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Wilde Show: So war das Måneskin-Konzert in Köln

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Von: Frank Zöllner

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Måneskin in Köln.
Måneskin in Köln. © Thomas Beinert

Welch eine Party, welch ein Druck. Das ausverkaufte Måneskin-Konzert in Köln war ein früher Konzert-Höhepunkt des Jahres.

Köln - Nahbar, mit unbändiger Spielfreude und einer Energie für eine Konzert für über zwei Stunden - es war denkwürdig, was das Quartett aus Italien in die Kölner Arena an Musik mit einer wilden Mischung aus Glamrock, Punk-Attitude und Publikumsnähe in ihre Instrumente und ins Mikrophon knüppelte.

Als Gitarrist Thomas Raggi bei der Zugabe zu „The Lonielist“ ein Solo spielte, erinnerte seine Pose und die gesamte Inszenierung an Jimmy Hendrix oder Jim Morrison von den Doors. Der Bogen zu den alten Rockhelden war also gespannt, der Glamrock von T. Rex mit Marc Bolan oder The Kiss schimmerte permanent durch den Abend. Aber die Interpretation der vier Italiener glich einer Frischzellenkur für diese Musikrichtung - erstaunlich, denn Rock ist im Mainstream derzeit fast komplett verschwunden in den junger Mainstream-Playlisten - außer man heißt anscheinend Måneskin.

Erstaunlicher wird das ganze zudem noch, da Måneskin ESC-Gewinner 2021 und als Straßenband aus Rom den Karriereweg über die Castingshow X-Factor genommen hatten - nichts, was Hardrock-Puristen zu Begeisterungstürmen grundsätzlich hinreißen lässt, die aber auch ihren Spaß an den Auftritt gehabt hätten. Und der Verdacht von damals, dass da Koks auf dem Tisch kurz vor dem Bekanntwerden des ESC-Gewinns liegt? Im Lied „Feel“ wird das selbstironisch thematisiert, ohne dass sich jemand daran stört. Wie auch, wenn auf den roten Shirt von Sänger Damino David „Choke“ steht.

Nun haben Måneskin ihr drittes Album „Rush“ am Freitagabend beim zweiten Konzert in Deutschland dabei und nach dem Berlin-Auftritt sind nun fast 16000 begeisterte Fans da, um die weltweiten Charthits zu hören von einer Band, die zig Millionen Platten verkauft hat und auch schon Vorband für die Rolling Stones waren.

Kein Wunder, dass die fast ausverkaufte Lanxess-Arena vor Vorfreude beinahe zittert. Die Bühne ist in ein riesiges rotes Tuch gehüllt, die Band legt krachend los und unter großem Jubel zeichnen sich die Silhouetten im blitzenden Strobo-Licht überlebensgroß auf dem Stoff ab. Dann fällt das Tuch und stampfend legen Måneskin los. Die Bassistin Victoria De Angelis trägt schwarze Stiefel bis zu den Oberschenkeln, hat oben rum eine Art Kunstleder-Negligee an und sicherheitshalber ihre Brustwarzen abgeklebt, falls sie durchschimmern (was sie eben machen).

Der charismatische Sänger Damiano David und Gitarrist Thomas Raggi tragen Jeans-Schlaghosen mit weißen Sternen wie aus den frühen 70ern, das Mikro hängt zu Beginn von der Decke, der Drummer Ethan Torchio schwingt seine wilde und lange Mähne wie die Bassistin und drischt auf sein Instrument ein. „Don‘t wanna sleep“ heißt der krachende Auftakt, es ist ein programmatischer Auftakt, der später von drei Italo-Rockballaden unterbrochen wird. Später wechseln Sänger und Gitarrist auch einmal in der Konzertmitte zu eine Lichtermeer aus Handylichtern auf eine kleine Bühne.

Erstaunlich ist, wie nur vier Leute so viel choreografierten und komponierten Krach in so ein riesiges Gebäude zaubern können. Drei Alben hat die Band mittlerweile veröffentlicht, aus allen bringen sie an diesem Abend Songs auf die Bühne - insgesamt 22. Diese Vier kennen sich seit der Schule, sie haben als Straßenband angefangen verstehen sich offensichtlich blind. Sie spielen knallharte Riffs und legen Bewegungen hin, die an Akrobatik oder an, nun ja, auch Sexfilme von den Posen her erinnern. Wenn Bassistin Victoria De Angelis Bass auf dem Boden liegend spielend die Rückenstütze für Gitarrist Thomas Raggi bildet, ist das die Steigerung aller vorher gezeigten Rock-Posen. Dazu stürzen sich alle - natürlich bis auf den Schlagzeuger - mit ihren Instrumenten ins Publikum, Sänger David auch zum Crowdsurfing mit Mikrofon, auch Gitarre und Bass verstummen nicht in der begeisterten Fan-Menge.

Es ist laut, es kracht, aber alles in eine klarem Sound. Lieder wie „Bla bla bla“ nehmen ein all seiner Albernheit ein und mit, ohnehin singt die Halle fast alle Songs lautstark mit. Und wenn dem nicht so wäre, dann hätte Sänger David dazu eine explizierte Meinung - braucht er aber nicht zu haben. „Kool Kids“ als Zugabe ist eine Einladung an einem Teil des Publikums, auf die Bühne zu kommen, ein ikonisches Bild, wie Fans tanzen, Musiker davor auf den Boden robben und alle glücklich wirken.

Ist es die Sehnsucht nach einfachen musikalischen Antworten in komplizierten Zeiten, die Måneskin so erfolgreich macht? Viel zu sagen haben sie auf der Bühne nicht, aber das haben schließlich auch andere nicht. „Hello, Cologne, es ist schön bei Euch zu sein“, ruft Sänger David. Das finden alle anderen auch.

Dann brennt irgendwann der Mikroständer und die Bühne hinter dem Schlagzeug und der Sänger steht mit nacktem Oberkörper daneben. Die Band verausgabt sich komplett an diesem Abend - und wird dafür frenetisch gefeiert. Die fast zwei Stunden Konzert, die mit dem zum zweiten Mal am Abend vorgetragenen „I Wanna Be Your Slave“ enden, nur diesmal ist David oben mit seinem trainierten und tätowierten Körper nackt und hat seine Schuhe ausgezogen, vergehen wie im Rausch. Der Dank ist ein Blick in glückliche Gesichter der Fans.

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