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„Floating Strangers“: Das Hagener Osthaus Museum zeigt Gemälde von Stephanie Pech

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Von: Ralf Stiftel

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Stephanie Pechs Gemälde „Der Schwimmer“ (2010) im Hagener Osthaus Museum
Ein Inbild der Geschwindigkeit: Stephanie Pechs „Der Schwimmer“ (2010) ist im Hagener Osthaus Museum zu sehen. Den flinken roten Kamar setzte sie auf eine Wolke aus Anthropometrien. © Ralf Stiftel

Hagen – Wie ein flirrend roter Pfeil zieht der langgestreckte Kalmar durch das leuchtende Blau. Drei Meter breit ist das Gemälde von Stephanie Pech, und vordergründig nimmt man einfach ein großes Wassertier wahr, eingefangen in einem überaus dynamischen Moment. Gewischte Linien und ein paar kleine Punkte (Luftblasen?) am rechten Bildrand unterstreichen noch den Eindruck von Bewegung. Aber der zweite Blick offenbart, dass hier nicht einfach eine Tiermalerin am Werk war.

Der blaue Bildgrund suggeriert Wasser, tatsächlich sehen wir einfach Farbe, gleichmäßig wie ein Wandanstrich. Die Molluske liegt auf einer dunklen Wolke, die ausgestoßene Tinte sein könnte. Aber auch dieser Eindruck trügt, wie man vielleicht angesichts der Handabdrücke links ahnt. Das vermeintlich einfache, eindeutige Bild ist aufgeladen mit Künstlichkeit.

Zu sehen ist „Der Schwimmer“ (2010) im Osthaus Museum in Hagen, das der Künstlerin die Ausstellung „Floating Strangers“ (Treibende Fremde“) widmet. Stephanie Pech, 1968 in Unna geboren, in Bonn lebend, bringt in ihren Werken ganz unterschiedliche Techniken und Stilelemente unter. Was wie das monumentale Tierbild so homogen auftritt, ist tatsächlich eine komplexe Montage. So liegt der „Schwimmer“ auf einer Anthropometrie, einer Körperabformung, die Yves Klein als spezielle Form der Aktionskunst entwickelte. Pech arbeitet mit einer Tänzerin, die ihr als lebendiger Pinsel dient. Diese Abdrücke eines Körpers liefern eine Grundstruktur mit einen Anteil an Zufall, an Unberechenbarkeit, auf die die Malerin nun mit weiteren Impulsen reagiert. Der so lebendig erscheinende Kalmar bildet eben nicht naturalistisch ab.

Wassergetier gehört zum festen Formenrepertoire der Künstlerin. Sie malt auch einen Teich mit Kois. Sie lässt einen Frosch einem Bügeleisen begegnen, das offenbar auf den Lurch zuhüpfte, wie Abdrücke vermuten lassen („Frosch I“, 2005). Sie hängt einem knienden Frauenakt einen fetten Aal um den Hals wie eine Pelzstola („How Much Is The Fish?“, 2022). Da findet man die kalte, hyperrealistische Dingmalerei eines Konrad Klapheck ebenso wieder wie die verwischte Figurenauffassung Francis Bacons. Auch den Surrealismus bringt Pech in ihre Bilder ein. In „Re-Animation“ (2019) setzt sie auf einen starken Farbkontrast zwischen dem rosa Bildgrund und einer grünen, aus Körperabdrücken gesetzten Wolke. Im Zentrum schwebt eine Tischplatte, auf der ein Krake liegt. Der Boden des Raums könnte eine gestreifte Matratze sein. Man erkennt Schläuche und eine Dusche. Ganz unten zeichnet sich ein sehr viel größerer Fangarm mit Saugnäpfen ab, der vielleicht zum vermeintlich toten Tier gehört. Neben der Abformung setzt Pech hier die Frottage ein, die der Surrealist Max Ernst erfunden hat. So lag die Leinwand auf Schläuchen von Staubsaugern, die Künstlerin fixierte die Struktur mit Pastellkreide. Wieder ergibt sich eine durchaus einheitliche Komposition, aber es ist unmöglich, das in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Am Ende steht ein Bildrätsel um eine subtile Bedrohung.

So spielt die Künstlerin mit Mehrdeutigkeiten. Sie vergrößert Blüten mit pelzigen Blatthüllen zu ebenso faszinierenden wie ekligen Objekten. Sie lehnt an eine Wand mannsgroßen Spargel, dessen Schatten ein Schemenwesen ist, mit einem Gesicht darin. Auf einem Teich schwimmt ein fast rohes Spiegelei, ein Fruchtbarkeitssymbol. Und zu weißen Bällen, halb Perlen, halb Lampe, schweben bedrohliche Motten. So eröffnet die Künstlerin eine Bildwelt, an der man lange zu schauen hat.

Bis 9.4., di – so 12 – 18 Uhr,

Tel. 02331/ 207 3138, www.osthausmuseum.de, Katalog, Wienand Verlag, Köln, 28 Euro

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