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Kunstmuseum Ahlen feiert sein 30-jähriges Bestehen

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Von: Achim Lettmann

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„Landschaft mit Olivenbäumen“ (um 1910) ist in der Ausstellung „Aufbruch! Junge Moderne aus unserer Sammlung“ in Ahlen zu sehen.
Den Blick in die Landschaft malte Walter Rosam in Pastellfarben. „Landschaft mit Olivenbäumen“ (um 1910) ist in der Ausstellung „Aufbruch! Junge Moderne aus unserer Sammlung“ in Ahlen zu sehen. © (C)Christian Ring

1993 eröffnete das Kunstmuseum Ahlen in privater Trägerschaft. Erst ab 2006 wurde systematisch gesammelt. Nun stellt das Haus in einer ersten Schau seine Bilder aus der Moderne aus.

Ahlen – Die „Landschaft mit Olivenbäumen“ ist wieder zu sehen. Walter Alfred Rosam malte diese Naturansicht um 1910 in Pastellfarben. Der Künstler aus Hamburg schuf mit seiner Farbgebung einen atmosphärischen Raum, der das Licht des Südens spürbar macht. 2018 war das Gemälde das letzte Mal im Kunstmuseum Ahlen zu sehen. Nun wird es mit insgesamt 150 Bildern präsentiert. Der Grund ist ein Geburtstagsfest. Das Kunstmuseum Ahlen wird 30 Jahre alt und will mit drei Ausstellungen über das ganze Jahr seine Sammlung feiern. „Aufbruch! Junge Moderne aus unserer Sammlung“ macht den Anfang. Eröffnet wird am Samstag, 16 Uhr.

Das älteste Gemälde der Sammlung ist eine Ölstudie von Pierre-Auguste Renoir „Paysage“ (1885). In differenzierten Strichen macht der französische Künstler aus der Landschaft einen farbigen Kosmos. Das Bild stammt aus dem Privatbesitz des Stifterehepaars Theodor und Anneli Leifeld. Theodor F. Leifeld (1921–2005) hatte eine Gründerzeitvilla am Westtor der Stadt erworben und vor dem Verfall gerettet. Nur wie sollte das Haus genutzt werden? Zwar gab es keine private Sammlung, aber die Idee, ein Kunstmuseum für die Stadt in privater Trägerschaft zu betreiben. 1993 eröffnete das sanierte Haus mit Unterstützung des Kunstvereins Ahlen. Ab 1995 entwickelte sich das Kunsthaus ohne den KV weiter. Mit einem modernen Anbau, der 1996 eröffnet wurde, verdoppelte sich die Ausstellungsfläche. Gründungsdirektor Burkhard Leismann (1952–2022) tätigte einzelne Ankäufe aus Nachlässen und von Leihgaben, die mit den Ausstellungen ins Haus kamen. Erst ab 2006 baute Leismann eine Sammlung systematisch auf. Stiftung und Förderkreis des Museums beteiligten sich finanziell. Mittlerweile gibt es 1500 Exponate von rund 200 Künstlern in Ahlen, Von Interesse waren die Nebenschauplätze der klassischen Moderne: Kunst aus Krefeld, Bielefeld, Bonn. Beispielsweise Wilhelm Wieger, Peter August Böckstiegel und Helmuth Macke. Vertreter des Luminismus aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich wurden ebenfalls gesammelt – eine Kunstbewegung, die das Licht zum Malereithema erhob. Außerdem kam konstruktive Kunst nach 1945 ins Haus. Die Stiftung des Ahlener Industriellen Leifeld führt das Kunstmuseum.

„Aufbruch!“, die erste Geburtstagsschau, bietet Gemälde und Druckgrafiken von 1885 bis 1936. Außerdem hat Kuratorin Kinga Luchs die Schweizer Künstlerin Susanne Lyner und den ukrainischen Künstler Aljoscha eingeladen, mit ihren Werken auf die Sammlung zu reagieren. Lyner bezieht sich auf Elfriede Thums Ansicht „Lugano“. Mit kreisenden kurzen Schwüngen lädt Thum (1886–1952) eine Seeansicht mit Rosa, Blau und Grün auf. Ihr Postimpressionismus entwickelt die Punktstruktur des Pointillismus weiter und erzeugt schillernde Wirkungen, wenn Farben mit ihren Pinselstrichen wechseln. Lyner zeigt 16 Tafeln aus der Reihe „les solitaires“ (2010/11). Sie hat die Farben auf das Bild geworfen. Es gibt mehrschichtige Farbspuren, die sich beeinflussen und an die Farbzerlegung wie bei Thum erinnern.

