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Landgericht: „Rechtsfrieden nicht gestört“

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Lüdenscheid - Der 31-Jährige gilt im Haus Hellersen als aufbrausend und gewalttätig. Die 9. große Strafkammer sitzt über den massigen Mann zu Gericht, um zu prüfen, ob er in einer „Geschlossenen“ besser aufgehoben wäre. Hier hält der Angeklagte, sichtlich verängstigt, den Ball sehr flach. Doch seine Furcht ist unbegründet. Die Richter stellen das Verfahren gegen ihn ohne Auflagen ein.

Dabei sprechen auch die letzten beiden Zeugenaussagen eine deutliche Sprache. Der an paranoider Schizophrenie leidende Bewohner hat vorzugsweise Unterlegene zu Opfern gemacht. Hier ein Tritt, dort ein Fausthieb, da ein Schubser. Und wenn Betreuer ihn zur Rede stellten, rastete er vollends aus und zertrat Stühle oder demolierte Türen. Eine Erzieherin, die ihn als „schnell übergriffig“ beschreibt, erinnert sich an die Folgen seiner Ausbrüche: „Unser Aufenthaltsraum war geradezu entmöbelt.“

Der Dortmunder Nervenarzt Dr. Bernd Roggenwallner hat keine Chance, den Patienten gründlich zu begutachten. Der 31-Jährige hat nicht mit ihm geredet. Bei Visiten im Haus Hellersen hält er es ähnlich und stellt sich schlafend, wenn die Ärzte kommen. „Wie es ihm genau geht, kann man nicht sagen“, so der Psychiater. Aus alten Akten weiß er, dass der IQ des Angeklagten „auf der Grenze zur niedrigen Intelligenz“ liegt. Von Verhaltensstörungen ist die Rede, von Impulskontrollstörungen und einer intellektuellen Minderbegabung. Mitunter hört der Angeklagte Stimmen oder hat optische Halluzinationen. Ein geheimnisvoller Mann mit Pudelmütze und ohne Gesicht löst Verfolgungsangst bei ihm aus.

Aber reicht das, um den Mann auf unbestimmte Zeit in einer Forensik verschwinden zu lassen? Laut Dr. Roggenwallner ist die „Gefährdungslage relativ begrenzt“. Wenn er Rückzugsmöglichkeiten habe, sagt der Gutachter über den Angeklagten, „ist er gar nicht auffällig“.

Staatsanwältin Beatriz Föhring sagt: „Wir sind mit den Mitteln des Strafrechts am Ende.“ Und beantragt die Einstellung des Verfahrens. Richter Till Deipenwisch sieht den „Rechtsfrieden nicht dauerhaft gestört“. Der 31-Jährige bittet darum, wieder einen gesetzlichen Betreuer zu bekommen. Das kann die Kammer nicht regeln. Darum kümmert sich Rechtsanwalt Frank-Peter Rüggeberg.

Von Olaf Moos

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