er lässt die Umgebung im Foto unscharf erscheinen. Das verstärkt den Eindruck, es handele sich um ein Modellhaus. Letztlich wirken die modernisierten Häuser konform. Der regionale Schiefer wurde teilweise durch Mineralfaserplatten ersetzt. Eine Spur Farbe erlaubt sich Kellner auf einigen Fotos, wenn er Pflanzen vorm Hauseingang blassrot schimmern lässt.

Thomas Kellner: Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebiets heute. Architektenkammer NRW. Verlag Seltmann Publishers. 72 S., zahlreiche Abbildungen,

25 Euro.

Bis 19.9.; multimediale Ausstellung „Fachwerkhäuser“ in der NRW-Architektenkammer in Düsseldorf.

www.aknw.de

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