Dagegen geht Aljoschas „Emotional Landcape“ (2023) ins Dreidimensionale. Insgesamt hat er mehrere Acrylglaskörper verbunden, die bizarr von der Decke ausgreifen. Farbe ist in Acrylglasgebilde materialisiert. In den Hohlräumen – Aljoscha nennt es Bioismus – wirken die fieseligen Strukturen aus Farbe futuristisch.

Museumsdirektorin Martina Padberg blickt im Moment sehr optimistisch in die Zukunft. Obwohl zahlreiche Kunstmuseen klagen, dass das Publikum nach der Corona-Pandemie immer noch zögerlich ist, gilt das nicht für Ahlen. „Wir erfahren eine Welle des Zuspruchs“, sagte Padberg. Die Kunsthistorikerin zählt mehr Gäste aus der Region und Münster. Auch das kunstpädagogische Programm ist ausgelastet. Konkrete Besucherzahlen gibt das Haus aber nicht heraus.

Zu den großen Namen im Kunstmuseum zählen neben Renoir auch Emil Nolde, Max Pechstein, Erich Heckel und Otto Mueller mit dem Aquarell „Schiffe im Hafen“ (1912). Spannend sind Künstler, die auf den Kunstgewerbeschulen vor dem ersten Weltkrieg modern malten. In Krefeld unterrichtete Johan Thorn Prikker ab 1904. Seine Schüler ließen sich von van Gogh inspirieren. Mit diesem rauen Strich experimentierte Wilhelm Wieger, wenn er einen „Blumenstrauß im Krug“ (1906) furios mit seiner Pinselführung einkreiste. Wundervoll leicht und transparent kommt seine „Niederrheinische Landschaft“ (1907) daher. Mit rund 20 Exponaten bildet Wieger den größten Werkkomplex in der Schau. Ganz fein in Rosatönen schuf Walter Giskes eine Obstschale aus ornamentalen Formen: „Stillleben“ (1906).

Es gibt viele Namen zu entdecken. Auch Helmuth Macke (1891–1936), der als Cousin von August Macke kaum ernst genommen wurde. Sein Aquarell „Blick auf Steckborn“ (1934) ist ein Idyll mit feinen Linien. Mit einer Ausstellung von 2017 erinnerte Ahlen bereits an Helmuth Mackes Werk.

Von Adolf Hölzel ist die impressionistische Naturansicht „Sonnenlandschaft mit Dorf“ (1903) zu sehen.

In Bielefeld bildete sich Peter August Böckstiegel aus, als er bei Ludwig Godewols die Kunstgewerbeschule besuchte. Sein Gemälde „Nach dem Regen“ (1912) transportiert die Frische der klaren Luft mit kräftigem Braun, Gelb und Grün. Ruppige Wolken lassen bereits das Blau des Himmels durchscheinen.

Die Ausstellung in Ahlen lohnt eine Entdeckungstour. Auch gern bis unters Dach des Hauses. Denn Renoirs „Landschaft mit Büste im Hintergrund“ (1918) ist frisch restauriert. Das Werk steht seit 2014 im Werkverzeichnis Nr. 3844. Eine Sammlung wird konservatorisch begleitet. Auch das dokumentiert diese Geburtstagsschau.

Eröffnung, Samstag, 16 Uhr, bis 11.6.; mi – sa 15 – 18 Uhr, so 11 – 18 Uhr;

Tel. 02382/91830; www.

kunstmuseum-ahlen.de; Broschüre 10 Euro;

am 24.5. erscheint ein Sammlungskatalog;

Sommerfest 27.8.;

weitere Ausstellungen: „Timm Ulrichs“ 25.6. – 17.9., „Kunst nach 1945“ 1.10. – 7.1.2024

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