Die Arbeit ist höchst anspruchsvoll. Man merkte es auch daran, dass die Premiere erst im dritten Anlauf gelang. Die Rechner litten unter der Sommerhitze, jedenfalls brauchte es Neustarts, um die Videospuren zu synchronisieren. Der Effekt ist unter anderem, dass Ton und Bildern präzise verbunden sind. Wenn Peter Erskine ein Becken anschlägt, kommt der Klang aus seiner Richtung. Der Blick wird zwar auf die Hauptleinwand fokussiert, aber man spürt die Präsenz von Chor und Drummern, auch wenn sie Pause haben. Da sind keine Standbilder, wie man an kleinen Bewegungen sieht.
Inhaltlich dreht Rosefeldt das ganz große Rad. „Euphoria“ handelt von den Zusammenhängen der globalen Ökonomie, von der zerstörerschen Macht von Habgier und Wachstumsideologie, von der drohenden Zerstörung der Erde durch den Menschen.
Gleich am Anfang zeigt Rosefeldt sein kunstvolles Spiel mit Kino-Versatzstücken. Wir sehen das nächtliche New York aus der Vogelperspektive, ein Muster aus dunklen Häuserblöcken und hellen Straßen. Die Kamera taucht ein. Wir sehen einen Taxifahrer, der einen späten Passagier aufnimmt. Einen Schweiger. Aber der Fahrer, eine Frohnatur, wundervoll gespielt von Hollywoodstar Giancarlo Esposito, übernimmt das Reden, philosophiert über den Konsum von Dingen, die wir nicht brauchen und kaufen mit Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Zuerst schlägt das Taxi einen Salto wie im Actionfilm, was der Fahrer nur mit einem „Ups“ kommentiert. Die Fahrt geht durch eine immer surrealere Gegend. Ein Pferd galoppiert vorüber, eine Schafherde läuft durch eine Gasse, ein Beerdigungsgesellschaft blockiert den Weg.
Es wird viel geredet in der rund zweistündigen Folge mehrerer Spielszenen. Rosefeldt nimmt Theorien aus 2000 Jahren Philosophie und lässt sie von Protagonisten vortragen, von denen man das nicht erwartet. Da versammeln sich fünf bärtige, in schmuddelige Jacken gehüllte Obdachlose um ein Feuer im Ölfass auf einer Abwrackwerft und streiten um das Konzept der „unsichtbaren Hand“ des liberalen Ökonomen Adam Smith, also den Gedanken, dass der freie Markt durch Angebot und Nachfrage für optimales Wirtschaften sorgt. Das ist hochkomisch, wenn ein Habenichts feurig für den Egoismus streitet, während die Rotweinflasche kreist. Dass im Hintergrund ein Kamel eine Rampe emporsteigt, ist eine fein apokalyptische Anspielung auf die Arche Noah.
Luftaufnahmen führen über Industriebrachen, über Containerlager und geparkte Panzer. Einer Gruppe Jugendlicher legt Rosefeldt die Vorstellung in den Mund, dass man den Kapitalismus zähmen müsse.
Das Ende ist eine grandiose Apotheose des Zynismus. Da fährt die Kamera durch einen menschenleeren Supermarkt, an Regalen entlang, die den Überfluss in Reihen von Chipstüten und Ketchup-Flaschen fassen. Eine Stimme aus dem Off höhnt über eine Menschheit, die sich selbst abschafft. Ein Tiger reißt im Konsumtempel die Dinge aus den Regalen, roter Saft fließt wie Blut. Das Tier redet, mit der Stimme von Cate Blanchett, erst rau grollend, dann immer auftrumpfender, rhythmisch wie ein Rap, am Ende eine düstre Hymne der Schadenfreude anstimmend: „We laugh with joy“, wir lachen vor Freude, den der Chor aufnimmt und zu einem rauschhaften Klangsturm verstärkt.
Bis 10.9., tägl. 12 – 19.30 Uhr, www.ruhrtriennale.de